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Zu Besuch. Senatorin Dilek Kalayci in der Covid-Notklinik. Foto: Michael Kappeler/dpa
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Covid-19-Notfallklinik in Berlin: Diese drei Probleme bremsen Kalaycis Vorzeigeprojekt aus

Kein Vertrag, keine Erlaubnis, kein Segen des Betriebsrats: Der Gesundheitssenatorin steht eine Woche der Entscheidungen bevor.

Nun könnte es doch noch klappen. Kommenden Dienstag besuchen Fachleute des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) und der Stab der Amtsärztin von Charlottenburg-Wilmersdorf die Halle 26 auf der Messe. Läuft es für Dilek Kalayci (SPD) gut, erhält die dortige Covid-19-Notklinik nach turbulenten Wochen die Betriebserlaubnis. Allerdings wohl mit Einschränkung.

Die Gesundheitssenatorin hatte im März den Bau eines Reservekrankenhauses angekündigt, mit hemdsärmeliger Hilfe von Berlins Ex-Feuerwehrchef Albrecht Broemme. Vor zwei Wochen eröffnete sie die Notklinik. Doch fehlte die Betriebsabnahme, wie der Tagesspiegel aufdeckte: Die Senatorin räumte das schließlich ein. Und als Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) kürzlich die Räume besuchte, ließ er sich de facto eine Baustelle zeigen.

Im Hintergrund heißt es, selbst Beatmungsgeräte seien extra für den Termin auf- und hinterher wieder abgebaut worden. Augenzeugen bestätigen: Aktuell steht nicht eines der mehr als hundert geplanten Beatmungsgeräte in der Messehalle bereit.

Maximal 90 Behandlungsplätze

Wird nun alles gut? Nicht zwangsläufig. Aller Voraussicht nach gilt die für nächste Woche erwartete Betriebsfreigabe nicht für alle 500 Betten, sondern maximal für 90 Behandlungsplätze. Das soll unbestätigten Angaben zufolge mit fehlendem Personal, knapper Technik und einer „baulichen Frage“ zu tun haben. 

Nachbesserungen im Bau wird Broemme wohl nicht mehr anleiten, von beiden unbestätigt aber im Gesundheitswesen bekannt ist: Kalayci und Broemme haben sich zerstritten. Zudem erklärte sich der Vorstand der landeseigenen Vivantes-Kliniken zwar bereit, das Reservekrankenhaus während einer zweiten Infektionswelle zu betreiben – wenn dafür kein Personal aus den regulären Kliniken abgezogen werden muss.

450 Pflegekräfte fehlen

Doch danach sieht es aus. Genug Ärztinnen und Ärzte hatten sich – aus Ruhestand, Teilzeitjobs und Weiterbildung – gemeldet, Pflegekräfte aber nicht. Vivantes zählte 50 Pflegende, die sich für einen Einsatz fanden, ohne regulären Stationen entzogen zu werden. Wenn es losgehen sollte, fehlen auf der Messe 450 Pflegekräfte.

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Selbst wenn Lageso-Prüfer und Amtsärztin also die komplette Notklinik genehmigen sollten, dürften sich die Vivantes-Manager zieren, bis die Senatsgesundheitsverwaltung wider Erwarten woanders Personal herholt. Stadtweit suchen Kliniken und Heime derzeit Mitarbeiter, Vivantes selbst zahlte schon vor der Pandemie bis zu 9000 Euro Prämie für erfahrene Intensivpflegekräfte. Wann mit einem Vertrag zwischen Vivantes-Konzern und Senat zu rechnen ist, bleibt offen.

Für Testbetrieb werden Pflegekräfte von Stationen geholt

Nächste Woche aber ist in Halle 26 ein Testbetrieb geplant, fast 30 Ärztinnen und Ärzte und mehr als 100 Pflegekräfte sollen den Ablauf üben. Dafür werden nun Pflegekräfte von Vivantes-Stationen geholt, die eigentlich das Hochfahren des regulären Betriebes begleiten sollen. 

Wie berichtet brauchen die Krankenhäuser dringend Geld für Behandlungen, die wegen der Pandemie über Wochen ausgesetzt waren. „Wir bedauern, dass nun doch Personal aus den Vivantes-Krankenhäusern abgezogen wird“, sagt Thomas Werner. Der Chirurg ist Klinikexperte der Berliner Ärztekammer und zugleich Vivantes-Betriebsrat. 

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„Noch im März kündigte der Senat an, kein Personal von den regulären Stationen zu holen.“ Bislang stimmte der Vivantes-Betriebsrat den Arbeitsverträgen nicht zu, die für die Einsätze in der Covid-19-Notklinik ausgestellt wurden.

Abgeordnete sprechen von "Show"

Keine Betriebserlaubnis, kein Betreibervertrag, keine Zustimmung des Betriebsrats – alles erst nach öffentlichkeitswirksamen Besuchen der Senatorin vor Ort bekannt geworden. Von einer „Show“ sprechen Abgeordnete und davon, dass Kalayci einen Erfolg hatte präsentieren wollen. „Wenn man das macht, muss man auch offen mit den Schwierigkeiten umgehen“, sagt Wolfgang Albers (Linke), Chef des Gesundheitsausschusses. 

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Am Montag befasst sich ein Koalitionsausschuss mit dem Fall. Dabei soll es auch um die angekündigten 300 weiteren Betten in einer zweiten Messehalle gehen. 

Linke und Grüne fordern, das dafür eingeplante Geld besser in reguläre Kliniken und die Gesundheitsämter zu stecken. Angesichts niedriger Neuansteckungszahlen ist unwahrscheinlich, dass auf der Messe bald Patientinnen und Patienten behandelt werden. Das sagte Kalayci immerhin selbst voraus. 

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