Diskussion mit einem Querdenker: „Du hast doch den Schuss nicht gehört!“
Dank seiner gefilmten Diskussion mit einem Querdenker wird der Gast einer Berliner Eckkneipe zum Internet-Hit. Ein Besuch in der Moabiter „Quelle“.
An der Alt-Moabit Nummer 87 liegt die Eckkneipe „Zur Quelle“. Rund um die Uhr geöffnet, Quelle für günstiges Schultheiss, interessante Gestalten am Tresen und einen Mann, der am Sonnabend vorbeiziehenden Querdenkern Paroli bot.
Nur in der Kneipe selbst hat man davon offenbar wenig mitbekommen. Am Montagnachmittag sitzen drei Männer an der verrauchten Bar. Ein Angestellter steht in Erwartung auf Kundschaft hinter dem Tresen. Angesprochen auf die gefilmte Szene vom Wochenende, fragt er „Watn fürn Video, kenn ick nich.“
Am letzten Tisch im Hinterzimmer sitzt ein Mann alleine mit seinem Bier. Er erzählt, wie tausende Querdenker am Sonnabend auf der Suche nach einem Weg in Richtung Regierungsviertel durch Moabit strömen. Der Protest ist nicht erlaubt, trotzdem nehmen sich die Demonstranten die Straße, blockieren den Verkehr und passieren dabei auch die „Quelle“.
Dutzende Menschen ohne Maske betreten die Kneipe. „Die wollten alle uffs Klo, haben das Personal angepöbelt, weil die meinten, sie sollen Maske aufsetzen“, berichtet der Stammgast. Irgendwann habe man sich dazu entschlossen, die Eingangstür abzuschließen: „Zu viele von denen wollten hier rein und haben Stress gemacht.“
Kurz darauf entsteht die Szene, die am Wochenende zum viralen Hit wurde. Zu sehen ist ein Kneipenbesucher der „Quelle“, wie er am geöffneten Fenster mit einem Querdenken-Demonstranten diskutiert.
Festgehalten wurde die Situation in einem der zahlreichen Online - und YouTube-Streams der Querdenken-Bewegung. Die Streamerin steht offenbar direkt neben dem Fenster, immer wieder hört man ihre Stimme aus dem Off. Ein Ausschnitt des Livestreams mit der Diskussion landet auf Twitter, wird tausendfach geteilt und erreicht hunderttausende Aufrufe.
Dunja Hayali kündigt auf Twitter ihren Besuch an
Zunächst wird der Kneipenbesucher von den Usern für den Wirt gehalten. Doch das stimmt nicht. „Das ist ein Bekannter von mir, mit dem ich hier am Sonnabend ein Bier getrunken habe“, erzählt der Stammgast im Hinterzimmer. Auch er weiß noch nichts von der plötzlichen Berühmtheit seines Bekannten. Das Video der Szene sieht er zum ersten Mal.
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Die Berliner Schnauze und die erfrischende Klarheit gegenüber der Argumentation des Querdenkers im Video kommt in der Twitter-Welt so gut an, dass mehrere Nutzer die Adresse der Kneipe ausfindig machen. Schon einen Tag darauf posten zwei Twitter-User ein Foto mit Biergläsern aus der Kneipe, die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali schreibt auf Twitter zum Video: „Mein nächster Kneipenbesuch steht fest… Na dann Prost!“
Wir geben an dieser Stelle den Dialog zwischen dem Kneipenbesucher und mehreren Querdenkern in schriftlicher Form wieder. Zunächst diskutieren ein Querdenken-Demonstrant und der Kneipenbesucher vom Bürgersteig durch das geöffnete Fenster. Im Verlauf mischen sich die Streamerin und ein weiterer Protestierer in das Gespräch ein.
„Ja, is falsch. Humbug is das doch“
Demonstrant: „Weßte was dit ist? Dit is die Übernahme der Pharma …“
Kneipenbesucher: „Ach hör doch mal uff, solche Verschwörungstheorien.“
Demonstrant: „Dit is doch keene Verschw…, dit is doch keene Theorie.“
Kneipenbesucher: „Ja, is falsch. Humbug is das doch.“
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Streamerin: „Ich sehe da aber auch Bezug.“
Demonstrant: „Oder?“
Streamerin: „Total, ich sehe das genauso wie du. Du nicht?“ (zeigt auf Kneipenbesucher)
Kneipenbesucher: „Wie bitte?“
Demonstrantin: „Hältst Du davon nichts?“
Kneipenbesucher: „Ich halte von dem Schwachsinn hier überhaupt nischt. Davon geht das Virus ja nich weg.“
Demonstrant: „Bis sie dir auf einmal die Kneipe wieder zu machen. Noch ein Lockdown.“
Kneipenbesucher (schreit): „Ja, nochn Lockdown! Ja, nochn Lockdown durch euch, durch euch nochn Lockdown, durch euch!“
Demonstrant: „Ne, nich durch uns, durch unsere Scheiß-Regierung.“
Kneipenbesucher: „Nich Scheiß-Regierung, leben wir in der Merkel-Diktatur oder was?“
Demonstrant: „Oh ja, ja, ja!“
Kneipenbesucher: „Du hast doch den Schuss nich gehört.“ (zeigt den Vogel)
Demonstrant: „Wat is denn hier verboten, wir sind verboten worden, du Heini.“
„Vergleich das nich mit der DDR, damit komm ich nicht klar“
Kneipenbesucher: „Leben wir in na Diktatur? Kennst du die DDR?“
Demonstrant: „Ja, dit is die DDR 2.0“
Kneipenbesucher (verzweifelt, fasst sich ans Herz): “Jaaaa, ohhhh!”
Streamerin (zu Demonstrant): „Danke, ich bin bei dir.“
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Kneipenbesucher (zeigt auf Demonstrant): „Wirst du verhaftet? Gehst du in Knast, wenn du demonstrieren gehst? In der DDR war das so, hier nich. Also erzähl mir hier nichts von der DDR.“
Demonstrant: „Die DDR is ja noch friedlich dagegen.“
Kneipenbesucher: „Jaaaa, hör doch uff. Warst du Kommunist oder wat? Hast du dem System angehört da drüben? Quatsch nich so ein Kram, weeßte. Vergleich das nich mit der DDR, damit komm ich nicht klar.“
Demonstrant: „Aber du musst dich mal drum kümmern ein bisschen und nicht nur deine Scheiß-Medien dir angucken.“
Kneipenbesucher: „Was denn für Medien? Im Internet oder was? Weil da die Wahrheit steht oder was?“
„Chip im Arm oder wat“
Weiterer Demonstrant kommt dazu: „Und zwar die Vorträge von Professor Bhakdi. Der kann Ihnen sagen, was das für Impfungen sind und welche Gefahr da ist.“
Kneipenbesucher: „Sterben wir hier wie die Fliegen durch die Impfung? Millionen sind geimpft, 60 Millionen sind geimpft. Is da einer gestorben durch die Impfung?“
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Demonstrant 2: „Ja, ja, na klar. Es sind ganz viele gestorben. In den USA sind einige zehntausend Leute gestorben. Innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung…“
Kneipenbesucher (unterbricht): „Schon wenn ich dein T-Shirt sehe. Gates. Was hat den Gates damit zu tun?“
Demonstrant 2: „Ist ein Verbrecher.“
Kneipenbesucher: „Chip im Arm oder wat.“
Der Gast weiß wahrscheinlich noch gar nichts von seinem Ruhm
Etwa zwanzig Sekunden geht das Gespräch noch weiter, doch man versteht wenig. Alle sprechen durcheinander, schließlich ziehen die Demonstranten von dannen. Drei Tage später spricht die Tochter des Inhabers der „Quelle“, Christine Lawniczak, dem Tagesspiegel gegenüber von einer „Flut von positiven Reaktionen“ auf die Szene. Die Social-Media-Auftritte der Kneipe auf Instagram und Facebook hätten hunderte neue Follower gewonnen.
Vereinzelt seien Gäste in die Kneipe gekommen, um ein Bier zu trinken und sich bei dem Personal zu bedanken, erzählt Lawniczak. Der schlagfertige Kneipenbesucher vom Sonnabend sei zwar ein Stammgast, aber seit dem Wochenende nicht mehr gesehen worden. Wahrscheinlich hat er von seinem plötzlichen Internet-Ruhm noch gar nichts mitbekommen.
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