Investor schafft Fakten: East Side Gallery: Teilstück in der Nacht überraschend abgerissen
In der Nacht kamen die Bagger: An der East Side Gallery hat der Investor eines geplanten Hochhauses am frühen Morgen mehrere Mauerstücke abreißen lassen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort - und auf Protest vorbereitet. Der Senat wusste angeblich von nichts.
Zwischen den bunt bemalten Mauerstücken der East Side Gallery klafft eine Lücke - mittlerweile ist sie sechs Meter breit und wird gut bewacht. Bei Eiseskälte stehen Dutzende Polizisten in Grüppchen rund um den Durchbruch, rot-weiße Geländer schirmen den Bereich zusätzlich ab: Der Investor eines geplanten Hochhauses hat am frühen Mittwochmorgen die umstrittenen Abrissarbeiten an der East Side Gallery fortgesetzt. Bauarbeiter haben dabei vier Mauersegmente entfernt, sagte Polizeisprecherin Gina Meißner dem Tagesspiegel. Dadurch sei eine etwa sechs Meter breite Lücke entstanden. Die Arbeiten haben gegen fünf Uhr morgens begonnen. Als nächstes soll in die Lücke, die als provisorische Baustellenzufahrt dient, ein Tor eingebaut werden. Auch hinter der Mauer gehen die Bauarbeiten zur Stunde weiter. Ein riesiger, gelber Bohrer bohrt unter großem Getöse Löcher in den Boden, mehrere Bagger heben auf dem ehemaligen Todesstreifen eine Grube aus. Damit dabei niemand stören kann, sind auch alle anderen Zugänge zum Areal mit Polizisten und mehreren Mannschaftswägen gesichert.
East Side Gallery: Die Polizei ist auf Demonstrationen vorbereitet
Die Polizei war nach eigenen Angaben zu Beginn der Aktion mit insgesamt rund 250 Beamten im Einsatz - und auf Proteste vorbereitet. Schon seit letzter Woche hätten die Beamten gewusst, dass der Termin bevor stehe, sagte Polizeisprecher Alexander Tönnies. Doch erst heute morgen hätte man erfahren, dass der Einsatz definitiv stattfinde. "Ich hatte mir auf drei Uhr den Wecker gestellt", so Tönnies. Der Senat war nach eigenen Angaben weniger gut informiert über die Pläne. Senatssprecher Richard Meng sagte dem Tagesspiegel: "Uns überrascht dieses Vorgehen. Es ist ein Affront gegen alle, die einen tragbaren Kompromiss suchen. Kein Zeichen der Kooperationsbereitschaft, leider."
Zunächst waren wohl auf Grund der frühen Stunde keine Demonstranten vor Ort, so dass der Verkehr auf der Mühlenstraße nicht behindert wurde. Lediglich zwei Vertreter der Initiative "Mediaspree versenken" hielten Mahnwache. Fast ein wenig einsam standen sie mit ihrem Wohnmobil, an dem die Fahne der Initiative weht, zwischen den Polizeiautos. "Wer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Mauer abreißt, legt keinen Wert auf demokratische Prozesse", sagte Robert Muschinski. Auch das Großaufgebot an Beamten sah der Aktivist kritisch. Es sei ein typischer Fall, bei dem Privateigentum mit Polizeigewalt geschützt werde und "Allgemeingut mit Füßen getreten wird". Sein Mitstreiter Arno Paulus befürchtet zudem, dass mit den Bauarbeiten der Grundstückstausch, der mit dem Investor noch bis gestern im Gespräch war, immer schwieriger werde.
"Hier werden Tatsachen geschaffen. Je weiter der Bau fortschreitet, desto teurer würde es, das Ganze noch abzubrechen". Paulus ist auch wütend auf den Senat, der zuerst verhandele und dann die Aktion dann trotzdem ungefragt durchziehe.
Große Demonstration vor dem Roten Rathaus
Um gegen den Abriss und die Bebauung des ehemaligen Todesstreifens zu demonstrieren, planen die Aktivisten morgen eine große Demonstration am Roten Rathaus. Sie hätten etwa 100 000 Leute kontaktiert - 80 000 dieser Kontakte waren Unterzeichner der Petition - und auch auf Facebook, Twitter und über Telefonketten sollen Demonstranten mobilisiert werden. In den vergangenen Wochen hatten bereits bis zu 6000 Menschen gegen den Abriss protestiert.
Der Investor Maik Uwe Hinkel hatte in den vergangenen Wochen die Bagger zunächst angehalten. Nachdem Gespräche unter anderem mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ohne konkretes Ergebnis geblieben waren, wird nun abgerissen . In einer Pressemitteilung schrieb der Investor "Die temporäre Mauerversetzung ist notwendig geworden, weil in den Gesprächen mit Senat, Bezirk und den Investoren des Nachbargrundstücks auch nach vier Wochen keine umsetzbare Alternative für die genehmigte Erschließung des Baugrundstücks Mühlenstraße 60 gefunden werden konnte."
Die von internationalen Künstlern bemalte East Side Gallery ist das längste noch erhaltene Stück Mauer. Seit Wochen wehren sich Bürger gegen den geplanten Durchbruch. (mit dpa)