Berlin-Lichtenberg: Ein Club wie ein Labyrinth – und mit offener Türpolitik
Der ehemalige Techno-Club „Kosmonaut“ heißt jetzt „Polygon“. Die neuen Betreiber planen einen offenen Party-Ort ohne Ausgrenzung.
Berliner verirren sich gerne – zumindest im Nachtleben und wenn es am Ende einen Ausweg gibt. Aus diesem Grund ist der „Polygon Club“ aufgebaut wie ein Labyrinth. Viele Ecken, viele Flure, viele Aus- und Eingänge. Durch die Toilette gelangt man in den Garten, wenn man nicht aufpasst, landet man in der „Rohrbar“ – und kann von dort den Weg zum Techno-Floor finden. Dieser ist bewusst „kalt“ angelegt, wie Clubmanager Stefan Kreis („so wie rund“) erklärt. Grauer Beton, spärliche LED-Beleuchtung, ein Laser hinter dem DJ, der über die Tanzenden strahlt. „Das macht den Raum größer, wie eine Halle“, ruft Kreis aus einer Ecke des Raumes.
Gäste sollen selbst über das Licht bestimmen
Früher haben Clubs oft Spiegel verwendet, um einen Raum größer wirken zu lassen, heute wird das durch spärliches Licht und kalten Beton geregelt. Früher, da hieß dieser Club noch „Kosmonaut“. Im vergangenen Jahr hat Oliver Mohns den Laden übernommen. Der Name „Kosmonaut“ war abgenutzt, etwas Neues sollte gestartet werden, und dafür brauchte es einen frischen Namen. Nun also „Polygon“. Vieleck. Das passt in mehrfacher Hinsicht: Die Gäste sollen so unterschiedlich sein wie der Club selbst. Dazu wird immer noch kräftig umgebaut. Nachmittags sind die Handwerker da, im Garten wird eine Holzwand im Clubdesign errichtet, die Elektromusik läuft bereits. Interaktiv soll es werden: In einigen Räumen wird es Touch-Pads geben, mit denen die Gäste selber über das Licht bestimmen können. Eine der Bars wird beweglich sein.
Kein Ausgrenzungskonzept wie im Berghain
Ein freundlicher Club soll es sein, ohne „Tür“ – also ohne „Du kommst hier nicht rein“ und Gesichtskontrollen wie im Berghain, dem wohl bekanntesten Club Berlins, vor dem die Türsteher ein strenges Regiment halten.
Kreis lacht. Im Polygon wollen sie kein „Ausgrenzungskonzept“ haben, sagt er. Auch das Personal soll höflich sein, selber Spaß haben und sich nichts darauf einbilden, in einem Berliner Szeneladen zu arbeiten, ergänzt Matthias Pohland, der Bar- und Personalmanager. „Natürlich findet aber trotzdem irgendwie eine Auswahl beim Einlass statt.“ Homophobe Leute würden sich im Club sowieso nicht wohlfühlen. Falls sie sich doch hier hineinverirrten, würden sie, wenn es Ärger gebe, auch hinausgeworfen. Ebenso wie Gäste, die vollgedröhnt in der Ecke sitzen oder mit den Hosentaschen voller Drogen erwischt würden.
Dass in einem Club Drogen konsumiert würden sei normal, sagt Kreis. Das könne man auch nicht komplett verhindern. In letzter Zeit habe es in der Clubszene allerdings wieder vermehrt Vorfälle mit K.-o.-Tropfen gegeben, erzählt Kreis. „Da werden wir rigoros gegen vorgehen, auch durch Anzeigen.“ Der Einlass ist erst ab 21 Jahren. „Erwachsene Leute mit Verstand wollen wir hier", sagt Pohland. „Sophisticated Underground“ nennen sie das. Anspruchsvoll soll es zugehen, aber bloß nicht in den Mainstream gleiten.
Sie sind ein queeres Team, wollten aber keinen reinen Homo-Club aufmachen. „Jeder soll hier willkommen sein, sich zu verlaufen.“ Homos, Heteros, Trans-Menschen, Drags. Es sei aber auch normal, dass Gäste mal beieinander anecken könnten: „Wir sind auch ein Ort, an dem man Offenheit und Toleranz lernen kann.“ Freitags soll es immer einen Gay-Abend geben, samstags „gemischte“ Fremdveranstaltungen mit Line-up.
Im April hat hier Amnesty International „aufgelegt“ – es gab eine Soliparty, Workshops und Vorträge zum Thema Überwachung. Und Techno, Deep House und Downbeat. Für den Sommer sind auch Kinoabende, Flohmärkte und Workshops geplant – ein kulturelles Zentrum soll entstehen. Die etwas abgelegene Gegend ist dafür bestens geeignet, wummernde Bässe dürften hier die vorbeifahrende S-Bahn nicht übertönen.
„No Wifi. No Flip Flop“
Im Wiesenweg in Lichtenberg ist noch einiges mehr los. Neben dem Polygon gibt es weitere, alteingesessene Clubs. Das „Void“ zum Beispiel, das auch noch weitere Ausbauten plant. Mit den Nachbarn sei alles bestens, meint Kreis. Nebenan gibt es eine Bulli-Werkstatt, einen Trabi-Verleih und den „Crash Room“, Deutschlands ersten Wutraum. Hier kann man Möbel, Haushaltsgegenstände oder Fernseher mit Hämmern, Äxten oder was auch immer nach Herzensfrust zertrümmern. „Crashen in 50 Metern“ – verlautbart die Werbung für den Wutraum direkt über dem Eingangsschild vom Polygon. „No Wifi. No Flip Flop“ steht auf der Tafel des Clubs. „Elfen“ sollen bitte eintreten, „Trolle“ besser draußen bleiben.