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Übergeschwappt. Die Panke in Wedding ist nicht gerade als reißender Fluss bekannt. Beim kürzlichen Unwetter zeigte sich aber, wie viel Wasser fließen kann.
© Melanie Berger

Überschwemmungsgebiete in Berlin: Eine Flut in 100 Jahren

Der Berliner Senat hat nach dem Jahrhundertregen fünf Überschwemmungsgebiete festgelegt. Dort darf (eigentlich) nicht mehr gebaut werden.

Die Datschen in der Niederung des Flüsschens Erpe in Friedrichshagen sind beim Starkregen Ende Juni abgesoffen, wenn dieses Wort mal erlaubt ist. Der Unterschied zu vielen Kellern und Unterführungen der Stadt: Niemand kümmerte sich darum, beklagt Kleingärtner Sebastian Fasbender. Auf einigen Grundstücken stand das Wasser noch in der vergangenen Woche gummistiefelhoch. Ähnlich sah es in einer Siedlung am Ufer des Spandauer Schifffahrtskanals aus, nahe dem Flughafen Tegel.

Dass Berlin von einem Hochwasser heimgesucht werden könnte, ist bislang kein Thema. Spree und Havel haben so viele Seen als Wasserreservoir und fließen so träge, dass sie kaum über ihr normales Niveau hinaus ansteigen und Uferbereiche überfluten könnten. Die Hochwasserkatastrophen an Elbe und Oder in den vergangenen Jahren haben Berlin verschont. Doch das muss nicht ewig so bleiben. Der Starkregen hat bewiesen, dass der Klimawandel auch die Verhältnisse in Berlin auf den Kopf stellen kann.

Öffentlichkeitsbeteiligung beginnt jetzt

Dazu passt, dass die Senatsverwaltung für Umwelt- und Klimaschutz die bislang vorläufigen Berliner Überschwemmungsgebiete in den kommenden Monaten endgültig festlegen will. Fünf Gefahrenzonen wurden identifiziert: Panke, Erpe, Tegeler Fließ, Müggelspree und Gosener Wiesen, Unterhavel/Untere Spree. Am Dienstag beginnt die öffentliche Auslegung von Kartenmaterial und den entsprechenden Verordnungstexten. Das Kriterium für die Festlegung von Gefahrenzonen: Statistisch ist einmal in 100 Jahren Land mit einer Überschwemmung zu rechnen. In Berlin ist eine Fläche von knapp acht Quadratkilometern betroffen. Das entspricht etwa einem Prozent der Gesamtfläche. 70 Prozent davon sind Wiesen, Wälder und Ackerflächen, fünf Prozent Kleingartenanlagen und Naherholungsgebiete, aber immerhin ein Viertel der Fläche sind Wohn- und Gewerbegebiete.

Für jedes Gebiet wird eine Verordnung mit Restriktionen erlassen. Neu- oder Anbauten sind in der Regel verboten, Ausnahmen mit Genehmigung der Wasserbehörde aber möglich. Der Bau von Mauern und Wällen quer zur Fließrichtung des Wassers ist untersagt. Grünland darf nicht in Ackerland umgewandelt werden, und selbst Bäume, Hecken und Sträucher dürfen nur gepflanzt werden, wenn sie nicht den Hochwasserschutz behindern.

Neu Venedig meldete 15 Zentimeter mehr

Tegeler Fließ und Gosener Wiesen sind Landschafts- und Naturschutzgebiete, dort gelten ohnehin diverse Eingriffsverbote. Die Panke könnte vor allem im Bereich des Pankower Schlossparks über die Ufer treten – dort wären auch keine bebauten Grundstücke betroffen. Schwieriger wird es in den Bereichen Müggelspree und Untere Havel. In der Siedlung Neu Venedig in Rahnsdorf führte der Starkregen Ende Juni zu einem Wasseranstieg von 15 Zentimetern. „Darüber waren wir aber froh“, sagt der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft, Norbert Wittkowski. Vorher sei der Wasserstand in den Kanälen wegen der lang anhaltenden Trockenheit zu niedrig gewesen. Allerdings waren nur 70 Liter Regen auf dem Quadratmeter gefallen statt mehr als 200 wie im Norden der Stadt. An ein Hochwasser wie zuletzt 1972 glaubt Wittkowski trotzdem nicht. Dazu werde die Spree inzwischen zu stark durch Schleusen und Wehre reguliert.

Karten werden nochmal überarbeitet

Die Senatsverwaltung hat nach Beschwerden von Betroffenen die Berechnungen für mögliche Wasserstände an der Müggelspree noch einmal überarbeitet. „Da war viel Unsinn in den alten Karten. Das wird alles neu vermessen“, sagt Wittkowski. Er rechnet mit einer geringeren Ausdehnung des Überschwemmungsgebietes. Wegen der fehlerhaften Karten habe die Bauverwaltung bisher kaum Genehmigungen versagt. „Hier ist ja viel neu gebaut worden in den letzten Jahren. Das hat man nicht so eng gesehen.“

Für die Kleingärtner an der Erpe könnte das Überschwemmungsgebiet sogar Vorteile haben. Wenn dort kein Bauland mehr ausgewiesen werden darf, kommt das einem dauerhaften Bestandsschutz gleich. Den Spandauer Schifffahrtskanal als Überschwemmungszone hatten die Wasserexperten vom Senat bislang nicht im Visier. Dort ist ein reguläres Wohngebiet eingetragen.

Karten und Infos stehen auf: www.berlin.de/senuvk/umwelt/wasser. Bis zum 27. August können Einwände erhoben werden, per Mail: hochwasser@senuvk.berlin.de.

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