Klimaneutrales Berlin – ja, aber wie?: Diese Pläne haben die Parteien beim Thema Umwelt
CO2-Ausstoß, Gebäudesanierungen, Verkehr: Wie stellen sich die großen Parteien bei der Abgeordnetenhauswahl in Sachen Klimaschutz auf? Der Check.
Am 26. September wird in Berlin das Abgeordnetenhaus gewählt. Wir machen vorher den Check: Was sagen die Parteien zu den Themen Klimaneutralität, Gebäudesanierungen, Verkehr, Energie und Klimafolgen? Hier finden Sie den Überblick.
Eine klimaneutrale Hauptstadt
Die Marschrichtung ist klar: Soll das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden, muss auch in Berlin der CO2-Ausstoß in den kommenden Jahren und Jahrzehnten massiv gesenkt werden. Mit dem Berliner Energiewende- und Klimaschutzgesetz hat die rot-rot-grüne Koalition sich kürzlich darauf geeinigt, die Hauptstadt bis spätestens 2045 klimaneutral zu machen. Bereits bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden.
Schon das wird nur schwer zu erreichen sein. Eine neue Machbarkeitsstudie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag der Senatsumweltverwaltung hat ermittelt, dass Klimaneutralität in Berlin in den 2040er Jahren theoretisch möglich ist – aber nur wenn deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden als bislang.
In ihren Wahlprogrammen setzten sich die Parteien teils noch ehrgeizigere Ziele. Die Grünen wollen bereits bis 2035 ein klimaneutrales Berlin. Die Linke hat sich als Zielzahl 2040 gesetzt. SPD und CDU streben an, spätestens bis 2045 den CO2-Ausstoß nahezu komplett zu reduzieren. Die FDP wiederum hat sich in ihrem Programm kein festes Jahresziel gesetzt.
Gebäudesanierung und die Kosten
Doch Jahreszahlen allein reichen nicht. Nur über konkrete Maßnahmen kann der CO2-Ausstoß in Berlin reduziert werden. Eine enorm wichtige Rolle kommt dabei dem Bereich der Gebäude zu. 43 Prozent des Ausstoßes von Kohlendioxid entfallen in Berlin auf die Beheizung, Lüftung und Versorgung mit Warmwasser von Häusern.
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Grüne, Linke und SPD wollen dazu die Sanierungsquote bei Bestandsbauten im öffentlichen und privaten Sektor deutlich erhöhen. Zugleich sollen die Mieter dadurch nicht oder nur wenig belastet werden. Die Linke setzt dazu auf Zuschussprogramme des Landes, die explizit nur auf die Sanierung und nicht auch auf die auf Mieten umlegbare Modernisierung abzielen. Die Grünen wollen die Kosten durch Vermieter, Mieter und Staat dritteln – allerdings ist das Bundesrecht. Bis dahin sollen daher die Umlagen gedeckelt werden.
Die SPD will Mieter unter anderem durch eine Absenkung der Modernisierungsumlage auf Bundesebene vor Verdrängung schützen. FDP und CDU sehen keinen Grund, die energetischen Anforderungen an private Bestands- und Neubauten zu erhöhen. Stattdessen solle bei allen Maßnahmen zunächst die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion einnehmen.
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Verkehr und seine Emissionen
Wichtig sind auch Veränderungen im Verkehr. Autos und Lkw sorgen für 22,5 Prozent der CO2-Emissionen in der Hauptstadt. Der Kfz-Verkehr soll daher emissionsfrei werden. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich dazu darauf geeinigt, Berlins Zentrum innerhalb des S-Bahn-Rings „mittelfristig“ zu einer Verbotszone für Verbrennungsmotoren zu machen. Die Grünen wollen die Zone spätestens 2030 errichten und bis 2035 auf das ganze Stadtgebiet ausdehnen.
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SPD und Linke sind zurückhaltender und wollen noch keine Jahreszahlen nennen. So müsse zunächst der Ausbau von E-Ladesäulen voranschreiten. Zudem müsse der Umstieg sozialverträglich erfolgen, sagen sie. CDU und FDP sind grundsätzlich gegen eine solche Verbotszone. Aber auch für die E-Mobilität ist viel Energie nötig. Daher müsste der Autoverkehr in der Stadt bis 2050 um 61,4 Prozent sinken, damit sie klimaneutral werden kann, errechneten die Forscher:innen des IÖW.
Vor allem die Grünen wollen den Kfz-Verkehr bewusst einschränken. SPD, Linke, CDU und FDP wollen es hingegen bei Anreizen durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs belassen.
Saubere Energie vom Dach
Noch immer werden weit über 90 Prozent der Berliner Energie aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdgas und Mineralöl erzeugt. Die Stadt muss deshalb künftig selbst erneuerbare Energie produzieren. Das geht am besten über Sonnenstrom vom Dach. Bis 2050 könnten 37 Prozent des Stroms in der Hauptstadt aus Solarenergie stammen, sagen die IÖW-Forscher:innen. Dazu allerdings muss die Zahl der Fotovoltaikanlagen massiv ausgebaut werden.
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Rot-Rot-Grün hat im Juni mit dem Solargesetz die Pflicht geschaffen, bei neuen Gebäuden und Umbauten von Dächern Solaranlagen zu installieren. Auch alle öffentlichen Gebäude sollen wo möglich mit den Modulen ausgestattet werden. FDP und CDU hingegen halten die Pflicht für falsch. Die CDU will den Ausbau stattdessen durch finanzielle Förderungen voranbringen.
Gut gerüstet gegen Hitze und Regen
Genauso wichtig wie der Kampf gegen den Klimawandel ist die Aufgabe, sich auf dessen unausweichliche Folgen vorzubereiten. Große Hitze in der Stadt und Starkregen dürften Berlin künftig immer häufiger zu schaffen machen. Grundsätzlich steht dieses Thema mittlerweile bei allen Parteien auf der Agenda.
Sie unterscheiden sich jedoch darin, wie detailliert und intensiv sie den Umbau zur klimaangepassten Stadt vorantreiben wollen, etwa wenn es darum geht, die versiegelten Beton- und Asphaltflächen zu reduzieren und stattdessen Grünflächen zu schaffen. Dadurch kann das viele Wasser bei Starkregen besser versickern – und zugleich beim Verdunsten die Stadtluft kühlen. Zudem spenden dort gepflanzte Bäume Schatten und halten die Hitze aus den Straßen.
Am weitesten wollen in dieser Hinsicht die Grünen gehen. Sie wollen Parkplätze zu Parks machen. Bei der Erhaltung von Grünanlagen sind sich die Parteien hingegen grundsätzlich einig.
Streit gibt es teils dennoch: Mit der Charta Stadtgrün wollten die Grünen zuletzt beschließen, öffentliche Grünflächen und Brachen in der Stadt nur noch in Ausnahmefällen mit neuen Gebäuden zu versiegeln. Die SPD wollte das in dieser Unbedingtheit nicht mitgehen, der Beschluss scheiterte.