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Adlershof boomt, sagt die ehemalige Tänzerin Kathrin Schülein, die selbst hier wohnt. Eine Tanzschule betreibt die 50-Jährige bereits im ehemaligen DDR-Fernsehzentrum in der Moriz-Seeler-Straße 1, unweit des S-Bahnhofs Adlershof.
© Thilo Rückeis

Berlin-Adlershof: Ehemaliges DDR-Fernsehzentrum soll Theater werden

Früher wurde hier die „Aktuelle Kamera“ aufgezeichnet, nun möchte Kathrin Schülein das ehemalige DDR-Fernsehzentrum in ein Theater verwandeln.

Fernsehschwänke, versteht man das heute noch?“ Kathrin Schülein dreht sich fragend zu ihrer Schauspielkollegin um. Kurze, launige Erzählungen? „Jedenfalls waren die damals sehr beliebt im DDR-Fernsehen.“ Schülein lacht. Die 50-Jährige ist gerade von einer Theater-Tournee aus Mecklenburg-Vorpommern zurückgekommen. Im Foyer legen die beiden Requisiten und Kostüme, dann kocht Schülein erst einmal Kaffee. Ob die Milch noch gut ist? Mit einer Kollegin kommt sie gerade zurück nach Adlershof, in ein Haus, das früher zum sogenannten Fernsehzentrum der DDR gehörte.

Gegenüber zieht ein Bauunternehmen Eigentumswohnungen hoch, während an der grau-weißen Fassade des Fernsehtheaters hier und da der Putz bröckelt. Drinnen, im Foyer, hat Schülein Ledersofas aufgestellt, der große Saal versteckt sich hinter schweren Gardinen. Links und rechts führen zwei Treppen mit rotem Teppich nach oben, zu den Rängen. In diesem geschichtsträchtigen Haus möchte Kathrin Schülein das „Theater Adlershof“ etablieren.

Mischung aus Tanz, Schauspiel und Gesang

Das Gebäudeensemble entstand 1952 nach Plänen des Architekten Franz Ehrlich. Bis in die 60er Jahre diente das Haus als Fernsehtheater für Opern und die besagten Fernsehschwänke, 520 Zuschauer fanden bei den Aufnahmen im Theatersaal Platz. Dann funktionierte das DDR-Fernsehen den Saal in ein Fernsehstudio um: Jahrelang drehte die DDR hier die „Aktuelle Kamera“. Mit der Wende endete der Fernsehbetrieb vorerst.

Während drei der Häuser des Fernsehzentrums einen Käufer fanden, etablierte sich im Fernsehtheater vor acht Jahren das Tanzstudio „art changé“: Die Tanzpädagogin und Choreografin Kathrin Schülein hat den oberen Saal und das Foyer im Erdgeschoss vom Bezirk gemietet und bietet hier Ballett und Pilates an. Doch das ist nicht alles: Regelmäßig probt sie in den Räumen mit ihrem Ensemble für Theateraufführungen.

„Theater habe ich immer schon geliebt“, sagt Schülein. Nach vierzehn Jahren als Bühnentänzerin begann sie 2006 mit ihren Tänzern zu choreografieren – später in einer launigen Mischung aus Tanz, Schauspiel und Gesang zu inszenieren. Bisher ist das Ensemble vor allem an wechselnden Spielstätten aufgetreten. Wenn alles klappt, spielt die Kompanie aber bald nur noch im eigenen Schauspielhaus.

Crowdfunding-Aktion gestartet

Denn Schüleins großes Ziel ist es, ein Theater für Adlershof zu etablieren: „Ich bin ganz sicher, dass ein Theater in Adlershof eine Zukunft hätte“, sagt Schülein. „Denn es gibt im Treptow-Köpenicker Süden bisher kein Theater.“ Schülein wohnt selbst in Adlershof und beobachtet, wie die Gegend boomt – seit die Humboldt-Universität hier einen Campus hat, entstehen rundherum Studentenwohnheime und Eigentumswohnungen. „Gerade deswegen brauchen wir in Adlershof auch darstellende Kultur“, sagt sie.

Großes Theater.
Großes Theater.
© Thilo Rückeis

Um nicht auf Fördermittel und öffentliche Gelder angewiesen zu sein, startete Schülein im Sommer eine Crowdfunding-Aktion. Von ihren Unterstützern erhoffte sie sich 20 000 Euro als Startkapital für das Theater. „Wir möchten das Theater schon jetzt in die Köpfe bringen und nicht jahrelang auf öffentliche Gelder warten.“

Deswegen fließt seit acht Jahren auch ein Teil des Geldes, das das Tanzstudio erwirtschaftet, in das Theater. Mobiliar, Beleuchtung und Kostüme hat Schülein nach und nach besorgt, so dass die Räumlichkeiten provisorisch ausgestattet sind. So konnten bereits gelegentlich Aufführungen im ehemaligen Fernsehtheater stattfinden, und Schülein konnte ihre Idee bekannt machen.

Silvester wird Theater offiziell eröffnet

Damit das Theater richtig loslegen konnte, fehlten aber noch 240 Stühle, eine bessere Beleuchtung und vor allem eine eigene Bühne. Um diese zu besorgen, startete Schülein die Crowdfunding-Aktion. Nach Wochen der Ungewissheit war es Ende September soweit – die Frist für das Spenden-Projekt lief ab. Der Mindestbetrag von 16 500 Euro musste bis Ende September zusammenkommen, damit die Spendenaktion nicht vergeblich war. Und tatsächlich klappte es, eine Punktlandung: genau 16 500 Euro spendeten die Fans des Theaters.

Als Belohnung für die Unterstützung wird das Ensemble Silvester die Operette „Im weißen Rössl“ spielen. Dann wird nicht nur das neue Jahr gefeiert, sondern auch gleich das Theater offiziell eröffnet. Das langfristige Ziel ist es, das denkmalgeschützte Haus zu sanieren, denn langsam aber sicher verfällt es.

Dafür rechnet Schülein jedoch mit mehreren Millionen Euro – die wird sie kaum mit Crowdfunding sammeln können. Doch Schülein ist keine, die lange wartet. Sie hat sich Politiker auf ihre Seite geholt. Baustadtrat Rainer Hölmer war selbst bereits bei einer Theatervorstellung zu Gast und setzt sich für die Baugenehmigung ein. Und auch Gregor Gysi war schon da, und hat Kontakt zu Kulturstaatssekretär Tim Renner hergestellt. Das sind erste Schritte für mehr Kultur in Adlershof und für das Fernsehtheater – damit seine Geschichte bewegt weitergeht.

Jana Scholz

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