Fluglärm am BER: Dietmar Woidke rudert bei Nachtruhe zurück
Brandenburgs Ministerpräsident Woidke setzt sich für ein ausgedehntes Nachtflugverbot ein. Doch so kurz vor den Wahlen reicht ihm auch Ruhe am frühen Morgen.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zieht sechs Monate vor der Landtagswahl die Reißleine: Die rot-rote Landesregierung pocht nicht mehr auf ein komplettes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr am neuen Hauptstadtflughafen und will nun wenigstens einen Minimallösung durchsetzen. Nun soll die im – höchstrichterlich bestätigten – Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Ruhezeit von 0 bis 5 Uhr nur noch leicht ausgedehnt werden bis 6 Uhr. Das verkündete Woidke am Montag in der Potsdamer Staatskanzlei.
Die Miteigentümer, Berlin und der Bund, „haben in den Gesprächen unmissverständlich klargestellt, dass sie einer Änderung des höchstrichterlich bestätigten Planfeststellungsbeschlusses nicht zustimmen werden“, sagte Woidke. Brandenburg könne die Nachtflugregelung – anders als von Opposition und Fluglärmgegnern behauptet – nicht im Alleingang ändern, dafür gebe es keine rechtliche Grundlage. Deshalb wolle Brandenburg auf der Gesellschafterversammlung am 7. April für die neue Kompromissformel werben. Man komme damit dem Ruhebedürfnis der BER-Anrainer entgegen, zudem werde damit die Wirtschaftlichkeit des Flughafens mit dieser Formel nicht gefährdet, wie es Berlin und Bund stets angeführt hatten. Auch würden damit Anschlussflüge nach 22 Uhr gewährleistet, was für die Fluggesellschaften wichtig sei. Dies sichere Arbeitsplätze.
Modellversuch in den ersten fünf Jahren nach Eröffnung des BER
Woidke will mit seinem Vorschlag umständliche und langwierige rechtliche Verfahren verhindern. Der Planfeststellungsbeschluss und die Betriebsgenehmigung müssten formal nicht angepackt werden. Stattdessen sieht Woidke ein Moratorium vor. „Die Flughafengesellschaft verzichtet freiwillig mit Zustimmung der Gesellschafter auf den Gebrauch der Betriebsgenehmigung von 5 Uhr bis 6 Uhr“, lautet der Vorschlag. Die Regelung soll nach dem Willen Brandenburgs in den ersten fünf Jahren nach der BER-Eröffnung binnen fünf Jahren in einem Modellversuch erprobt werden. Dazu muss aber die Genehmigungsbehörde die Flughafengesellschaft für den Zeitraum von 5 bis 6 Uhr von der Betriebspflicht befreien. Auch die Luftfahrtbehörde des Bundes muss das mittragen, wovon Brandenburg im Falle eines Kompromisses ausgeht. In den fünf Jahren soll dann die Auswirkung des leicht erweiterten Nachtflugverbots auf den Fluglärm und auf die Geschäftsentwicklung der Flughafengesellschaft überprüft werden.
„Der Vorschlag ist rechtlich und wirtschaftlich machbar“, sagte Woidke. Ob Berlin und der Bund allerdings mitmachen, ist fraglich. Beide Seiten äußerten sich zurückhaltend, ließen aber durchblicken, dass sie von dem neuerlichen Vorstoß nichts halten. „Wenn Brandenburg neue Ideen hat, kann es die gerne in die Flughafengremien einbringen“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Berlin bleibe aber bei seiner Position: Es gebe einen Beschluss, wonach von 0 bis 5 Uhr ein Flugverbot und in den Randzeiten strikte Einschränkungen gelten. „Es wird keine generelle Abkehr von der bisherigen Linie geben“, sagte Meng. Das Bundesverkehrsministerium wollte Brandenburgs Kompromissvorschlag nicht näher kommentieren. Bekannt ist allerdings die Position des Bundes, dass Brandenburg sich mit Vorschlägen viel Zeit gelassen habe und der Vorschlag zum Nachtflugverbot im Zusammenhang mit der bevorstehenden Landtagswahl stehe, was in der Potsdamer Staatskanzlei bestritten wird.
Protest gegen Fluglärm rechtzeitig vor der Wahl einfangen
Tatsächlich ist die Lage für Woidke und die Landes-SPD brisant. Am Mittwoch will Woidke zu der Volte eine Regierungserklärung im Landtag abgeben. Dieser hatte das erste erfolgreiche Volksbehren seit 1990 für ein komplettes Nachtflugverbot angenommen, SPD und Linke wollten damit den Protest gegen Fluglärm rechtzeitig zur Wahl einfangen und einen Volksentscheid verhindern. Angesichts des Widerstandes aus Berlin und dem Bundesverkehrsministerium versucht Woidke dennoch vor den Initiatoren des Volksbegehrens halbwegs das Gesicht zu wahren. Entsprechend sind die Vorwürfe aus der Opposition. CDU-Landeschef Michael Schierack nannte Woidkes Vorstoß ein wahltaktisches Feigenblatt. Er habe das Volksbegehren nicht umgesetzt.