Nach Missbrauch-Vorwürfen in Berlin-Kladow: Ein Verein unter Schock
Eine Frage dominiert im Angelverein in Kladow, seit der Jugendwart im Verdacht steht, Kinder sexuell missbraucht zu haben: Warum hat niemand etwas bemerkt?
Die Weihnachtsfeier haben sie natürlich abgesagt, das war gar keine Frage. Es wäre ja auch mehr eine Trauerfeier geworden in beklemmender Atmosphäre. „Für mich war sofort klar, dass wir diese Feier nicht machen können“, sagt der Vereinsvorsitzende. „Das war auch die allgemeine Meinung der Mitglieder. Da hatte wirklich niemand Lust zu feiern.“
Sie brauchen jetzt vor allem Zeit, um zu trauern. Und um das Ganze zu bewältigen. Der Jugendwart ihres Angelvereins in Kladow ist festgenommen worden. Er sitzt in Untersuchungshaft, unter dem Verdacht, in den vergangenen Jahren vier Jungen im Alter von acht bis elf Jahren in 136 Fällen sexuell missbraucht zu haben.
Vor zwei Wochen haben Polizisten den Verdächtigen in einem Wohnwagen, der auf dem Vereinsgelände steht, festgenommen. Seit zwei Wochen schwanken viele Vereinsmitglieder immer noch zwischen Schock und Fassungslosigkeit über das, was geschehen sein soll.
Wie geht der Verein mit dieser Situation um? Wie geht es weiter? Das sind Fragen, die auch den Vereinsvorsitzenden umtreiben. „Wir als Vorstand haben den Mitgliedern gesagt, dass sie jederzeit zu uns kommen können, wenn ihnen etwas auf dem Herzen liegt.“
Denn eine weitere Frage treibt die Mitglieder um, diese eine besonders: Warum hat niemand etwas bemerkt? Oder: Hätte man etwas früher bemerken können? Müssen?
Auch ein Führungszeugnis hätte nichts genützt
„Wir überlegen jetzt natürlich, was wir in Zukunft tun müssen, um möglichst früh reagieren zu können“, sagt der Vereinschef. „Aber das machen wir in Ruhe, wir überstürzen da nichts.“ Natürlich wendet er sich an Fachleute, einen Experten vom Landessportbund zum Beispiel. Und sicher, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis kann und wird man in Zukunft verlangen.
Der Jugendwart musste keines vorzeigen. Erstens war der Vereinschef froh, dass er überhaupt jemanden als Jugendwart gefunden hatte, zweitens war er der Ansicht, so ein Dokument müsse nur jemand abgeben, der eine Aufwandsentschädigung erhält. Der Jugendwart erhielt keinen Cent.
Andererseits: Hätte es in diesem Fall etwas genützt, das erweiterte Führungszeugnis? Dort stehen nur Einträge, wenn jemand einschlägig aufgefallen ist. Wenn nicht, wenn jemand Kinder missbraucht hat, ohne dass dies je bekannt geworden ist, lautet die Botschaft schlicht: „keine Einträge.“
Tatort ist womöglich ein Wohnwagen auf dem Vereinsgelände
Der verhaftete Jugendwart hatte früher bei anderen Klubs gearbeitet, darunter zwei in Tegel, aber der Kladower Vereinschef hat mit diesen Vereinen noch keinen Kontakt. Er muss erst mal mit der Situation in seinem Verein klarkommen. Die Ermittlungen zur Vergangenheit des Jugendwarts muss die Kriminalpolizei erledigen.
Im Wohnwagen des Jugendwarts fand die Kripo umfangreiches Beweismaterial, aber ob der Campingwagen auch ein Tatort war, weiß der Vereinschef nicht. Die Polizei hält sich bedeckt. Gerüchteweise ist zu hören, dass der Missbrauch generell auf dem Vereinsgelände stattgefunden habe. Nur die Opfer und ihre Angehörigen wissen die Details.
Bis jetzt gibt es keine Vereinsaustritte, aber wer weiß schon, ob das so bleibt? Der Vereinschef hofft es natürlich, aber sicher kann er nicht sein. Er rechnet durchaus mit der einen oder anderen Kündigung.
Bislang keine Vorwürfe aus dem Verein an den Vorstand
„Aber ich war angenehm überrascht, dass wir aus dem Umfeld des Vereins, aber auch von Eltern der Opfer und anderen Mitgliedern keine Vorwürfe erhalten haben, dass man uns nicht vorwirft, wir hätten etwas falsch gemacht.“
Die Polizei wurde alarmiert, als ein Junge seinen Vater informierte. Er berichtete über Missbrauch. Der Junge war zuvor schon längere Zeit aufgefallen, weil seine Leistungen in der Schule nachließen. Nach Wochen war klar, weshalb. Der Großvater des Jungen ist ebenfalls im Verein aktiv, ein älterer Mann mit Brille und breiten Schultern, noch immer fassungslos über das, was seinem Enkel passiert ist.
Im Vorstand haben sie beschlossen, dass die Jugendarbeit weitergeführt wird. Aus acht Mitgliedern besteht die Jugendgruppe, der jetzt verhaftete Jugendwart hatte die Gruppe durch seine engagierte Arbeit aufgebaut, durch ihn kamen neue Mitglieder. Bei einem Verein in Tegel wird er als aufbrausend beschrieben, als jemand, der schnell aufgebracht ist. Den Kladower Vereinsvorsitzenden wundert dieses Urteil. In Kladow galt er eher als ruhig.
Aber für eine Jugendarbeit benötigt man natürlich auch einen Jugendwart. Mitglieder, die genügend Empathie und Engagement für diesen Job aufbringen, die gibt es durchaus im Klub. Der Vereinsvorsitzende hat kein Problem, zwei, drei Personen zu benennen, denen er diesen Posten zutraut. Ihn beschäftigt ein anderes Problem: „Es ist ja die Frage, ob jemand in diese Fußstapfen treten will.“
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