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Zurück bleibt eine Wüste. Man mag es kaum glauben, aber aus den Abraumhalden des Kohletagebaus sollen irgendwann wieder blühende Landschaften werden.
© Patrick Pleul/dpa

Brandenburger Tagebau: Eine Frage der Kohle

Hat der Bergbaubetreiber Leag genug Geld für die Rekultivierung der Tagebaugruben? Eine Regierungsstudie sieht keine Probleme. Umweltschützer bezweifeln das und wollen sogar Vattenfall anzapfen.

Was kommt nach dem Ende der Braunkohleverstromung in der Lausitz? Wie es strukturell weitergehen soll, diskutiert derzeit die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, kurz Kohlekommission genannt. Wichtiger Aspekt für die Region in Südbrandenburg: Wie wird die Rekultivierung der Tagebauflächen finanziert? Ein Gutachten im Auftrag des Brandenburgischen Bergbauamtes und des Sächsischen Behördenpendants kommt nun zu dem Schluss, dass der Bergbaubetreiber Leag, der je zwei Gruben in beiden Bundesländern betreibt, ausreichend Vorsorge für die Zeit nach der Braunkohleverstromung betreibt. Das Gutachten, das ursprünglich schon im Sommer erwartet worden war, liegt laut dem Potsdamer Wirtschaftsministerium nun vor.

Demnach reicht die Höhe der Rückstellungen aus, um die Schäden durch den Tagebau auszugleichen und den Boden wieder anderweitig nutzbar zu machen. Wie hoch die Rückstellungen sind und was eine Rekultivierung der aufgewühlten Erde grundsätzlich kosten würde, steht in dem Gutachten nicht. Die Zahlen unterliegen dem Geschäftsgeheimnis. Der Konzern hätte sich aber kooperativ gezeigt und die Erstellung des Gutachtens ermöglicht, wozu er nicht verpflichtet ist, hieß es. Erstellt wurde die Studie von Hossein Tudeshki, Professor für Bergbau an der Technischen Universität Clausthal, sowie dem Wirtschaftsrechtler Johann-Christian Pielow von der Ruhr-Universität Bochum. Um eine zusätzliche Sicherheit zu schaffen, soll nach einer Empfehlung der Gutachter aber eine Zweckgesellschaft gegründet werden, in die der Bergbaubetreiber Stück für Stück die nötigen Mittel einzahle – auf die dann nicht mehr er, sondern das Land Zugriff habe. Denn im Falle einer Insolvenz der Leag wären so die Kosten für die Rekultivierung abgedeckt, für die sonst der Staat, also der Steuerzahler, aufkommen müsste. Ähnliches ist bereits in Sachsen geplant.

Umweltschützer sind Rückstellungen als Sicherheit zu wenig

Von Umweltschützern war dagegen eine direkte Sicherheitsleistung gefordert worden, wie es bei jedem Kiesbergwerk übliche Praxis ist. „Die Ergebnisse des Gutachtens sind enttäuschend und geben keinen Anlass zur Entwarnung, ganz im Gegenteil“, sagte Heide Schinowsky, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. Dass die derzeitigen Rückstellungen bilanzrechtlich ordnungsgemäß abgebildet werden, habe niemand bezweifelt. Völlig ungeklärt bleibe jedoch aus ihrer Sicht die Frage, ob diese tatsächlich ausreichen werden. Die hierfür notwendige Betrachtung der tatsächlich erforderlichen Renaturierungskosten sei von der Landesregierung offenbar nicht beauftragt worden.

Das Misstrauen gegenüber der Leag ist groß. Das liegt auch an der undurchsichtigen Unternehmensstruktur des Eigentümers, der tschechischen EPH mit Briefkastenfirmen in Steueroasen. Schon vor dem im Herbst 2016 vollzogenen Verkauf der Lausitzer Braunkohle durch den schwedischen Staatskonzern Vattenfall an die Tschechen waren die Rückstellungen Thema. Im Potsdamer Wirtschaftsministerium gab es damals die Anweisung, das Thema möglichst sensibel anzupacken. Der Deal sollte nicht gefährdet werden und an dieser Frage scheitern.

Um die Lausitzer Tagebaulandschaft zu sanieren, wird mit Kosten von bis zu zehn Milliarden Euro gerechnet. Vattenfall hatte EPH beim Verkauf 1,7 Milliarden Euro dafür überlassen. Ob das nötige Geld bei den undurchsichtigen EPH-Strukturen gesichert und tatsächlich vorhanden ist, wird von Umweltverbänden bezweifelt. Bei Vattenfall reichten dem Land Bilanzen und Buchwerte als Sicherheiten für die Sanierungskosten. Ein eigener Posten mit hartem Geld war nicht nötig. Zwar musste sich EPH gegenüber Vattenfall verpflichten, der Lausitzsparte in den ersten drei Jahren keine Gewinne zu entnehmen, in den folgenden zwei höchstens die Dividende. Doch für die Zeit danach herrscht Unsicherheit.

Zugleich könnte die Landesregierung nach Ansicht von Greenpeace weitaus mehr tun, als nur die Leag zu prüfen – nämlich auch Vattenfall haftbar zu machen für die Rekultivierungskosten. Die Organisation legte nun interne Unterlagen aus dem Jahr 2016 vor. Vattenfall bat damals in einem Schreiben an die schwedische Regierung um Zustimmung zum Verkauf. In dem Schreiben geht es auch um Risiken und die „Übernahme sämtlicher Betriebs- und Umweltrisiken“ durch Leag. Zugleich wies Vattenfall damals auf Lücken in den deutschen Gesetzen hin. Weil Vattenfall seine Unternehmensstruktur in der Lausitz vor dem Verkauf bis 2015 verändert hat, hafte Vattenfall als Verkäufer nach deutschem Recht für weitere fünf Jahre für die Verbindlichkeiten der früheren Lausitz-Töchter. Greenpeace-Energieexperte Carsten Smid fordert: „Diese Rechtssituation müssen die Behörden jetzt nutzen, um Sicherheiten im vollen Umfang gemeinschaftlich von dem heutigen Betreiber Leag und dem Ex-Betreiber Vattenfall insolvenzsicher einzufordern.“ Und dafür sei nur noch 2019 Zeit.

Kritik am Gutachten der Landesregierung

Smid kritisiert auch das Gutachten der Landesregierung. Es baue „Luftschlösser für Politiker, die keine Verantwortung übernehmen wollen und Milliarden Steuergelder gefährden“. Es bleibe offen, wie die Zweckgesellschaften Gewinne erwirtschaften sollen, um die Schäden des Braunkohleabbaus bezahlen. Nötig seien dazu insolvenzsichere Sicherheitsleistungen der Leag. „Dazu zählen zum Beispiel Geld, Wertpapiere oder Hypotheken auf Grundstücke. Zweckgesellschaften bieten diese Sicherheit nicht“, sagte Smid.

Auch für Axel Kruschat, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Brandenburg, bestätigt das Gutachten die Sorge, dass diese bilanziellen Rückstellungen nicht insolvenzfest seien und die nötigen Barmittel in Zukunft fehlen könnten. Wenn die Rückstellungspraxis der Leag vollkommen unbedenklich wäre, würden Brandenburg und Sachsen nicht über Zweckgesellschaften zur Absicherung sprechen.

Die SPD-Landtagsfraktion befand dagegen, die Bildung einer Zweckgesellschaft sei der beste Weg, besonders wenn der Kohleabbau aus Umweltschutzgründen früher ende, als bislang kalkuliert. In diesem Fall müsste möglicherweise der Bund zusätzliches Geld bereitstellen. Die Gutachter hatten ihre Kalkulation an der bisher genehmigten Tagebaulaufzeit bis 2033 ausgerichtet. Auch Linken-Fraktionschef Ralf Christoffers sprach von einer tragfähigen Idee. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben forderte klare Regeln und öffentlich einsehbare Strukturen.

Auch die Gutachten haben Zweifel

Wer das Gutachten genau liest, stößt auch auf Zweifel der Gutachter. Die machen auf Schwächen des Systems aufmerksam. Die übliche Praxis der Rückstellung entspreche nicht „der Natur einer Sicherheitsleistung“. Die vorzeitige und unplanmäßige Beendigung des Tagebaus sowie neue politische oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen würden bei den Rückstellungen nicht berücksichtigt.

Die zerschundene Landschaft wird der Lausitz noch erhalten bleiben. Erst „40 Jahre nach Abschluss der Rohstoffgewinnung ist die Folgelandschaftsgestaltung abgeschlossen“, heißt es im Gutachten. Die Experten prüften auch, was bei plötzlicher Stilllegung der Tagebaue Ende 2016 geschehen wäre: Die Rückstellungen hätten nicht ausgereicht und ein Gesamtdefizit von 43 Prozent aufgewiesen.

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