Berlin-Reportage: Ein Tag im Sommerbad Humboldthain
Sommerferienzeit ist Freibadzeit in Berlin. Wir haben sechs Menschen am und im Wasser getroffen - und ein paar Zahlen rund ums Freibad herausgesucht.
Frei, freier, Freibad. In Berlin tobt die Sommerbadsaison, mancher Stammgast hat seine 20er-Karte schon aufgebraucht, die Ferienkinder springen fröhlich vom Beckenrand – Zeit also, ähem, einzutauchen in die Welt des Berliner Chlorwassers. Wer sind die Menschen hinter, neben und unter den bunten Plastik-Schwimmleinen? Fest steht: Einfach zu finden sind sie nicht. Für uns schon, wir sind einfach einen Tag ins Sommerbad Humboldthain gegangen und haben mit sechs von ihnen gesprochen.
Ein Thema, das die Berliner Bäderbetriebe derzeit beschäftigt, ist der Personalmangel. Es wird immer schwieriger, Azubis zu finden. „Früher wurde mit dem Beruf der Bademeister auf seinem Türmchen verbunden, Schirmchen, Sonne, allet schick“, sagt Thomas Nacke, Badleiter im Humboldthain.
Früher haben die Azubis aber auch „in der Metallbude gearbeitet, damit sie wissen, wie ein Motor funktioniert.“ Heute hingegen würden die ersten streiken, wenn sie Sonntagabend einen Wasserhahn auswechseln sollen – „die Bereitschaft sinkt.“ Aber trotzdem, Nacke macht seinen Job gerne. „Klar, es gibt immer welche, die zeigen müssen, dass sie gerade in der Pubertät sind. Aber das gehört dazu, das ist ein Freibad.“
Auch bei nächtlichem Besuch drückt er ein Auge zu. „Es steigen immer welche nachts über den Zaun.“ Aber solange die ihren Müll in die Eimer räumen, stört ihn das nicht. Da hat er sogar eine Absprache mit der Polizei. „Wir sind ja hier im Wedding: Wenn man Aufmerksamkeit für das bekommt, was man macht, dann macht man’s extra.“
Die Kioskpächterin
Pommesbude und nett? „Passt ja gar nicht zusammen“, sagen Stammkunden. Und tatsächlich passt die sehr nette Nele Heinevetter so gar nicht ins Freibad-Imbiss-Bild. Mit einem außergewöhnlichen Konzept bewarb die Kunsthistorikerin sich vergangenes Jahr um den Imbiss. Das „Tropez“ mit seinem Trash-Kitsch aus Hawaii-Schirmchen und Blümchenstühlen ist Pommesbude und Kunstraum: Tanzperformances, Workshops für Kinder und Lesungen gibt es hier ebenso wie Pommes mit Curry und Kaffee. Aber: Kaffee aus guter Röstung, Fritteuse ohne Palmöl, zum Frühstück gibt’s Joghurt mit Müsli. „Aber ohne dass man denkt: Oh Gott, jetzt kommen die aus Mitte!“
Das Badeteam
Zwei wie Strumpf und Latsch: Badleiter Thomas Nacke (rechts) und Eckhard Sommer, sein Badewart. Untröstlich ist ersterer, denn letzterer geht nächstes Jahr in Rente. Und damit auch sein Beruf, ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen die Altbaubewohner ohne eigenes Bad die Stadtbäder aufsuchten, um sich zu waschen. „Ich bin Mädchen für alles“, erklärt Sommer, seit 1984 ist er bei den Bäderbetrieben und eine Art Hausmeister. Reinigung, Reparaturen – „und immer ein freundliches Wort für die Frau auf der Toilette, die kein Papier mehr hat“, sagt Chef Nacke. „Ich kenn manche noch aus dem Kinderbecken“, erzählt Sommer, „die kommen heute mit ihrer Freundin her.“
Die Rettungsschwimmerin
Vor anderthalb Jahren hat Victoria W. ihren Rettungsschwimmer beim DLRG gemacht, seit vergangenem Jahr passt die BWL-Studentin von ihrer Baywatch-Bank aus auf, dass keiner untergeht. Ist zum Glück noch nicht passiert. Was passiert sonst so? „Oft kommen Nichtschwimmer auf die Schwimmerseite und behaupten, sie könnten schwimmen. Stimmt nicht, sieht man schon von weitem“, erzählt die 23-Jährige. Meistens Erwachsene übrigens. Leute wie Victoria sind Mangelware und werden immer gesucht von den Bädern. „Anfangs war ich noch unsicher, ob ich auch wirklich jede Unregelmäßigkeit im Blick behalten kann.“ Mittlerweile hat sie Routine. Auch im Umgang: Wer sich nicht benehmen kann, den lässt sie von der Security rausschmeißen.
Die Stammschwimmerin
Einmal die Woche kommt Anke Spiess in den Humboldthain eine Stunde schwimmen. Wie viele Bahnen sind das? „Ich zähl’ das nicht.“ Stil? Alles: Rücken, Brust, Kraul – ein optimaler Ausgleich zur Schreibtischarbeit für die 56-jährige Journalistin. Schwimmen geht sie nur im Sommer, und zwar immer hier: „Das Bad ist noch so normal“, schwärmt sie. „Schöner Park drumherum, nah dran, Personal nett.“ Aber: „Könnte auch schon um 7 Uhr öffnen“ – statt um 9 Uhr.
Der Anfänger
Schwimmen kann er noch nicht, aber er lernt es gerade: Seit Beginn der Sommerferien kommt Taylor täglich zu seinem Schwimmkurs – während Opa von der Bank aus zusieht. In drei Wochen sollte er sich über Wasser halten können, ohne Flügel und Nudel. Geht’s denn schon ein bisschen? „Nein, noch nicht, aber ich bin schon mal getaucht“, erzählt der Siebenjährige. „Riesenspaß macht es ihm. Und was am meisten? Taylor überlegt. „Na, das Schwimmen!“
Die Berliner Bäder in Zahlen
Die meisten Freibäder in Berlin haben die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Treptow-Köpenick - nämlich jeweils vier pro Bezirk. Von insgesamt 27 Freibädern in der Stadt, die von den Berliner Bäderbetrieben bewirtschaftet werden, sind zehn Strandbäder.
Das größte Freibad in der Stadt ist das Strandbad Wannsee; es hat eine Kapazität für 12.000 Badegäste und 130.000 Quadratmeter Wasserfläche. Das Strandbad Wannsee wurde 1907 eröffnet und ist damit auch Berlins ältestes Freibad. Berlins kleinstes Bad ist das Kinderbad Platsch in Marzahn. Es wurde 1993 eröffnet und ist damit auch Berlins jüngstes Bad.
60.000 Kubik Wasser werden pro Monat verbraucht. Darin enthalten ist auch der Verbrauch durch Toiletten, Duschen etc. Das sind 20 bis 30 Liter Wasser pro Badegast. Alle Liegewiesen ergeben zusammen eine Fläche von rund 600.000 Quadratmetern. An einem "warmen, gut besuchten Sommerferientag" verkauft der Kiosk im Sommerbad Humboldthain etwa 150 Portionen Pommes.