Berliner Drogenpolitik: Ein „Coffeeshop“ für Kiffer in Charlottenburg?
Nicht nur im Görlitzer Park in Kreuzberg, sondern auch in Charlottenburg-Wilmersdorf soll die Eröffnung eines „Coffeeshops“ zum kontrollierten Cannabis-Verkauf geprüft werden. Das fordern zumindest die Piratenfraktion und die Linken-Politikerin Marlene Cieschinger. Einen fast identischen Antrag gibt es in Steglitz-Zehlendorf.
Ein möglicher Ort für den Coffeshop sei der Stuttgarter Platz, dort „beklagen Anwohner einen ausgedehnten illegalen ,Markt’ für diverse Drogen in ihrer Nachbarschaft“, heißt es in einem Antrag für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf am Donnerstag.
Am Dienstag teilte die Piratenfraktion in Steglitz-Zehlendorf mit, dass sie dort einen gleichen Antrag gestellt hat – abgesehen davon, dass der Schlachtensee als Problemgebiet genannt wird. Bei der ersten Beratung im Steglitz-Zehlendorfer Gesundheitsausschuss lehnten alle anderen Fraktionen den Vorstoß ab.
Bereits im November hatte Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, beim zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Sondergenehmigung für einen Modellversuch im Görlitzer Park zu beantragen. Die Idee stammte von der dortigen Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Doch eine Sprecherin von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) nennt das „rechtlich nicht möglich“. So sieht es auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).
Charlottenburg-Wilmersdorf sei als Innenstadtbezirk „in besonderer Weise“ mit Drogenproblemen konfrontiert, heißt es beim Drogenhilfeverein Fixpunkt. Ein Schwerpunkt des illegalen Handels seien die U-Bahnlinien 7 und 9. Zum Stuttgarter Platz fahren zweimal pro Woche ein „Drogenkonsummobil“ und ein „Präventionsmobil“ von Fixpunkt. Abhängige können mitgebrachte harte Drogen wie Heroin, Kokain und Amphetamine konsumieren und sich beraten lassen.
Zudem hat der Verein Streetworker und betreibt einen Spritzenautomaten unter der Bahnbrücke in der Wilmersdorfer Straße.
Laut dem BVV-Antrag soll das Bezirksamt prüfen, ob es geeignete Orte für die Cannabis-Abgabe gibt, sowie die Rechtslage sondieren und „Kontakt zu weiteren Bezirken“ wie Friedrichshain-Kreuzberg aufnehmen, um durch „gemeinsames Vorgehen das Projekt voranzutreiben“. Die Antragsteller wollen den „Schwarzmarkt austrocknen“ und „besseren Jugend- und Verbraucherschutz ermöglichen“. Ein Coffeeshop könne „eventuell den Umstieg auf harte Drogen verhindern“, sagt der Piratenpolitiker Siegfried Schlosser. Er verweist auch auf „positive Erfahrungen“ in den USA, wo zum Beispiel der Bundesstaat Colorado den Cannabishandel und -konsum legalisiert hat.
Die BVV will zunächst im Gesundheits- und Sozialausschuss beraten. Eine Mehrheit scheint fraglich. Die CDU ist dagegen: Vize-Fraktionschef Karsten Sell zeigt sich „froh, dass endlich die Bahn am Stuttgarter Platz dem Wunsch des Bezirks nachgekommen ist und in der Gervinusstraße gerodet hat“. Die Böschung am Bahndamm galt als Versteck vieler Drogenabhängiger.
Am Montagabend einigte sich auch die SPD darauf, den Antrag nicht zu unterstützen: Vize-Fraktionschefin Heike Schmitt-Schmelz sagt, schon 1997 sei Schleswig-Holstein mit einem Vorstoß für Coffeeshops auf Bundesebene gescheitert. Wichtiger sei ein „Druckraum“ für Heroinsüchtige. Der Senat halte zwar die Drogenkonsumräume von Fixpunkt in Kreuzberg und Moabit für ausreichend, habe aber auch mehr Geld für das Drogenmobil in Charlottenburg bewilligt.
Die Grünen zeigen sich bereit, über „ungewöhnliche Lösungen“ wie den Coffeeshop nachzudenken, um Dealer zu bremsen und Konsumenten zu „entkriminalisieren“. Allerdings sei die Lage am Stuttgarter Platz „anders als im Görlitzer Park“, sagt Fraktionschefin Petra Vandrey. Am Handel mit harten Drogen ändere ein Coffeeshop nichts, das Drogenmobil habe sich bewährt.