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Rosen und Kerzen liegen auf dem Mahnmal für die Opfer des Attentats.
© Christoph Soeder/dpa

Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz: Eher leise, eher nachdenklich

Der Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche ist immer noch kein Ort wie jeder andere. Wie erleben ihn Besucher in diesen Tagen?

Besucher des Weihnachtsmarkts auf dem Breitscheidplatz zucken zusammen, als am Mittwoch plötzlich Sirenen heulen. Irritiert beobachten die Menschen sechs Feuerwehrwagen und ein Polizeiauto, die mittags auf der Budapester Straße stoppen. Doch der Einsatz gilt nicht dem Markt, sondern dem benachbarten Hotel Palace im Europa-Center – und erweist sich als Fehlalarm. Im Hotel habe nur „jemand eine Tür aufgemacht, die er nicht hätte öffnen dürfen“, sagen Polizisten.

Abgesehen von der kurzen Aufregung ist die Atmosphäre auf dem Markt ausgesprochen ruhig. Adventsmusik erklingt nur leise und nicht überall. Es gibt keine Karussells, die Getöse verbreiten könnten. Vor dem Gedenkort für die Opfer des Anschlags vor drei Jahren halten Gäste aus aller Welt inne. Grablichter brennen, die niederlegten Blumen sind frisch. Sieben eingerahmte Fotos ziehen die Blicke auf sich. Es sind Porträts von Menschen, die der Attentäter ermordet hatte.

Am Abend des Anschlags war sie in der Nähe

Zum ersten Mal besucht Eva-Maria Graethke aus Marzahn mit ihrem Ehemann diesen Weihnachtsmarkt. Nachdenklich schaut sie auf das Bild der getöteten Israelin Dalia Elyakim und sagt: „Wir waren dieses Jahr in Israel. Unsere Reiseleiterin erzählte, dass die Frau ihres Cousins bei dem Anschlag gestorben war. Wir fragen uns, ob das die Frau auf dem Bild ist.“ Da es keine anderen israelischen Toten gab, scheint dies zu stimmen.

Mit einem mulmigen Gefühl steht Dido Lenzen aus Neukölln am Gedenkort. „Man reflektiert über sein Schicksal“, sagt die junge Mutter. Am Abend des Anschlags wäre sie beinahe in der Nähe gewesen, sie wollte eine befreundete Kino-Kassiererin im Zoo-Palast besuchen. Kurz vor dem geplanten Treffen erfuhr sie aus den Medien, dass etwas Schreckliches geschehen sei. Und die Freundin ging nicht ans Telefon – wie später herauskam, lag dies daran, dass Passanten panisch ins Kino gerannt waren. Großveranstaltungen, aber auch U-Bahnfahrten behagen Dido Lenzen „immer weniger“. Denn „im Hinterkopf“ bleibe stets etwas Angst.

Die meisten Händler wollen nicht mehr "darüber" reden

„Die Normalität ist zurückgekehrt“, findet dagegen Michael Roden vom Berliner Schaustellerverband, der den Markt gemeinsam mit der AG City veranstaltet. Die meisten Händler wollen nicht mehr über ihre Erlebnisse und Gefühle reden. „Es reicht“, findet ein Wurstverkäufer, der den Anschlag miterlebt hatte. „Das Leben muss ja weitergehen“, fügt eine Glühweinverkäuferin hinzu.

Ein junger Mann, der Handbrot serviert, hat keine Angst. „Ich finde es nur schade, dass alles so zugebaut ist“ mit Pollern und Lkw-Sperren. Dagegen beschränkt sich die Polizei zeitweilig auf den angekündigten Einsatz von Zivilbeamten. Mehr als eine Stunde lang sind private Wachschützer die einzigen Uniformierten. Einem Touristen aus München ist das recht: „Polizisten mit Maschinenpistolen passen hier doch nicht zur Stimmung.“

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