Seepferdchen fürs Netz: Ein Masterplan soll Sicherheit geben
Seit Guttenberg wird das Thema "Plagiat" wieder heiß diskutiert. Jetzt wollen Schulen gegen Schummeleien mit Inhalten aus dem Internet vorgehen. Aber wo beginnt der Missbrauch von Daten?
Hausaufgaben ohne Internet – undenkbar. Von der Erzählperspektive bei Kleists „Marquise von O.“ bis hin zu Mendels Vererbungslehre gibt es kein Thema und kein Fach, bei dem Schüler nicht dankbar auf die Wissensschätze von Wikipedia bis www.hausarbeiten.de zurückgreifen würden. Aber wo beginnt der Missbrauch, und wie hilft man den Schülern, Gebrauch von Missbrauch zu unterscheiden? Der Fall Guttenberg hat diese Frage jetzt in vielen Schulen in den Fokus gerückt.
„Wir wollen darüber sprechen, wie wir damit umgehen“, sagt Annemarie Sardisong, Leiterin des Manfred-von-Ardenne-Gymnasium in Alt-Hohenschönhausen. Der Fall Guttenberg sei eine Art „Auslöser“, auch wenn sich Lehrer des Problems schon länger bewusst seien. Bislang habe sich die Schule nur bei der schriftlichen Hausarbeit für das Abitur, der sogenannten fünften Prüfungskomponente, schriftlich bestätigen lassen, dass alles selbstständig erarbeitet wurde. Offenbar müsse man dass Verfahren auf normale Facharbeiten ausweiten, vermutet Sardisong.
Die Möglichkeiten, bei Hausaufgaben, Prüfungen und Referaten zu betrügen, werden immer vielfältiger – und damit auch die Schwierigkeiten für die Lehrer, den Tricks auf die Schliche zu kommen. So hilft es nicht mehr, den Schülern vor Klausuren die Handys abzunehmen: „Sie nehmen einfach ein zweites Handy mit“, haben Sardisong und ihre Kollegen festgestellt. Von diesen Zweithandys holten sie sich auf der Toilette alle Informationen – entweder aus dem Internet oder von vorher abfotografierten Heftseiten.
„Man muss in der achten Klasse anfangen, die Schüler an das wissenschaftlichen Arbeiten und Urheberrechtsfragen heranzuführen“, empfiehlt der ehemalige Schulleiter des Lankwitzer Beethoven-Gymnasiums, Wolfgang Harnischfeger. Wie beschaffe ich Informationen? Wie bewerte ich sie? Wie zitiere ich? Im Vordergrund müsse erst mal der Gebrauch stehen, bevor man auf Probleme des Missbrauchs kommen könne, betont Harnischfeger. Er hat vor längerer Zeit eine Erklärung mit „Hinweisen zur Verwendung von fremdem geistigen Eigentum in Klausuren, Referaten und Hausarbeiten“ verfasst, die alle Oberstufenschüler seiner Schule unterschreiben müssen (siehe online-Hinweis).
Berlins Schulen können theoretisch sehr zeitig beginnen, die Schüler mit den Chancen und Risiken des Internets vertraut zu machen. Beim „Internet-Seepferdchen“ erwerben Grundschüler seit Dezember Basiskompetenzen. 14 000 Schüler werden es laut Bildungsverwaltung bis Ostern absolviert haben.
Wie intensiv die Schulen die Kinder aufklären, ist nicht in Wochenstunden vorgeschrieben und hängt vom Engagement der Lehrer ab. 27 000 Pädagogen haben sich laut Bildungsverwaltung seit 2006 fortbilden lassen. Ein „Masterplan“ der Verwaltung von 2005 hält unverbindlich fest, welche Kompetenzen die Schüler in welchen Klassenstufen erwerben sollen. Innerhalb des Plans können Schulen an Leitprojekten teilnehmen. Dann geht es um E-Learning in der Ganztagsschule oder das Programmieren von Robotern. Den Einsatz neuer Medien beinhalten auch die herkömmlichen Rahmenlehrpläne. So soll im Fach Deutsch Internetrecherche geübt werden, für den Englischunterricht ist E-Mail-Korrespondenz empfohlen. „Die Schüler erlernen den verantwortungsbewussten Umgang mit den digitalen Medien“, sagte eine Sprecherin der Bildungsverwaltung.
Viele Schüler sind den Lehrern längst voraus, sagt Torsten Franckowiak, stellvertretender Leiter des Albert-Einstein-Gymnasiums in Britz. Darauf baue man auf. Im April veranstaltet die Schule einen Aktionstag zur Sicherheit im Internet, zudem soll über den Umgang mit Wikipedia aufgeklärt werden. Die Idee kam unabhängig vom Guttenberg-Skandal: Man kämpfe schon seit Jahren gegen aus dem Internet kopierte Inhalte.
Lehrerin Christiane Meisenburg von der Spandauer Siegerland-Grundschule – gerade eben erst für das Masterplan-Projekt „eTwinning“ ausgezeichnet, mit dem Klassen online Kontakt zu Partnerklassen im Ausland halten – appelliert an ihre Kollegen, sich stärker mit neuen Medien auseinanderzusetzen und die Schüler aufzuklären.
Schüler und Computer: Was? Wo? Wann?
MASTERPLAN
Der richtige Umgang mit Computer, Internet und Urheberrechtsfragen steht im „Masterplan eEducation“ der Bildungsverwaltung. Er definiert, welche Kompetenzen die Schüler in welchen Klassenstufen erwerben sollen. Das Wissen wird themenbezogen im Unterricht vermittelt. Vorgeschriebene Mindest-Wochenstunden gibt es nicht, die Lehrer entscheiden selbst. Es geht um Verstehen, Anwenden und die kritische Reflexion. Der Umgang mit Neuen Medien wird zudem in Rahmenlehrplänen festgelegt.
GRUNDSCHULEN
Klasse 1/2: Bedienen von Software, Textbearbeitung, Bilder erstellen.
Klasse 3/4: Anmeldung im Internet mit Name und Passwort, E-mail, altersadäquate Informationen suchen, Präsentationen gestalten, Kosten und Gefahren der digitalen Kommunikation.
Klasse 5/6: Urheberrecht im schulischen und privaten Gebrauch, Gefahren bei der Weitergabe persönlicher Daten, Scannen, Themen online recherchieren, Gefahren von Computerspielen, Kommunkation mit Bekannten.
OBERSCHULEN
Klasse 7/8: Sichere Online-Kommunikation, Datenschutz und Datensicherheit, „Netiquette“ weltweite Kommunikation per E-Mail und Datenaustausch.
Klasse 9/10: Anspruchsvolle Textverarbeitung, Auswirkungen von IT auf Arbeits- und Lebenswelt, Vorteile und Risiken des Internethandels.
Klasse 11-13: Datenanalyse mit IT-Programmen, weltweite Recherche zu relevanten Themen, Präsentationsstrategien, Videos erstellen, Nutzen und Gefahren.
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