Berlins marode Schulen: Eine Milliarde Euro zu wenig in Schulgebäude investiert
Neue Zahlen belegen, dass den Berliner Schulen durch die Sparpolitik des Landes jeder dritte Euro für den Erhalt der Gebäude verlorenging. Einige Bezirke hielten sich besonders zurück.
Durch Einsparungen bei der Bauunterhaltung sind den Berliner Schulen seit 1997 mehr als eine Milliarde Euro verloren gegangen. Dies belegt eine neue Übersicht der Senatsverwaltung der Finanzen, die dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach hätten seit 1997 mehr als drei Milliarden Euro in die rund 800 Schulen fließen müssen, wenn Berlin den Empfehlungen für die kommunale Bauunterhaltung gefolgt wäre. Stattdessen wurden nur zwei Milliarden Euro investiert.
Der inzwischen festgestellte akute Berliner Schulsanierungsstau ist allerdings noch weit höher als eine Milliarde Euro, weil „durch die versäumte Instandhaltung größere Schäden erfolgt sind“, heißt es in der Antwort auf eine noch nicht veröffentlichte Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck. Nach Angaben der Finanzverwaltung hat Steglitz-Zehlendorf am wenigsten in die Schulsanierung investiert.
"Größere Schäden durch versäumte Instandhaltung"
Der Fehlbetrag von über einer Milliarde Euro kommt dem jüngst festgestellten akuten Sanierungsbedarf nahe: Er wurde auf 1,25 Milliarden Euro beziffert. Die Differenz von 250 Millionen Euro erklärt Staatssekretär Klaus Feiler (SPD) damit, dass sich „in einigen Fällen die Kosten allein dadurch erhöht haben, dass durch die versäumte Instandhaltung größere Schäden entstanden sind“. Jüngstes Beispiel: Die Turnhalle der Grundschule am Insulaner in Steglitz. Wie berichtet, war dort jahrelang das Dach nicht richtig saniert worden, bis eindringendes Wasser das Parkett und die Wände ruinierte. Jetzt sind die Kosten erheblich gestiegen, und die Halle ist wegen starken Schimmelbefalls für Monate gesperrt.
Steglitz-Zehlendorf bildet das Schlusslicht
Langenbrinck wollte auch wissen, inwieweit die Bezirke ihren geringen Haushaltsspielraum für eigene Prioritäten nutzten. Dabei kam heraus, dass Steglitz-Zehlendorf prozentual am wenigsten in die Bauunterhaltung seiner Schulen gesteckt hat und Lichtenberg am meisten. Dies hat sich im südwestlichsten Bezirk besonders negativ ausgewirkt, weil es dort aufgrund des hohen Altbaubestands eigentlich einen höheren Investitionsbedarf gibt als etwa in Lichtenberg mit vielen Neubauten. „Einige Stadträte haben den Ernst der Lage nicht verstanden“, kommentierte Langenbrinck die bezirklichen Unterschiede.
Die Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, Cerstin Richter-Kotowski (CDU), wies diesen Vorwurf von sich. Es sei „unseriös“, einen derart langen Zeitraum zu betrachten, weil sich seit 1996 zu viel verändert habe: Die Bezirksfusionen fielen in diese Zeit. Die Grundaussage der Tabelle sei doch wohl in erster Linie viel eher, dass das Land viel zu wenig Geld in die Bauunterhaltung investiert habe, wenn letztlich eine Milliarde Euro gefehlt habe.
Schon 2007 warnte der Landesrechnungshof
Tatsächlich hat Berlin nicht die empfohlenen 1,32 Prozent des Gebäudewertes bereitgestellt, der eigentlich nötig wäre, um die Substanz zu unterhalten, sondern jahrelang nur rund ein Prozent. Auf diese Weise ging im Laufe der Zeit die genannte eine Milliarde verloren. Bereits 2007 hatte der Landesrechnungshof davor gewarnt, dass hier am falschen Ende gespart werde, weil es letztlich teurer werde, den Schaden zu beheben. Genau dies ist jetzt eingetreten.
Allerdings blieb lange Zeit unklar, wie groß der Sanierungsstau tatsächlich war. Diese Frage wurde erst 2016 durch den Gebäudescan beantwortet, der einen Investitionsbedarf von über vier Milliarden Euro ergab. In diesem Betrag sind allerdings auch die Ausgaben für energetische Sanierung und Barrierefreiheit enthalten. Der akute Sanierungsbedarf liegt demnach bei den genannten 1,25 Milliarden Euro, wobei Steglitz-Zehlendorf mit knapp 270 Millionen an der Spitze der Bezirke steht, während die anderen Bezirke im Schnitt nur 100 Millionen Euro Akutbedarf gemeldet haben.
Der Gebäudescan beantwortet nicht alle Fragen
„Wir haben die Untersuchung vorgenommen, weil wir uns gefragt haben, warum der Gebäudescan zu so unterschiedlichen Bezirksergebnissen geführt hat“, erläuterte die Sprecherin der Finanzverwaltung, Eva Henkel. Die Abweichungen bei der Gebäudeunterhaltung der letzten 20 Jahre in den Bezirken sind jedoch nicht so stark, dass sich der dreifach größere Akutbedarf Steglitz-Zehlendorfs dadurch begründen ließe. Als wahrscheinlicher gilt, dass der Bezirk andere Maßstäbe bei der Definition von Akutbedarf angelegt hat als andere Bezirke. Der Gebäudescan hat somit noch keine komplette Klarheit gebracht.