Ex-Boygroup bei Filmpremiere: Ein Date mit Take That in Berlin
20 Jahre ist es her, dass Take That zum ersten Mal in Berlin spielten. Nun waren die Briten wieder da – gereift und dezimiert traten sie bei der Premiere des Films „Kingsman“ auf. Auch Colin Firth gab sich am Potsdamer Platz die Ehre.
Mark muss noch frühstücken. One Moment, please, sagt der Mann vom Filmverleih, die drei kommen gleich. Merkwürdig, diese Zahl. Drei. Klappt es da noch mit dem Take-That-Gefühl?
Der britischen Ex-Boyband, einst Synonym für Kreischalarm, gebrochene Teenie-Herzen und 90er-Jahre-Charme, gehen langsam die Mitglieder aus. Hier, im zweiten Stock, Soho House, Torstraße 1, sind es nur noch Gary Barlow, Howard Donald und Mark Owen, die nun Take That ergeben sollen. Gary, Howard und Mark – deren Boygroup-Schicksal es ist, für immer nur Vornamen zu haben – sind für einen Tag in der Stadt. Nicht für ein Konzert, das kommt erst im Oktober. Sie haben den Titelsong zum Film „Kingsman: The Secret Service“ geschrieben und gaben diesen am Abend vor der Premiere am Potsdamer Platz zum Besten, draußen auf dem Balkon im Sony Center. In der Lounge nebenan geben die Hauptdarsteller Colin Firth und Taron Egerton mit Regisseur Matthew Vaughn Interviews, doch die Entscheidung fiel nicht schwer. Zehn Minuten mit den einst heißesten Jungs der Bravo? Los geht’s!
„Ich glaube, sie planen, mich als Nächsten loszuwerden“, sagt Gary, als Mark endlich fertig gefrühstückt hat, die drei den dunkelroten Teppichboden im holzvertäfelten „Clubroom“ (alles so schön englisch hier) mit den schweren Vorhängen und den Kristallleuchtern betreten und sich in die roten Samtsessel fallen lassen. „Ich fang langsam an, mir Sorgen zu machen.“ Sie haben sich optisch angenähert mit den Jahren. Eher drahtig, nicht mehr pummelig und blondiert wie der Gary von einst, nicht mehr schmächtig wie der Milchbubi Mark, als er die Mädchen mit der Ballade „Babe“ reihenweise zum Umfallen brachte; selbst Howard hat offenbar seine äußerst ausgeprägte Vorliebe für ausgeflippte Frisuren abgelegt. Die Familienväter von heute, kurze Haare, graue Bärte, haben nur noch wenig zu tun mit den zusammengecasteten Burschen, die 1994 bei den ersten MTV European Music Awards am Brandenburger Tor als beste Band ausgezeichnet wurden – gegen Aerosmith und die Beastie Boys.
Apropos, sind das eigentlich die Säulen des Brandenburger Tors, auf das da im Video zum neuen Song „Get ready for it“ Szenen aus dem Film projiziert werden? Mark grinst. Nein, das ist in London, sagt er, „aber ich glaube, das hat derselbe Typ gebaut“. Mark kennt sich aus, er hat vor zwei Jahren tatsächlich ein Video hier gedreht, in einem Raumanzug lief er über den Alex – was textlich nicht unbedingt gerechtfertigt war. „Die Idee war, Reaktionen von den Passanten zu bekommen“, erklärt er nun. „Aber es hat einfach niemanden interessiert.“ Willkommen in Berlin!
„Das ist doch irre“, sagt Howard. „Das sagen dann alle immer: So ist das eben in Berlin! Ist das wirklich so?“ Dabei müsste er das doch am besten wissen. Erst im Januar habe er hier ein paar Tage seiner Hochzeitsreise verbracht, sagt Howard. Früher hat er häufig in den Clubs der Stadt aufgelegt, soll hier sogar mal eine Affäre gehabt haben. Aber das ist eben eines dieser Gerüchte, wie jenes, dass Robbie Williams eine Wohnung am Checkpoint Charlie habe – alles nur gelogen, versicherte Williams, als er vor zwei Jahren seine Männermode im KaDeWe präsentiert hat.
Aber Robbie ist nicht hier.
Und die verbliebenen Bandmitglieder wirken ein wenig genervt, mehr über die Abwesenden reden zu müssen, als über die, die noch da sind. Offenbar geht ihnen das häufig so. Nachdem Robbie Williams die Band 1995 im Streit verlassen hat und sie sich im Jahr darauf auflöste, starteten die restlichen Vier 2006 ein Comeback – ziemlich erfolgreich. Das eigentliche Ausmaß des noch immer möglichen Wahnsinns zeigte sich allerdings, als Robbie vor fünf Jahren für ein paar Monate in die Band zurückkehrte – und sie 2011 acht Abende hintereinander das Londoner Wembley-Stadion füllten.
Doch das war nur eine kurze Episode. Im September gab Jason Orange seinen Ausstieg bekannt. „Leider geht es ihm sehr gut“, witzelt Mark. „Wir hatten gehofft, dass es ihm genauso dreckig geht, wie uns.“ Nein, Spaß, sagt Howard, „wir gewöhnen uns langsam daran.“ Als sie begonnen haben, ihre neue Platte aufzunehmen, ließen sie noch Passagen frei, falls es sich Jason anders überlegen würde. „Dadurch ist es richtig knapp geworden am Schluss“, sagt Gary. „Aber er hätte ja seine Meinung ändern können.“ Diese Möglichkeit habe er auch jetzt noch, jederzeit, versichert Howard, genauso wie Robbie! Der hat ja die Band nie offiziell verlassen, es war immer nur von einer Pause die Rede. Doch selbst zur Howards Hochzeit im Januar soll er nicht gekommen sein, hetzte die britische Boulevardpresse.
Alles gut, versichert Gary. Robbie schreibe immerzu Mails aus Los Angeles, „in Großbuchstaben, um zu zeigen, dass er den anderen überlegen ist“.
Und, was soll’s, sagt Gary, die Besetzung ändere sich ohnehin andauernd. Fünf, vier, fünf, drei... „Wenn wir beginnen, uns daran zu gewöhnen, kommen sie zurück“, sagt Mark. Und aufhören würden sie ohnehin nicht. „Wir sind nämlich die größten Fans von uns selbst, das macht es schwierig, das wollen wir nicht kaputtmachen.“ Warum auch? Das neue Album, das passenderweise „III“ heißt, ist in Großbritannien auf Platz 1 eingestiegen. Robbie und Jason hin oder her.
Und dann ist es auch schon wieder vorbei, nur neun Minuten und sechs Sekunden hat es gedauert, aber der nächste Ex-Teenie steht vor der Tür, nächstes Interview: Wie ist es denn nun ohne Jason?
Beim Rausgehen steht angeknabberter Frühstücksspeck vor der Tür zum Clubroom. Was der wohl heute auf Ebay bringen würde? "Der Speck, den Mark Owen im Soho House angebissen hat"? Sicher nicht annähernd so viel wie Anfang der Neunziger. Aber da gab es ja auch noch kein Ebay.
Und Take That waren noch fünf Jungs.
Anke Myrrhe
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