500 Euro Zuschlag für alle: Berliner Krankenhaus-Mitarbeiter fordern Corona-Pakt
Pflegekräfte und Abgeordnete debattieren - Beschäftige von Vivantes und Charité verlangen vorläufiges Ende der Fallpauschalen.
Mehr Schutzausrüstung, neue Krankenhausbudgets und höhere Risikozuschläge: Tausende Klinikmitarbeiter in Berlin fordern den Senat zu einem Corona-Krankenhaus-Pakt auf. Ein entsprechendes Schreiben, das Personalvertreter der Klinikkonzerne Vivantes und Charité initiiert haben, wird die Gewerkschaft Verdi kommende Woche an die Senatskanzlei schicken. Nach Tagesspiegel-Informationen soll der Landesregierung eine Frist von drei Wochen gesetzt werden, danach ist mit Protesten in den Kliniken zu rechnen.
Tochterfirmen von Vivantes und Charité sollen Tariflohn zahlen
Der geforderte Corona-Pakt enthält drei Hauptforderungen. Zunächst sollen die Beschäftigten der Tochterfirmen der Vivantes-Kliniken und der ebenfalls landeseigenen Charité nach dem in den Stammhäusern üblichen Tarif bezahlt werden. Pro Mitarbeiter wären das mindestens 300 Euro Monatsbrutto mehr, etwa für die Reinigungs- und Transportkräfte in der Charité-Tochter CFM.
Dazu werden 500 Euro als monatlicher Pandemie-Risikozuschlag für alle Klinikbeschäftigten gefordert, also auch diejenigen, die in kirchlichen und privaten Häusern arbeiten. Das beträfe fast 60.000 Berliner. Senatschef Michael Müller (SPD) hatte für Vivantes- und Charité-Mitarbeiter 150 Euro angekündigt.
Politisch weitreichender ist die Forderung, der Senat möge sich im Bundesrat für einen vorläufigen Stopp des sogenannten DRG-Systems einsetzen. Damit sind die fixen Pauschalen gemeint, mit denen die Versicherungen jede Behandlung einzeln vergüten. Weil sich die Versorgung von Kranken im Alltag kaum so fest bemessen lässt, wie die Kassen das verlangen, erhalten die Kliniken insbesondere für Patienten in den Rettungsstellen seit Jahren oft weniger Geld als sie ausgeben. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte gefordert, die Fallpauschalen bis Jahresende auszusetzen.
In der vergangenen Woche hatten 4500 Beschäftige aus Charité und Vivantes eine Petition für besseren Gesundheitsschutz unterschrieben. Die Liste war am Freitag in einer Videokonferenz symbolisch überreicht worden. Trotz Einladung nahm Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nicht an der einstündigen Tagung teil. Neben 270 Beschäftigten diverser Kliniken beteiligten sich aber 25 Berliner Landespolitiker aus Koalition und Opposition.
„Es ist unglaubwürdig, wenn Politiker uns zuklatschen“, sagte Anja Voigt, Intensivpflegekraft im Klinikum Neukölln. „Jahrelang wurden wir als Kostenfaktor gesehen, nun sind wir plötzlich systemrelevant.“
150 Euro? "Eher Beleidigung als Anerkennung"
Burkard Dregger nahm als einziger Fraktionschef an der Videokonferenz teil. Der CDU-Abgeordnete sagte, die Beschäftigten der Kliniken leisteten mehr, als ihre Arbeitsverträge verlangen: „Selbstverständlich muss das angemessen vergütet werden.“ Angesichts knapper Schutzmasken, Kittel und Desinfektionsmittel sei Berlin „für einen solchen Extremfall tatsächlich nicht ausreichend vorbereitet gewesen“.
SPD-Gesundheitsexperte Thomas Isenberg sprach davon, sich aus der „Abhängigkeit von den Weltmärkten“ zu lösen. Wolfgang Albers (Linke) forderte, das Gesundheitswesen müsse nach den tatsächlichen Bedarfen ausgestattet werden.
[Hinweis: Der Autor hat die Videokonferenz auf Wunsch der Personalvertreter moderiert.]
Der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert sagte, die vom Senat angekündigten 150 Euro wirkten „eher als Beleidigung denn als Anerkennung“; Catherina Pieroth (Grüne) plädierte für bundeseinheitliche Boni-Regelungen. Alle waren sich einig, dass Klinikmitarbeitern höhere Boni zustünden – auch wenn unklar ist, ob das Geld aus Landesmitteln oder den Klinikbudgets kommen soll.
CDU will "500-Euro-City-Scheck" als Pandemie-Zulage
An einem eigenen Corona-Boni-Antrag arbeitet die CDU-Fraktion. Im Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: Der Senat werde aufgefordert, „500-Euro-City-Schecks“ im Nachtragshaushalt 2020 einzuplanen. Diese einmaligen Boni sollen an alle Beschäftigten gezahlt werden, die „die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens sicherstellen“. Dazu zählten Supermärkte, Kliniken, Gesundheitsämter, Polizei, Reinigungskräfte sowie Transportlogistiker, BVG und S-Bahn.