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Marvin Clifford, neuer Comic-Zeichner des Tagesspiegel
© Mike Wolff

Comiczeichner Marvin Clifford: Die Wahrheit über den Fernsehturm

Warum hat das Wahrzeichen diese besondere Form? Warum ist das Rathaus rot? In einer neuen Tagesspiegel-Serie erzählt Comiczeichner Marvin Clifford Stadtgeschichten, die man so noch nicht gehört hat.

Was ist diesem Bauwerk nicht schon alles nachgesagt worden: Dass SED-Chef Walter Ulbricht seine Höhe in Anlehnung an die Zahl der Tage im Jahr auf 365 Meter festlegen ließ; dass die kommunistische Staatsführung seinen Abriss erwog, weil man über das bei Sonnenschein auf seiner Außenhülle sichtbare Lichtkreuz („Die Rache des Papstes“) erbost war; dass es in Wirklichkeit die Antenne einer Raumstation tief unter dem Alexanderplatz sei. Und dann natürlich die nicht totzukriegende Legende, der Berliner nenne das Ding „Telespargel“.

Was bisher allerdings kaum jemand wusste: Der Fernsehturm verdankt seine besondere Form einer schrittweise eskalierten Auseinandersetzung zwischen Walter Ulbricht und Willy Brandt in den frühen 1960er Jahren. Was es damit auf sich hat, das kann keiner besser erzählen als der bärtige Stadtführer, der an diesem Sonntag seinen ersten Auftritt im Tagesspiegel hat.

Stadtgeschichte mal etwas anders

In seiner neuen Serie „Mittenmang“ lässt der Comiczeichner Marvin Clifford seinen fabulierfreudigen Experten auf Berlin-Besucher und Bewohner los, um ihnen zu erklären, wie die Stadt und ihre Bauwerke zu dem wurden, was sie sind. Allerdings ist der fantasiebegabte Führer dabei Münchhausen oftmals näher als dem Merian-Magazin.

Die Idee entwickelte der Zeichner zusammen mit seinem Pankower Atelierkollegen Felix Görmann alias Flix. Der hat fast zehn Jahre alle vier Wochen einen Comic für den Sonntags-Tagesspiegel gezeichnet, die daraus entstandenen Bücher „Da war mal was …“ und „Schöne Töchter“ wurden zu preisgekrönten Bestsellern. Nun will sich Flix anderen Aufgaben widmen und Marvin Clifford übernimmt.

In Comic-Kreisen ist der 32-Jährige ebenfalls schon länger ein Star. Seine 2012 begonnene autobiografische Serie „Schisslaweng“ wurde unter anderem mit dem Max-und-Moritz-Publikumspreis des Comicsalons Erlangen ausgezeichnet. Und für das 2009 gestartete Online-Rollenspiel „Shakes & Fidget“, das auf einem von Clifford gezeichneten Webcomic basiert, haben sich bislang 15 Millionen Spieler angemeldet. Das sichert ihm bis heute einen wichtigen Teil seines Lebensunterhalts, der Rest kommt durch kommerzielle Illustrationsaufträge.

Clifford durchmischt Alltägliches und Fantastisches

„Berlin hat unheimlich viele Geschichten zu erzählen – vor allem, wenn man ein bisschen Fantasie hat“, sagt Marvin Clifford. Die Stadt als Spielplatz: Am Anfang seiner neuen Serie nimmt sich der studierte Grafik-Designer bekannte Orte vor, deren bislang unbekannte Entstehungsgeschichte sein Stadtführer erzählt – in Bildfolgen voller Witz und Freude am Slapstick.

Nach und nach sollen weniger bekannte Orte hinzukommen, vielleicht auch mal ein Graffito an einer Hauswand. Nebenbei erfahren die Leser mehr über die Hauptfigur und ihre besondere Geschichte, verspricht der Zeichner.

Das Spiel mit verschiedenen Erzählebenen gehört bei Marvin Clifford zum Programm. Bei „Shakes & Fidget“, das er noch als Student mit einem Kommilitonen zusammen entwickelte, finden sich die Charaktere eines im Mittelalter angesiedelten Fantasy-Comics plötzlich in der Videospiel-Welt von „World of Warcraft“ wieder.

13 000 Follower bei Facebook

Und in seinen „Schisslaweng“-Comics kombiniert der Zeichner Alltagserlebnisse mit fiktiven, oft fantastischen Elementen. Jeden Mittwoch veröffentlicht er eine neue Folge auf www.schisslaweng.net, seit Kurzem gibt es auch einen ersten gedruckten Sammelband. Cliffords Figuren sind als echte Menschen erkennbar, agieren aber mit cartoonartig übertriebenen Gesichtsausdrücken und Gesten.

Spielerisch verbindet er bei „Schisslaweng“ alltägliche Erfahrungen wie Beziehungsprobleme, die Gewöhnungsbedürftigkeit eines Hotel-Kopfkissens oder den unerwartet schwierigen Kauf einer Batterie für einen Feuermelder mit absurden Pointen, die oft zum Nachdenken anregen. Mit Erfolg: Alleine auf Facebook folgen ihm mehr als 13 000 Menschen, jeder neue Strip wird dort tausendfach weiterempfohlen.

Ein ähnlich unterhaltsames Spiel mit verschiedenen Erzählebenen dürfen auch die Leser seines Tagesspiegel-Strips erwarten. „Es wäre schön, wenn meine Geschichten Zweifel auslösen, ob da nicht vielleicht doch etwas dran sein könnte“, sagt Marvin Clifford, der mit seinen kräftigen schwarzen Haaren, den leuchtenden Augen und seiner lebendigen Art zu erzählen seinem gezeichneten Alter Ego in „Schisslaweng“ durchaus ähnlich ist. „Mein Traum ist, dass die Leser meine Story im Kopf haben, wenn sie die Schauplätze der Comics besuchen.“

Clifford kennt verschiedenste Berliner Ecken

Bei seiner Themensuche kann der Zeichner aus einer profunden Kenntnis unterschiedlichster Ecken Berlins schöpfen: Er kam in Schöneberg zur Welt, verbrachte seine Kindheit im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst, besuchte als Schüler viele Theaterworkshops im Wannseeforum und arbeitete dort später auch als Dozent, studierte an der Berliner Technischen Kunstschule BTK unweit des Potsdamer Platzes, lebt seit Jahren in Prenzlauer Berg und hat nun seit Kurzem sein Atelier zusammen mit Flix in Pankow.

Unter Marvin Cliffords Anhängern ist die Neugierde auf den neuen Strip zumindest schon mal groß. Knapp 200 von ihnen haben kürzlich seinen Facebook-Eintrag über den Fototermin mit dem Tagesspiegel mit „Gefällt mir“ markiert. Und eine seiner Facebook-Freundinnen schreibt: „Bin gespannt, ob Du mir Berlin etwas sympathischer machen kannst.“ Die Antwort gibt’s ab diesem Sonntag alle vier Wochen im Tagesspiegel.

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