Ein Modell gegen Ärztemangel?: Eine Klinik für alle Fälle ist die neue Hoffnung
Um den Ärztemangel zu beheben, wird die Klinik Templin umgebaut. Patienten werden dort künftig auch ambulant behandelt. Das Projekt hat Vorbildcharakter.
Neue Initiativen, neue Ideen: Um den eklatanten Ärztemangel auf dem brandenburgischen Land zu beheben, wird derzeit viel unternommen. Ein vermutlich wegweisendes Projekt entsteht derzeit in Templin, es könnte Vorbild sein für die künftige medizinische Versorgung in Brandenburg.
Das Krankenhaus in Templin in der Uckermark wird derzeit im Rahmen eines Modellprojektes zu einem Medizinzentrum umgebaut, das die bisherige Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung aufhebt. Grundidee: Der Patient kommt in die Klinik, nennt seine Beschwerden und findet eine ambulante Rundumversorgung durch niedergelassene Mediziner sowie Krankenhausärzte unter einem Dach. Patienten werden also in keinem Falle abgewiesen.
„Medizinische Versorgung muss wohnortnah gewährleistet werden“, sagte Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) am Montag in Potsdam. In einem Flächenland wie Brandenburg sei das aber zunehmend eine Herausforderung. Nach einer Prognose des Statistischen Landesamtes soll die Bevölkerungszahl etwa im Raum Templin bis 2040 um fast ein Viertel abnehmen, während die Zahl der Bürger im Alter über 65 Jahre um 43 Prozent steigen wird. Der Umbau von Krankenhäusern der Regelversorgung zu ambulant-stationären Zentren wie in Templin sei vor diesem Hintergrund zukunftsweisend.
Was einfach klingt, ist aber kompliziert und derzeit nur in einem Modellprojekt des Bundes zu realisieren, das von Brandenburg mit 15 Millionen Euro mitfinanziert wird. Denn: Zuständigkeit und Bezahlung für ambulante und stationäre Mediziner sind getrennt.
Die Kassenärztliche Vereinigung ist für die niedergelassenen Ärzte zuständig, Klinikärzte werden hingegen von den Krankenhäusern bezahlt, das Land kann mit seiner Krankenhausplanung aber steuernd eingreifen. Künftig sollen Ärzte in Gesundheitszentren wie Templin Verträge sowohl für die ambulante als auch die stationäre Versorgung von Patienten bekommen – und ihre Leistungen sollen identisch vergütet werden. Dafür, so Karawanskij, müsse man allerdings Bundesgesetze ändern, worauf Brandenburg hinwirke.
Klinik-Fachbereiche könnten geschlossen werden
Über allem schwebt die Sorge vieler Patienten, Kommunen und Landkreise, dass Brandenburgs medizinisches Netz weiter ausgedünnt wird und zumindest Klinikfachbereiche geschlossen werden. „Die Landesregierung steht weiter dazu, alle Krankenhausstandorte zu erhalten – aber nicht in der heutigen Form“, erklärte Karawanskij am Montag.
Das heißt: Nicht überall kann auf Dauer alles angeboten werden. Von großem Protest in der Region war etwa die Schließung der Geburtsklinik in der Mittelmark-Kreisstadt Bad Belzig vor vier Jahren begleitet. Weil dort aus wirtschaftlich und medizinischer Sicht zu wenig Kinder geboren wurden, machte der Kreissaal dicht. Werdende Mütter müssen nun zur Entbindung bis zu 60 Kilometer nach Potsdam, Brandenburg/Havel – oder Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt fahren.
Auch die "Telemedizin" soll Abhilfe schaffen
Eine gemeinsame Krankenhausplanung mit Berlin existiert bereits. Mit den Nachbarländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sei das in umfassender Form noch nicht geplant, aber in einem ersten Schritt soll eine bessere Absprache für die Regionen, die an den Landesgrenzen liegen, erreicht werden, so Karawanskij.
Ein weiterer Baustein, um möglichst flächendeckend eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen, ist laut Karawanskij die Telemedizin. Per Videoübertragung sollen auch nachts Fachärzte konsultiert werden können, wenn an einem Standort kein entsprechender Mediziner mehr arbeitet.
Ein erster Schritt ist das "Brandenburg-Stipendium"
Um Praxen nicht leer stehen zu lassen, will Brandenburg wie berichtet zudem Medizinstudenten aus ganz Deutschland anlocken. Und zwar mit einem „Brandenburg-Stipendium“ von monatlich 1000 Euro , wenn sich die angehenden Mediziner im Gegenzug verpflichten, nach dem Studium fünf Jahre als Arzt in ländlichen Regionen zu arbeiten. In einer Praxis, in einem Krankenhaus oder als Amtsarzt im öffentlichen Gesundheitsdienst.
Das Programm startet am 1. Juli. Ein ähnlicher Versuch mit Lehrern ist gescheitert. Auch für eine Prämie waren Pädagogen nicht bereit, sich für den Dienst in der Peripherie zu melden. Dass es schwer werden dürfte, sei ihr bewusst, sagt die Ministerin. Schließlich sei gerade für Jüngere das Komplettpaket wichtig – also auch die kulturellen Angebote vor Ort oder der öffentliche Personennahverkehr.
Die interaktive Patientenkarte hilft nur Autofahrern
Ausgerechnet der wird bei den neuen interaktiven Karten des Ministeriums für Patienten nicht dargestellt: Sie zeigen die Erreichbarkeit von medizinischen Angeboten im ganzen Land. Demnach können 99,2 Prozent aller Brandenburger mit dem Auto innerhalb von 15 Minuten den nächstgelegenen Hausarzt erreichen.
Ob und wie man mit dem Bus oder der Bahn zur Praxis kommt, verraten die Karten nicht. Ebenso wenig die Öffnungszeiten, oder – was viele Patienten umtreibt – ob der entsprechende Arzt überhaupt noch neue Patienten annimmt und wann der nächste Termin frei ist. Die Karten finden sich unter www.masgf.brandenburg.de
Marion Kaufmann