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Feiern kann er! Und singen auch! Herthaner ist er sowieso und Vollblut-Charlottenburger! Prost, Frank Zander (rechts).
© Thilo Rückeis

Von Frank Zander bis Jeans Team: Eine neue Berlin-Hymne? Nein, elf!

Wie oft wurde diese Stadt bereits besungen: vom Gassenhauer über die Berliner Luft bis hin zum Wannsee. Und am Donnerstag werden noch mehr Songs gefeiert im Club "HO-Berlin".

Im Grunde könnten Plattenläden eine eigene Rubrik einrichten: Berlinschlager. Mit einem Mal kommen nun elf Lieder hinzu. Lokalhymnen nennt sich das Projekt, initiiert vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der Telekom-Plattform Electronic Beats. Für 70.000 Euro Fördermittel beschreiben Berliner Musiker ihre Stadt. Keineswegs nur positiv: Einige Stücke beklagen den Ausverkauf zentraler Flächen, unsoziale Mietsteigerungen und vermüllte Parks. Ein ehrlicher und unverstellter Blick auf den Moloch an der Spree. Gewonnen hat die Ausschreibung die kleine Firma 25 films, die mit „Tage außerhalb der Zeit“, dem Club Bar 25 ein cineastisches Denkmal setzte. Die GbR um Regisseurin Britta Mischer, Alexander Schmalz und Peppa Meissner begleitet das gesamte Projekt, von der Auswahl der Musiker bis zur Produktion der Filme und Vermarktung.

Eine Besonderheit hierbei: Fans der Interpreten schickten 30 Sekunden lange Videoschnipsel ein, die in die professionell gedrehten Musikclips integriert wurden. Das Ergebnis ist ab dem 13. Dezember auf Youtube zu sehen. Anders als der Film über die Bar 25 ist das musikalische Spektrum breiter.

Frank Zander singt seit Anfang der 90er die Hymne von Hertha BSC

Lokalhymnen sind kein stampfender Technosoundtrack der Clubszene, sondern genre- und generationsübergreifend konzipiert. „Der Bar 25-Film war ein einmaliges Projekt von dem wir uns mit Lokalhymnen bewusst abgrenzen wollen“, sagt Franziska Hofmann, die Projektassistentin. Ein Beispiel ist die Beteiligung von Frank Zander, der mit „Nur nach Hause“, bereits eine rührende Hymne für Hertha BSC erschaffen hat. Eigentlich sollte der Klassiker damals nur eine kleine musikalische Einlage werden, schlug aber ein wie eine Bombe. „Die Fans merkten, dass das Stück von Herzen kam und seitdem halten sie daran fest“, sagt Frank Zander und macht klar: „Eine Hymne ist nicht planbar“. Und so bleibt abzuwarten, ob die Lokalhymnen Hitpotential haben.

Trotz seiner Expertise ging Zander auf den Vorschlag der Filmemacher ein, mit einer ungewöhnlichen Hip Hop-Formation zusammenzuarbeiten – den Puppetmastaz. Mr. Maloke und seine Bandkollegen sind nicht aus Fleisch und Blut, sondern Handpuppen. Als rappendes Theater tourten sie bereits durch die USA. Auch für Zander sind sie alte Bekannte: „Ich bin selbst großer Jim Henson und Puppen-Fan“, sagt der 71-Jährige. Die Zusammenarbeit sei aber dann doch eine Überraschung gewesen und habe gut funktioniert. Zander führt das auf seine Vergangenheit zurück: „Songs wie der „Ur-Ur-Enkel von Frankenstein“ oder „Der Nick-Nack-Man“ waren die ersten deutschsprachigen Sprechgesänge – heute Rap genannt.“ Das Komponieren überließ Zander den Puppetmastaz. Und zeigen ein Mal mehr ihre sprachlichen Stärken und geben sich zudem selbstironisch: „Frank Zander … Berlin, is proll und voll Kultur, so mega multi in einer Tour.“ Und weiter heißt es: „Jeder hat hier wat dit Herz so braucht ne Currywurst und `ne Hertha auch allet rennt zu Events und wer keen kennt hat `n Hund mit dem er spricht.“

P.R. Kantate sang einst einen Song über den Görlitzer Park

Auch der Street-Linguist P.R. Kantate hat sich an Lokalhymnen beteiligt. Vor zehn Jahren gelang ihm mit „Görli, Görli“ ein deutschlandweiter Sommerhit. Für ihn Anlass das Stück generalzuüberholen. Schließlich hat sich der Park seitdem stark verändert. Er spaltet die Stadt und auch P.R. Kantate zeigt sich genervt vom Hype, dem Dreck und auch den Dealern: „Wo könnte es schöner sein? Hier könnte es schöner sein!“

Aber, und das wird bei allen Beiträgen deutlich, lebt Berlin von seinen Gegensätzen, von den unterschiedlichen Lebensentwürfen, die friedlich nebeneinander existieren, auch wenn der finanzielle Anpassungsdruck wächst. Noch gibt es sie aber, die kreativen Oasen jenseits der üblichen Verwertungslogik. In einem dieser Orte, dem HO-Berlin, werden die Lokalhymnen mit einer Party präsentiert. Das HO-Berlin befindet sich in einer ehemaligen Kaufhalle gegenüber dem S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Der Eigentümer, die ECP Finance LTD, will das Gebäude in zwei Jahren abreißen und stellt es bis dahin Kulturschaffenden zur Verfügung.

Am Abend wird im HO-Berlin gefeiert

Seit dem 6. Dezember hat das Buchstabenmuseum hier eine neue Heimat gefunden. Ausgestellt werden berühmte Typografien, die das Stadtbild prägten. Beispielsweise sind die "E"s des Tagesspiegels zu bewundern. Einst leuchteten sie auf dem Dach des früheren Verlagssitzes an der Potsdamer Straße. Ein weiterer Teil des HO-Berlins wird als Veranstaltungsort genutzt, allerdings meistens für geschlossene Veranstaltungen: „Die Premierenparty ist für uns eine Ausnahme, weil sie thematisch gut passt. Ein Clubbetrieb ist nicht geplant“, sagt Dirk Bücker, der das Gebäude für ECP verwaltet. Auf der Record Release Party sind alle elf Videos zum ersten Mal zu sehen. Frank Zander kann leider kein Konzert geben, dafür moderiert das Duo „Onkel Berni“ eine Konzert- und DJ-Show mit Blake Worrell, den Toten Crackhuren im Kofferraum und dem Jeans-Team. Sie alle würden sicher Frank Zander zustimmen, der feststellt: „Berlin ist hässlich, wunderschön, arm, reich, bunt und manchmal auch ziemlich grau, aber es wird immer meine Stadt bleiben.“

Infos zur Party: Lokalhymnen Record-Release-Party im HO-Berlin, Holzmarktstr. 66, Mitte, Eintritt 10 Euro. Das Projekt im Netz unter www.lokalhymnen.de

Martin Hildebrandt

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