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Das Museum möchte Street-Art und Graffiti ein Zuhause geben.
© Sabine Dobre/Promo

Museum "Urban Nation" in Berlin: Ein Zuhause für Street-Art und Graffiti

Das neue Street-Art-Museum möchte einen umfangreichen Überblick über das Genre der Straßenkunst geben. Doch es gibt Kritik aus der Graffitiszene.

Vor rund zwei Monaten eröffnete in Schöneberg ein „Museum, das es gar nicht geben dürfte“ – so der offizielle Slogan des Urban Nation. Das Museum will der Geschichte von Street-Art und Graffiti „ein Zuhause geben“ und einen umfangreichen Überblick über das Genre liefern, sagt Direktorin Yasha Young. Seit der Eröffnung flanieren laut Angaben der Betreiber täglich rund 800 Besucher durch die Flure und Räume, hier soll „die Straße buchstäblich ins Gebäude verlegt“ werden. Doch es gibt auch kritische Stimmen zum Projekt, insbesondere aus der Graffitiszene.

Die Musealisierung von Graffiti und Street-Art ist kein neuer Prozess, bereits in den 1980er Jahren stellten Graffitikünstler ihre Werke in New Yorker Galerien aus. Fast genauso alt ist die Diskussion darüber, ob man Graffiti in einem Galeriekontext „einsperren“ kann – und ob die Kommerzialisierung urbaner Kunst nicht der eigentlichen Idee von Graffiti widerspricht.

Martin Gegenheimer vom Kreuzberger Graffitiarchiv des Archiv der Jugendkulturen sieht Projekte wie das Urban Nation Museum kritisch: „Die Musealisierung von Graffiti ist ja eine interessante Sache“, meint er. „Aber man muss sich fragen: Wer macht das eigentlich und warum?“

Protest- und Kunstform

Während Graffiti schon lange eher eine ungeliebte Protest- und Kunstform sei, habe Street-Art sich von jeher am breiten Geschmack der Masse orientiert und sei dadurch leichter kommerzialisierbar. Ab Anfang der 2000er Jahre, erklärt Gegenheimer, habe es in Berlin immer mehr Fälle gegeben, bei denen Street-Art von den Hausfassaden gelöst und gestohlen wurde und dann „plötzlich bei Galeristen und Auktionen landete“, erzählt Gegenheimer.

Urban Nation wird zu großen Teilen von der Stiftung Berliner Leben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag finanziert. Bereits vor Eröffnung des Museums monierten Anwohner, dass angesichts des angespannten Wohnungsmarktes die Herrichtung neuer Wohnungen in dem Gebäude angebrachter gewesen wäre. Ibo Omari, Vorsitzender des Schöneberger Kreativ-Vereins „Die kulturellen Erben“ und Betreiber eines Graffitishops in der Nachbarschaft, sieht im Urban Nation eine Art gezielte „Kunstgentrifizierung“ durch die Gewobag. Martin Gegenheimer sieht das ähnlich: „Der Eindruck ist schon da: Es geht um die Aufwertung der Nachbarschaft und gleichzeitig die Aufwertung von Berlin als kreativem Hotspot.“

In diesem Eckhaus in der Bülowstraße 7 hat das Museum im September eröffnet.
In diesem Eckhaus in der Bülowstraße 7 hat das Museum im September eröffnet.
© Sabine Dobre / Promo

Ein Sprecher der Gewobag betont, dass mit dem Projekt lokalen Herausforderungen wie Kriminalität, Prostitution und Vandalismus etwas Positives entgegengesetzt werden solle: „Der Bülow-Kiez soll für die Bewohner lebenswerter werden, ohne dass damit eine Gentrifizierung einhergeht.“

Förderung von Künstlern

Auch Museumsdirektorin Yasha Young sieht ihre Arbeit weniger in einem Gentrifizierungskontext: „In unserem Fokus steht die Förderung von Künstlern.“ Sie erhalte viel positives Feedback aus der Nachbarschaft, etwa von Geschäften aus der Gegend, zu denen jetzt mehr Kunden kämen. „Wir haben sehr viel mit unserer Umgebung zu tun“, sagt Young, „allein schon dadurch, wie wir das Umfeld kuratiert haben und wie wir mit diesem Umfeld umgehen.“ Rund um das Museum haben Künstler festgelegte Flächen gestaltet – nachdem die Ideen vom Museum abgesegnet worden waren.

Viele der Besucher seien Schüler, Lehrende und Familien mit Kindern. Gerade in diesem Bereich sieht Young ihren Auftrag: Seit einigen Jahren, bereits vor Gründung des Museums, führt Urban Nation verschiedene Kunstprojekte durch. Gerade erst haben Künstler das Foyer des Nachbarschaftstreffs Huzur in der Bülowstraße gestaltet.

Furcht vor Monopolisierung legaler Graffiti-Projekte

Kritiker werfen dem Projekt vor, dass das Projekt kaum in der lokalen Szene verwurzelt sei. „Die Kunst im Urban Nation hat nichts mit dem Umfeld zu tun, in dem sie stattfindet“, sagt Ibo Omari. „Dabei hat gerade Graffiti immer auch einen Kontext.“ Die Berliner Graffitiszene sei organisch gewachsen, hier sei eine Form von urbaner Kunst entstanden, „auf die wir stolz sein können“, sagt Omari.

Urban Nation nutze den Status von Berlin als Graffitihotspot und konzentriere Unmengen an Fördergeldern, die dann an anderer Stelle für Graffiti- und kreative Projekte fehlten, kritisiert auch Gegenheimer. Verschiedene Graffitikünstler befürchten gar eine Art Monopolisierung legaler Graffiti- und Street-Art-Projekte unter dem Deckmantel von Urban Nation. So wird die Diskussion auch zu einer Diskussion darüber, was Berliner Straßenkunst ausmacht.

Der französische Künstler Mode2 etwa veröffentlichte kürzlich einen Briefwechsel, in dem er Urban Nation unter anderem eine „unzulässige Einflussnahme“ auf die Berliner Graffitiszene vorwirft, da sie die lokale Kultur ignoriere.

Ein Weg in die Gesellschaft

Yasha Young betont, es gehe ihr „nicht nur um Berlin“, sondern vielmehr „um das Genre“. Urban Nation müsse sehr strenge Auflagen erfüllen, um ein Museum sein zu dürfen – da sei es notwendig, unter anderem die involvierten Künstler mit einem strengen kuratorischen Auge auszuwählen. Sie wolle Graffiti und Street-Art den Weg in die Gesellschaft ebnen.

Martin Gegenheimer sieht genau das kritisch: „Möchte Graffiti überhaupt gezähmt oder entschärft werden?“ Immerhin ginge es dabei auch stets um Provokation, um die Frage: Wem gehört die Stadt? Daher würde sich in Berlin mittlerweile auch immer mehr der sogenannte Anti- oder Ugly-Style durchsetzen: „Die Sprayer malen absichtlich hässlich, sie produzieren bewusst etwas, dass sich nicht kommerzialisieren lässt.“ Das, so die Hoffnung, lässt sich dann nicht mehr so leicht verwerten.

Madlen Haarbach

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