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Reges Verkehrstreiben mit Pferdewagen, Kutschen und Fahrradfahrern auf dem Potsdamer Platz. Das Foto entstand um 1900.
© picture-alliance / dpa / bildfunk

Autor Jens Bisky über Berlin: Eine „Biographie" der Hauptstadt

Alles begann mit drei Billy-Wilder-Filmen. Kultursenator Lederer (Linke) und Autor Jens Bisky sprachen über dessen Buch „Berlin. Biographie einer großen Stadt".

Am Anfang stand eine Lücke. Meinte Jens Bisky. „Es gibt Tausende von Büchern über Berlin“, sagt er, „ein paar hundert sind richtig gut.“ Aber auch ziemlich alt – und wie wäre es, die Geschichte der Stadt aus der zeitgenössischen Perspektive zu erzählen?

Fünf Jahre hat Bisky an seinem backsteindicken Buch „Berlin“ geschrieben, das er eine „Biographie“ der Stadt nennt, und es hat sich rasch zu einem Bestseller und anerkannten Standardwerk entwickelt – keine klassisch akademische Geschichtsschreibung, sondern journalistisch geprägtes Erzählen.

Am Mittwochabend hatte der Rowohlt-Verlag in den Friedrichshainer Veranstaltungsort „Freiraum in der Box“ eingeladen, um mit Bisky, wie er sagte, „ein wenig über das Nest an der Spree zu plaudern“, und das mit Kultursenator Klaus Lederer, der von sich sagte, er habe die fast tausend Seiten allesamt gelesen.

Wie hat es angefangen? Bisky berichtete, er habe seine Arbeit mit der Inspiration durch drei Berlin-Filme von Billy Wilder begonnen, „von denen mir klar war, dass sie im Buch vorkommen müssen“: „Menschen am Sonntag“, „A Foreign Affair“ und „Eins, zwei drei“. Damit war die Perspektive abgesteckt, die das Leben der Menschen in den Mittelpunkt rückt.

Autor Jens Bisky.
Autor Jens Bisky.
© Bernhardt Linke - Farbtonwerk

Das Buch beginnt zwangsläufig mit der Gründung von Berlin und Cölln um 1237 und lässt das Mittelalter nicht aus, aber Bisky erkannte dann doch, dass sein eigentliches Interesse nach dem Dreißigjährigen Krieg mit dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm einsetzte.

Spannungsverhältnis zwischen Berlin und Umland

„Was ist Berlin?“ und „Was ist überhaupt eine große Stadt?“ – das seien die Anfangsfragen seiner Arbeit gewesen, sagte Bisky. Und es ging ihm natürlich darum, dem Spannungsverhältnis zwischen Berlin und seinem Umland nachzugehen: Warum empfinden es viele Berliner als nahezu beleidigend, wenn man sie „Brandenburger“ nennt, während kein Münchener etwas dagegen hat, „Bayer“ genannt zu werden?

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Später werden sich Bisky und Lederer einig darin zeigen, dass die gescheiterte Länderfusion eine verpasste Riesenchance gewesen sei, aber als Voraussetzung für einen neuen Anlauf, sagt Lederer, sei eben die Frage zu beantworten, was die Fusion jemandem in Finsterwalde bringe, außer mehr Schulden.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke).
Kultursenator Klaus Lederer (Linke).
© Bernhardt Link

Bisky wählte für eine kurze Lesung eine Passage aus seinem Buch, das sich mit „Berlin W“ befasst, der sozialen Abdrift der Stadtteile seit der Gründerzeit. Der Westen – das waren die feudalen Wohnhäuser der Oberschicht, die sich von Schöneberg aus am Kurfürstendamm entlang in Richtung Grunewald ausbreiteten, während weiter östlich die „Mietskasernen“ wucherten; im Westen die Zehn-Zimmer–Wohnungen mit drei Toiletten und Dienstbotenzugang, im Osten die dunklen Löcher mit Etagenklo, in denen sich die Bewohner umschichtig die Betten teilten – lebendig und anekdotenreich erzählt.

Lederer beschränkte sich weitgehend darauf, Fragen zu stellen und Stichworte zu liefern, holte erst gegen Ende etwas weiter aus, um auszuloten, welche Lehren die Berliner Stadtgeschichte für die Gegenwart bereithalte? Wann und warum hat es aufgehört, fragte auch Bisky, dass das Spitzenpersonal der Stadt für den Wechsel auf die Bundesebene prädestiniert schien?

Und warum haben die Macher (anders als Ernst Reuter) den Sinn für die Notwendigkeit kommunaler Kleinarbeit verloren? Mehr Fragen als Antworten – aber ein dickes Buch als Denkvorlage.

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