Party-Doku über die Bar 25: Am bunten Strand der Spree
Unter der Konfettidusche: Britta Mischer hat einen Dokumentarfilm über die legendäre Berliner Bar 25 gedreht. Es ist das Märchen von einem Dorf inmitten der Stadt, in dem Leute am Freitagabend verschwanden und erst am Montag wieder ausgespuckt wurden.
Sie sind überall. Diese kleinen, kreisförmigen Schnipsel – manchmal in unschuldigem Weiß, gerne aber auch bunt oder glitzernd. Wer einmal mit ihnen in Kontakt gekommen ist, wird sie nicht so schnell wieder los, denn die kleinen Teilchen setzen sich hartnäckig in allen Ecken fest. Schon am Eingang des Kater Holzig liegt das Konfetti festgetreten auf dem Fußboden, auf dem Gelände hat es sich vor allem in der Holzverkleidung am Wasser festgesetzt. Diesen Platz hat Britta Mischer gewählt, um über ihren Film „Bar25 – Tage außerhalb der Zeit“ zu sprechen, mit Blick auf das alte Gelände des legendären Clubs am Ufer der Spree. Ihren magischsten Moment hatte sie exakt hier bei ihrer ersten Konfettiparty: „Da bin ich in zwei Tonnen Konfetti geschwommen, wie ein Kind. Wie im Traum eigentlich. Kann ich nur jedem empfehlen: Kauft euch Konfetti, verteilt es in eurem Wohnzimmer und schwimmt drin herum!“
Es ist das erste Kinoprojekt der Drehbuchautorin und Regisseurin, die sich seit der Arbeit an ihrem Buch „Die Jüngeren – Mitschnitte aus dem Leben der 13- bis 30-Jährigen“ (2002) am liebsten mit Jugend und Subkulturen beschäftigt. Sie und ihre Regiekollegin Nana Yuriko kennen die Macher des Clubs schon lange und haben ihnen nun ein Doku-Märchen geschenkt. Es ist das Märchen von einem Dorf inmitten der Stadt, ein Peter-PanLand zwischen Wachen und Schlafen, in dem einige Leute am Freitagabend verschwanden und Montag früh wieder ausgespuckt wurden. Zwischen dem Verschwinden und Zurückkehren gab es viele bunte Glitzersteinchen, Hasenkostüme, eine Schaukel über der Spree, Elektromusik, Konzerte, Zirkuseinlagen, Feuerwerke, Schlammschlachten – und natürlich tonnenweise Konfetti. Um in diesem Partyexzess nicht ständig aufzufallen, hat Mischer nur mit einer kleinen Handkamera gefilmt und sie mit Glitzersteinchen verkleidet.
Schon zur Eröffnung kamen 1000 Leute
„Hier sind Leute aus dem Ausland oder Deutschland gestrandet, die das als Möglichkeitsraum gesehen haben und dachten: Ich bau jetzt einmal eine Wodkarutsche“, erinnert sich Mischer, die findet, dass die Stadt dadurch auch schöner wird. Geschichten wie die der Bar 25 gehören zu den großen Erzählungen Berlins. Eine Gruppe von Leuten darf ein riesiges Gelände an der Spree zwischennutzen – und bastelt sich mit dem Baumüll des gerade umgezogenen Ostguts ein eigenes Partydorf. Schon zur Eröffnung kommen etwa 1000 Leute, die Feierlichkeiten dauern eine Woche.
Britta Mischer und Nana Yuriko waren schon beim Aufbau des gut bewachten Traumlandes dabei, in dem das Bunte über das Graue herrschte. Aus über 750 Stunden Filmmaterial hat sie dann zwei Jahre lang auswählen müssen. Wer das weiß, wird ihrem Film die ein oder andere, durchaus kräftezehrende Länge verzeihen. Aber sie hat auch einen Effekt: „Die Leute sollen beim Zuschauen das Gefühl haben, sie seien selbst auf einem Trip – ein bisschen wie bei Alice im Wunderland.“ Ein Trip, in dem sich Realität und Märchen miteinander vermischen: „Die Leute sind gerne so bunt rum gelaufen und kommen dann wirklich auch als Indianer aus ihrer Hütte raus.“
Schlupfloch vor der Realität
Der Film begleitet die vier Protgonisten Christoph Klenzendorf, Danny Faber, Juval Dieziger und Steffi Lotta auch in weniger wildromantischen Situationen: etwa zum Gericht, als die erste Kündigung vor der Holztür steht. Es sind Aufnahmen wie diese oder jene von den Demonstrationen gegen das Investorenprojekt Mediaspree, in denen dem Film auch eine zweite Perspektive guttun würde, doch Britta Mischer wollte bei den Figuren bleiben und „keine Reportage“ machen. Der ersten Kündigung folgen weitere, Polizisten stören das Traumland, erste Tränen fließen. Genau hier wird deutlich, dass dieser riesige Spielplatz für die Betreiber der Bar und viele ihrer Gäste ein Schlupfloch vor einer biederen Realität ist, in der fünf Tage die Woche gearbeitet wird und der Tag gerade mal 24 Stunden hat.
Die Geschichte der Bar 25 ist deshalb so erzählenswert, weil sie exemplarisch ist. Sie stellt die Frage, wem die Stadt gehört, wer die Stadt gestalten darf und schließlich auch, wer in Berlin eigentlich mehr Touristen anlockt – Nofretete oder ein Club. Wie kleine bunte Papierschnipsel überall einsickern, so hat sich auch die Kunde von diesem wundersamen Ort verbreitet. Danny Faber beschreibt es im Film perfekt: „Innerhalb von zwölf Stunden verteilt sich das Konfetti durch den ganzen Laden, innerhalb der nächsten 24 Stunden durch die halbe Stadt und innerhalb der nächsten 48 Stunden, dank Easyjet, durch halb Europa.“
Es geht aber auch um die Erfahrung, von der Subkultur zum Mainstream zu werden. Schließlich schützten auch die Versuche, der Bar ein offeneres, kommerzielleres Image zu geben, nicht vor der Schließung im Herbst 2010. Hier enden die Filmaufnahmen der Produktionsfirma 25 Films, die von da an das Material zu sichten begann: „Wenn man die Geschichte der Bar 25 erzählen will, muss man auch bis zum Ende bleiben. Von Brache zu Brache.“ Für die Postproduktion kam das neue Konzept namens Crowdfunding gerade richtig, über das 25 000 Euro gespendet wurden. 271 Unterstützer hat das Projekt gefunden – die großzügigsten unter ihnen wurden am Montag zur Premierenfeier des Films mit einer waschechten Konfettidusche beschenkt.
Bald soll ein neues Traumdorf entstehen
Die Bar 25 ist ein Traum, den viele am Leben erhalten wollen. Teilweise wird er jetzt im Kater Holzig weitergeträumt, aber auch hier endet der Zwischenmietvertrag im nächsten Jahr. Das Kater Holzig hat das alte Bargelände weiter fest im Blick: Die neu gegründete Interessengemeinschaft Holzmarkt will auf 12.000 Quadratmetern ein Wohn-, Kultur- und Gewerbedorf bauen – eine Art gallisches Dorf mitten im Mediaspree-Imperium. Es soll luftig anstatt mit Betonklötzen bebaut werden, und ein begehbarer Uferweg soll entstehen. Und das Träumen hört nie auf. Britta Mischer wird dann von Neuem ans Werk gehen: „Ich wurde gerade beauftragt, einen neuen Imagefilm zu machen.“ Die nächsten Konfettiduschen kommen bestimmt.
Ab Donnerstag in den Berliner Kinos Acud, b-ware!-ladenkino, Central (mit englischen Untertiteln), Cinemaxx, Colosseum, Eiszeit, Moviemento und Zukunft