Digitale Bildung in Berlin: Ein Computer für fünf Schüler
Bei der IT-Ausstattung von Klassenzimmern holt Berlin auf, doch nicht alle Schulen ziehen mit. Ab 2017 wird Medienbildung Pflicht.
Auf dem Schulweg mit den Mitschülern chatten oder eine Runde Candy Crush spielen, bei den Hausaufgaben mit der Freundin skypen, und wenn man was nicht weiß, hilft Google weiter: Computer und Smartphones gehören so selbstverständlich zum Alltag von Kindern und Jugendlichen wie früher vielleicht das Sandmännchen. An vielen Schulen jedoch hinkt die Ausstattung mit digitaler Technik der Lebenswelt der Teenager weit hinterher.
Wie berichtet, müssen sich hierzulande vier Neuntklässler einen Computer teilen – damit liegt Deutschland einer Pisa-Studie zufolge auf Platz 28, gleichauf mit Rumänien, Israel und Chile. In Berlin sind es sogar noch ein paar Rechner weniger: Nach Angaben der Bildungsverwaltung kommt im Durchschnitt ein Computer auf 5,38 Schüler.
Manche Mütter oder Väter denken jetzt vielleicht: „Na, wenigstens sind in der Schule mal ein paar Stunden Monitor-Pause.“ Thomas Birk, IT-Experte der Grünen, sieht das anders: „Wir verspielen Zukunftschancen. Berlin ist auf kreativen Nachwuchs für die IT-basierten Branchen angewiesen. In den Schulen müsste die Basisförderung stattfinden.“
Es ist ja nicht so, dass gar nichts passiert: Seit 2005 gibt es den sogenannten E-Education-Masterplan. Seitdem wurden viele Schulen mit interaktiven Whiteboards ausgestattet: Diese elektronischen Tafeln gibt es inzwischen an 71 Prozent der Schulen. Die Zahl der Schul-PCs hat sich in zehn Jahren verdoppelt. „Das Konzept des Masterplans ist aber veraltet“, sagt Birk. „Wir brauchen beispielsweise dringend eine gut funktionierende digitale Lernplattform, auf die alle Schulen Zugriff haben.“
Rund 1,2 Millionen Euro stehen im Rahmen des Masterplans jährlich zur Verfügung. „Im ersten Halbjahr 2015 sind davon erst 95 000 Euro verbraucht worden“, sagt Birk – weil viele Schulen nicht wüssten, dass sie diese Mittel abrufen könnten. Und auch das, was im E-Education-Masterplan empfohlen wird, setzen die Schulen nur teilweise um.
In der Grundschule sollen Kinder zum Beispiel das „Internet-Seepferdchen“ machen: Lernen, wie man ein Passwort anlegt, eine E-Mail schreibt und weitere Grundlagen für das Verhalten im Netz. Doch nur an 38 Prozent der Schulen wurden die Seepferdchen-Prüfungen abgelegt. Bald soll in den Schulen jedoch mehr für die digitale Bildung getan werden: In den neuen Rahmenlehrplänen, die ab 2017 gelten, ist Medienbildung fächerübergreifend und verbindlich vorgeschrieben.
„Man könnte so viele tolle Sachen machen“, sagt Birk. Doch viel hänge momentan vom Engagement einzelner Schulen oder Lehrer ab. „Es gibt in Berlin super ausgestattete Schulen und andere, die fast gar nichts haben.“
Eine Schule, die ganz vorn dabei ist, ist das Otto-Nagel-Gymnasium in Biesdorf. Jeder Schüler hat einen eigenen Laptop, den er an bis zu drei Tagen mit in den Unterricht bringt. Einsatzmöglichkeiten gebe es für nahezu alle Fächer, sagt die stellvertretende Schulleiterin Dana Wolfram: Youtube-Videos im Fremdsprachenunterricht, Algebra-Trainer für Mathe, interaktive Karten in Erdkunde und nicht zu vergessen die klassische Internetrecherche. Es gehe aber auch darum, vernünftiges Verhalten zu erlernen: Zwei Stunden am Tag, mehr sollten die Schüler nicht am Computer verbringen, und zwar die Online-Zeit zu Hause mit eingerechnet. Bezahlt haben die Rechner die Eltern selbst – knapp 900 Euro kosten die Apple-Computer. Für lernmittelbefreite Familien übernimmt ein schuleigener Verein die Kosten.
An anderen Schulen greifen Lehrer statt auf Schulcomputer auf die Smartphones der Schüler zurück. „Ich habe Grafikprogramme für mathematische Funktionen eingesetzt. Auch Astronomie-Apps sind toll“, sagt Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW Berlin und bis vor kurzem Mathematik- und Physiklehrer an einer Gemeinschaftsschule.
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COMPUTER-PISA
Am Dienstag veröffentlichte die OECD eine Pisa-Studie zum Lernen am Computer, für die im Jahr 2012 15-jährige Schüler in 34 Ländern befragt wurden. Zentrale Ergebnisse: Fast alle deutschen Schüler (99,4 Prozent) haben zu Hause Zugang zu mindestens einem Computer. Die 15-Jährigen verbringen im Durchschnitt knapp zwei Stunden zu Hause im Internet, in der Schule sind es 14 -Online-Minuten. 8,6 Prozent surfen täglich mehr als sechs Stunden. Bei der Ausstattung mit Schulcomputern liegt Deutschland nur auf dem 28. Platz. In Ländern wie Großbritannien, Norwegen und Estland gibt es dagegen für fast jeden Schüler einen Rechner in der Schule. Einen Zusammenhang von guter Computerausstattung mit guten Leistungen im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften konnten die Pisa-Forscher aber nicht feststellen.
IN BERLIN
53 726 PCs gibt es nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung an Berliner Schulen – im Durchschnitt einen für fünf Schüler. In Pankow und Treptow-Köpenick sind es sogar mehr als sechs Schüler, die auf einen Computer kommen, am besten ist das Verhältnis in Marzahn-Hellersdorf und Neukölln.
ADMINISTRATOR GESUCHT
Das größte Problem sei die Wartung der Rechner, heißt es aus den Schulen. Denn für die Administration stehen nur wenige Ermäßigungsstunden zur Verfügung: 0,5 Wochenstunden pro 142 Schülern. Oft kümmern sich Lehrer ehrenamtlich um die Wartung. Die Senatsbildungsverwaltung verweist auf die Bezirke, die als Schulträger für die IT-Betreuung zuständig seien.
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