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Viele Naturschutzgebiete gehen auf Freudes Engagement zurück.
© Arno Burgi / dpa

Präsident des Landesumweltamtes: Ein Abschied vom "Hochwasserhelden"

Der Naturschutz in Brandenburg hat es schwer, sagen Experten. Nun tritt auch noch der langjährige Präsident des Landesumweltamtes Matthias Freude ab.

Er gilt als Institution für den Naturschutz in Brandenburg. Und es war schon länger auffällig still um ihn geworden. Nun geht Matthias Freude, 65, der langjährige Präsident des Landesumweltamtes, bekannt geworden als Krisenmanager auf den Deichen bei den Jahrhunderthochwassern an Oder und Elbe vor rund zwanzig Jahren, in den Ruhestand. Die Umstände seines Ausscheidens sind dennoch ungewöhnlich. Denn eine offizielle Verabschiedung durch die Landesregierung oder Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) ist nicht vorgesehen, bisher. Deshalb übernehmen das die Naturschutzverbände des Landes und die Heinz-Sielmann-Stiftung an diesem Freitag im Potsdamer „Haus der Natur“ selbst.

„Es ist schon bemerkenswert, dass wir das ausrichten“, sagte Friedhelm Schmitz-Jersch, der Präsident des Naturschutzbundes in Brandenburg (NABU). Aber eigentlich wundert es ihn auch nicht mehr. Denn insbesondere unter Minister Vogelsänger sei 2014 der Naturschutz in Brandenburg systematisch geschwächt worden. Es werde im Naturschutz „nur noch das Pflichtprogramm gemacht“, sagt Schmitz-Jersch.

Der "Hochwasserheld"

Es hatte auch nichts genützt, dass Freude als „Hochwasserheld“ galt: Er war einer der ersten, den es erwischte, nachdem er 20 Jahre Präsident des Landesumweltamtes war. Danach folgten Personalien der zweiten Reihe. Selbst erst einige Monate im Amt, versetzte Vogelsänger Anfang 2015 Freude an die Spitze des Landesamtes für ländliche Entwicklung, mit Rückendeckung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der selbst mal Agrar- und Umweltminister war.

„Damit hat man die Stimme des Naturschutzes in Brandenburg stummgemacht“, sagt Schmitz-Jersch. Und Umweltverbände sind sich schon lange einig, dass es im Ministerium eine „unverhältnismäßige Dominanz von Agrarinteressen“ gibt.

Der ehemalige Ministerpräsident Matthias Platzeck vertraute auf Freude als Hochwasserexperten.
Der ehemalige Ministerpräsident Matthias Platzeck vertraute auf Freude als Hochwasserexperten.
© Patrick Pleul/dpa

Zu Freudes Zeiten war mit ihm als Biologen und Verhaltensforscher noch einer da, der dagegenhielt, eine Bastion, ein begnadeter Botschafter, Werber. Tatsächlich konnte kaum einer so gut erklären, was alles kreucht und fleucht in der an seltenen Tieren und Pflanzen reichen Mark, warum Wölfe zurückkommen, wie der Klimawandel das Land verändert und was in der braunen Spree los ist, wie dieser kluge, quirlige, bei den Medien beliebte Mann. Am Freitag werden alle da sein, Freunde, Weggefährten, natürlich auch Alt-Ministerpräsident Matthias Platzeck, der ihn als damaliger Umweltminister 1995 zum Präsidenten des Landesumweltamtes gemacht hatte. Vorher hatte Freude seit 1992 die Landesanstalt für Großschutzgebiete aufgebaut und geleitet und damit maßgeblichen Anteil daran, dass 14 Prozent der Landesfläche als Natur- oder Landschaftsschutzgebiete gesichert sind. Schon mit 16 Jahren gelang ihm sein erster Coup – eine wilde Orchideenwiese wurde auf sein Betreiben hin unter Schutz gestellt, später lehrte er an der Humboldt-Universität, veröffentlichte Bücher und Naturfilme.

Chance des Umbruchs genutzt

Nach Jahren des ökologischen Raubbaus in der DDR nutzte er die Chance des Umbruchs, mit einer kleinen Gruppe von Umweltaktivisten um Professor Michael Succow 1990 im später berühmt gewordenen „Nationalparkprogramm“ fast handstreichartig 23 Prozent der Noch-DDR-Landesfläche als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Es war die heißeste Zeit seines Lebens, wie er mal sagte. Klar, dass auch Succow nun sein Kommen zugesagt hat.

In den Abschied Freudes aus dem öffentlichen Dienst zum Ende des Monats fallen prompt die nächsten Hiobsbotschaften für den Naturschutz im Land. Die Abteilung für Großschutzgebiete im Landesumweltamt soll aufgelöst werden, mit der Naturschutzabteilung fusionieren, die Zeichen stehen auf weiteren Personalabbau. Und so ist absehbar, dass die Stimmung bei der Veranstaltung nicht ungetrübt sein wird. Schmitz-Jersch formuliert es diplomatisch so: „Je verstörender die Gegenwart, desto mehr kann man aus der Kraft der Erinnerung schöpfen, was im Naturschutz in Brandenburg einmal möglich war.“ Freilich, einer wird mit Sicherheit andere Töne anschlagen, lebensfrohe, optimistische, aufmunternde, mit der Botschaft, sich nicht unterkriegen zu lassen: Matthias Freude.

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