Kitademo in Berlin: Diese Missstände sehen Eltern in der Kinderbetreuung
Manche suchen schon einen Kitaplatz, bevor das Kind geboren ist. Viele erfolglos. Doch es gibt noch andere Probleme. Drei Berliner Familien erzählen - anlässlich der Kitademo am Samstag.
Kinderfreundlich soll es heute werden bei der großen Demo gegen die Kitakrise in Berlin. Deshalb ist der Weg auch kurz – vom Dorothea-Schlegel-Platz am S-Bahnhof Friedrichstraße geht es ab 10 Uhr zum Brandenburger Tor. Musik, einen Clown und Aktivitäten für Kinder soll es geben, ein Stillzelt und Wickelmöglichkeiten.
Das klingt nach einem fröhlichen Vormittag – die Eltern meinen es aber ernst und sind wütend: weil es nicht genügend Kitaplätze und Personal gibt, weil sie überforderte Erzieher erleben und befürchten, dass sich die Qualität in den Kitas verschlechtert. Hier erzählen drei Familien, warum sie demonstrieren gehen.
Die Qualität stimmt nicht
Einen Kitaplatz für ihren zweijährigen Sohn, den hat Daniela Kaya in Tempelhof immerhin. Doch unzufrieden mit der Betreuungssituation – der ihres eigenen Kindes und der in ganz Berlin – ist sie dennoch. Daniela Kaya ist SPD-Politikerin und Mitglied im Landesvorstand der Partei. Sie kritisiert Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD): „Ich finde es haarsträubend, dass die Senatorin ein Qualitätskriterium nach dem anderen aufweicht.“ Es gebe nicht genügend Vorgaben, wie und in welchem Umfang Quereinsteiger eingesetzt werden – und nun seien auch noch Überbelegungen in den Kitas genehmigt worden. Kaya habe das Gefühl, dass Scheeres die Probleme der Eltern nicht ernst genug nehme, Beschwerden „moderiert sie weg“.
In der Kita ihres Sohnes, erzählt Daniela Kaya, werde seine Gruppe seit drei Monaten von zwei Quereinsteigerinnen allein betreut. Diese bekämen momentan auch keine pädagogische Anleitung. Grund sei ein Personalengpass beim Träger. Die beiden Frauen kümmerten sich also um 15 Kinder unter drei Jahren, davon seien zwei acht Monate alte Babys.
„Die Babys werden getragen, und vieles andere kann dann einfach nicht gemacht werden. Zum Beispiel mit den Kindern rausgehen“, sagt Kaya. Wenn sich die Situation nicht bessere, werde sich die Familie Alternativen überlegen, sagt Kaya. „Mein Mann und ich diskutieren gerade, ob wir unsere Arbeit weiter reduzieren, oder ob einer zeitweise aufhört, sodass wir unseren Sohn weitgehend selbst betreuen können.“
Stundenlange Fahrzeit
Als Ann-Mirja Böhm anfing, einen Kitaplatz für ihre Tochter zu suchen, hatte sie 20 Kitas auf der Liste. „Darüber lache ich heute“, sagt Böhm. Denn mittlerweile sei es normal, dass man 100 oder mehr Kitas kontaktiere. „Das ist extrem zeitaufwendig, denn die Kitas wollen ja alle was anderes“, erklärt die 35-Jährige aus Prenzlauer Berg.
Die einen wollen, dass man anruft, andere wollen E-Mails oder dass man vorbeikommt, mal muss man ein Online-Formular ausfüllen, manchmal auch ausdrucken. Und wenn man dann auf der Warteliste steht, dann wollen wiederum manche Kitas, dass man regelmäßig anruft, während andere sich genau das verbitten. „Das alles im Blick zu behalten, ist ein enormer logistischer Aufwand“, sagt Böhm.
Erfolg hatte sie trotzdem lange nicht. Im Februar dann, kurz vor dem ersten Geburtstag ihrer Tochter, fand sie eine Tagesmutter – aber in Charlottenburg. „Wenn ich meine Tochter nachmittags abhole, bin ich mit Hin- und Rückweg fast zwei Stunden unterwegs.“ Zum Glück wird dieser Zustand nicht lange anhalten, denn für August bekam sie inzwischen noch die Zusage einer Kita in der Nähe.
Entspannen kann sich Böhm aber nicht. Ende September wird ihr zweites Kind geboren – und ob sie für dieses dann auch einen Platz in der gleichen Kita bekomme, sei noch völlig unklar. Böhm engagiert sich in der Initiative, die die Demo „Kitakrise“ organisiert. „Wir kämpfen nicht nur für uns, sondern auch für andere Eltern und für die Erzieher.“
Erfolglos gesucht
So hatte sich Stefanie Mogdanz ihre Elternzeit nicht vorgestellt: dass ein Großteil der Zeit dafür draufgehen würde, Kitas zu kontaktieren, Excel-Tabellen dafür anzulegen und sich Sorgen zu machen, ob es überhaupt noch etwas wird mit einem Platz für ihre Tochter Ella. Ein Jahr alt ist das Mädchen nun – und bisher ist es tatsächlich nichts geworden mit einem Platz. Nicht einmal einen in Aussicht hat die Familie aus Prenzlauer Berg.
Eigentlich hatte Stefanie Mogdanz vor, nach Pfingsten wieder arbeiten zu gehen. Die 35-Jährige ist Account-Managerin im Online-Marketing. Doch das geht nun mangels Kitaplatz nicht. Zum Glück sei ihr Arbeitgeber verständnisvoll, sagt Mogdanz. Das ändert aber nichts daran, dass sie jetzt erst mal unbezahlt zu Hause bleibt.
Ihr Mann hat noch einen Monat Elternzeit, und so können sie sich nun bei der Suche wenigstens abwechseln. Davor, als Stefanie Mogdanz allein mit ihrer Tochter zu Hause war, sei das noch anstrengender gewesen. Mehr als zwei Anrufe am Tag habe sie manchmal einfach nicht geschafft. „Mein Mann hat dann in seiner Mittagspause weiter bei den Kitas angerufen, oder schon morgens vor der Arbeit“, erzählt Mogdanz.
Jetzt wollen sie noch Tagesmütter abtelefonieren. Und wenn das auch nichts bringt, werden sie wohl Klage einreichen, vielleicht auch wegen des Verdienstausfalls. „Wir fragen uns, ob wir nicht noch mehr hätten tun können“, sagt Mogdanz. Dabei haben sie schon einen Monat vor der Geburt mit der Suche angefangen. „Am Anfang haben wir gedacht, wir hätten eine Wahl, und haben nur bei den Kitas angefragt, die uns gefielen. Irgendwann haben wir aber festgestellt: Es geht gar nicht mehr darum, was wir wollen.“ All das passe nicht mit dem Rechtsanspruch zusammen und bringe Eltern und Kitas in eine unmögliche Situation.
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