Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest: „Diese Schweine sind verdammt intelligent“
Die Bekämpfung der Schweinepest könnte schwierig werden. Viele Wildschweine haben die Jäger inzwischen durchschaut. Auch der Wolf hat ihre Intelligenz geschärft.
„Diese Schweine sind verdammt intelligent“, sagt Tierzüchter Robert Hagemann. Und meint damit nicht in erster Linie seine Schlachtschweine in der Prignitz, sondern ihre wilden Artgenossen, die er immer seltener vor die Flinte bekommt. Und das in Zeiten, wo der Ruf nach einer Dezimierung des Wildschweinbestands in Deutschland, vor allem aber in Berlin und Brandenburg, immer lauter wird.
Denn erstens gibt es hier seit Jahren viel zu viele von ihnen und zweitens steigt mit ihrer Zahl auch das Risiko eines Ausbruchs der für fast alle Tiere tödlich verlaufenden Afrikanischen Schweinepest (ASP). In Polen sind schon viele Wildschweine daran verendet, vor einer Woche wurde ein infiziertes Tier nur 21 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt aufgefunden.
Robert Hagemann ist einer der wenigen Schweinezüchter in Brandenburg, und für ihn steht einiges auf dem Spiel. Schon ein ASP-Ausbruch bei heimischen Wildschweinen könnte Einbußen bei der Vermarktung seiner Schlachttiere bedeuten, denn dann würde Deutschland den Status „Seuchenfrei“ verlieren. Sollte das Virus gar in seine Ställe gelangen, droht der Worst Case, sprich: der Verlust aller seiner Tiere.
Weil er das weiß, geht Robert Hagemann keinerlei Risiko ein. Er zieht andere Kleidung an, trägt andere Schuhe, fährt ein anderes Auto, wenn er auf Jagd geht. Seine Ställe betritt er erst mindestens zwei Tage später wieder – und das auch nur nach ausgiebiger Reinigung und Dusche. Das schreibt er im Übrigen auch seinen Angestellten vor. Ausnahmslos. „Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.“
Das haben auch die Politiker erkannt. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und ihr polnischer Kollege Krzysztof Ardanowski erörterten in der vergangenen Woche Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche. Eine Möglichkeit seien Zaunbauten beidseitig der Grenze, hieß es.
Einen hundertprozentigen Schutz gegen die Ausbreitung gebe es nicht
Den Zaun gibt es natürlich schon. Jedenfalls in Brandenburg. Dass er die Wildschweine davon abhält, von Polen nach Deutschland zu kommen, bezweifeln allerdings viele. Er sei aber gegenwärtig das „einzige Instrument, das wir haben, um diesen Wechsel zumindest zu verzögern“, sagte die Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Forschungsinstituts für Tiergesundheit, Elke Reinking, auf Anfrage.
Denn einen hundertprozentigen Schutz gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest gibt es nicht. Mal abgesehen davon, dass bereits einige Stellen des Elektrozauns undicht sind, weil die Batterien gestohlen wurden, kann das Virus auch durch Vögel eingeschleppt werden. Vor allem aber durch Menschen.
In Rumänien auch Hausschweine betroffen
„Dramatisch ist die Situation etwa in Rumänien, wo im Gegensatz zu Polen keine Wild-, sondern viele Hausschweine betroffen sind“, sagte Elke Reinking. „Deshalb appellieren wir an alle Reisenden, keine Fleisch- und Wurstwaren mitzubringen und sie vor allem hier nicht so zu entsorgen, dass Wildschweine sie fressen könnten.“
Auch weil diese nach einer Infektion fast ausnahmslos qualvoll verenden, werden die Forderungen nach einer intensiveren „Entnahme“, sprich nach dem Abschuss, immer lauter. Der Bund hat deshalb kürzlich sogar eine Änderung des Waffengesetzes beschlossen, die den Einsatz von Nachtzielgeräten bei der Jagd auf Wildschweine erlaubt.
Nachtzieltechnik soll bei der Jagd helfen
Das entsprechende jagdrechtliche Verbot hat Brandenburg bereits geändert. Wenn die Gesetzesänderung im Bundesanzeiger veröffentlicht ist, dürfen die Jäger in Brandenburg diese Technik anwenden. Dann wird sich auch Robert Hagemann ein entsprechendes Gerät kaufen. Denn wie viele seiner Kollegen hat er die Erfahrung gemacht, dass die Wildschweine immer schwerer zu jagen sind.
Bei Dunkelheit sei das ohnehin nie erfolgreich gewesen, sagt er: „Und inzwischen wissen die offenbar genau, dass bei Vollmond die Jäger draußen sind, und bleiben in Deckung.“ Genau deshalb wären Nachtzielgeräte so wichtig. Dann könnte man den Zeitpunkt der Jagd selbst bestimmen, und in der Dunkelheit fühlten sich die Wildschweine noch sicher. Ob dies allerdings ausreicht, um ihre Zahl nennenswert zu dezimieren, ist unklar.
Auch deshalb, weil viele Jäger in die Jahre gekommen sind und Nachwuchs kaum in Sicht ist, wie die Jagdverbände beklagen. Und ihre Beute macht es ihnen immer schwerer. „Selbst bei Drückjagden lässt sich die Rotte nicht aufschrecken, sondern greift eher die Hunde an, als den Jägern vor die Flinte zu laufen“, sagt Robert Hagemann.
Wölfe verändern Verhalten der Schweine
Ein Grund für dieses veränderte Verhalten der Sauen seien paradoxerweise die Wölfe, die es in der Region wieder gibt: „Durch sie lernen die Wildschweine erstens, vorsichtiger zu sein, und zweitens, sich zu wehren. Und das wenden sie dann auch bei Hunden an.“
Außerdem haben die märkischen Wildschweine ausgesprochene Mastjahre hinter sich. Sie erfrieren bei den milden Temperaturen nicht und können sich problemlos bis ins Frühjahr hinein von Eicheln ernähren, die im Herbst von den Bäumen gefallen sind. Wenn das Nahrungsangebot etwa durch Trockenheit knapp wird, wissen die Tiere genau, dass in den Gärten der Menschen gegossen wird, und scheuen sich nicht, dort aufzutauchen.
Ohnehin leben die meisten von ihnen – da sind sich Brandenburgs Jäger ziemlich sicher – inzwischen im Berliner Speckgürtel. Das macht die Jagd auf sie nicht gerade leichter. In der Hauptstadt selbst, wo sich bis zu 5000 Wildschweine aufhalten, dürfen sie nur von Förstern oder sogenannten Begehungsscheininhabern geschossen werden. In den Innenstadtgebieten sind die Stadtjäger zuständig – von denen es aber nur 20 gibt.