Die Polizei und die Gewaltfrage: Die Verbalkeulen müssen eingepackt werden
Gut, dass über das Verhältnis von Polizei und Bevölkerung geredet wird. Übertreibungen nützen da wie immer nichts. Nur merken das nicht alle. Ein Kommentar.
Deutschland spricht über die Polizei. Das ist nicht nur gut, es ist nötig. Nur wie? Einiges läuft im Stakkato durcheinander. Der Tod von George Floyd befeuerte die Debatte über Rassismus und Gewalt.
Die „taz“ wünschte Polizisten, die angeblich ohnehin alle rechtsextrem seien, ein Leben im Müll. Dann die Festnahmen von Schwarzen am Rande der „Black Lives Matter“-Demonstration in Berlin und nun die Ausschreitungen in Stuttgart.
Und die Polizei? Beklagt wachsende Gewalt gegen Beamte, fehlenden Respekt vor Polizisten, die angespuckt und beworfen werden, wenn sie illegale Corona-Parties auflösen oder in Problemkiezen einschreiten. Wenn dann Videos von Festnahmegeschehen im Netz landen, ist der Aufschrei groß: Polizeigewalt! Was drumherum geschah, ob der Einsatz so gerechtfertigt war, spielt selten eine Rolle.
Natürlich ist Gewaltanwendung nicht jedes Mal gerechtfertigt. Natürlich ist es bis heute unerträglich, wie sich Beamte 2005 nach dem Feuertod von Oury Jalloh in einer Polizeizelle der Dessau gegenseitig deckten. Aber wohin soll eine Debatte über Rassismus in der Polizei führen, wenn der Sündenfall aus Dessau dabei ausgespart bleibt?
Es gibt Rassismus in der Polizei. Zugleich sitzen längst auch Beamte aus migrantischen Familien selbstverständlich in den Streifenwagen. Dennoch braucht es Mut und Führung, und es darf kein Schweigen geben, wenn sich Beamte rassistisch oder gewalttätig aufführen. Nicht die Beamten, die ihre Kollegen anzeigen, sind die Störenden.
Von Teilen der Bevölkerung wird inzwischen ganz Grundsätzliches in Frage gestellt, etwa dass, wer gegen Gesetze und Regeln verstößt, mit der Polizei rechnen muss. Zugleich erlebt die Polizei in Teilen der Bevölkerung einen massiven Autoritätsverlust, wobei sie einem Missverständnis unterliegt. Die Erwartung, der Staatsbürger möge im höchsten Respekt dem Staatsdiener ergeben sein, gehört ins Geschichtsbuch der 1950er.
Zugleich muss die Polizei ausbaden, was an anderer Stelle verursacht wurde. In einer Gesellschaft, die Menschen und Milieus ausgrenzt, muss man sich nicht wundern, dass jene Milieus die Vertreter des Staates nicht akzeptieren.
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Es sind nicht mehr nur Autonome oder Hooligans, die Polizisten angreifen. Am Sonnabend hat sich die Partyjugend ausgetobt, nicht nur in Stuttgart. Wir sehen: neue Erlebniswelten, Selbstinszenierung in sozialen Netzwerken, das Gefühl, ich kann alles, keiner kann mir was.
Auf der anderen Seite die Polizei, die bei jeglicher Kritik die Reihen schließt. Oder wie Bundesinnenminister Horst Seehofer über eine Strafanzeige gegen die „taz“ nachdenkt, obwohl er es als Chef eines Verfassungsressorts besser wissen sollte.
Die Polizei darf zuschlagen
Eines bleibt: Kaum einer anderen Institution wird so vertraut wie der Polizei. Zugleich wächst eine Generation heran, die die Polizei kritischer sieht. Dagegen hilft keine Verbalkeule, damit ist umzugehen: mit Transparenz, mit Erklären. Die Polizei übt die legitime staatliche Gewalt aus, sie darf Zwang anwenden und auch zuschlagen.
Wer die Existenz der Polizei grundsätzlich infrage stellt, stellt das Gewaltmonopol des Staates, am Ende den Staat und dessen Aufgaben in Frage: Gefahren abwehren, Straftaten verfolgen, Grundrechte schützen. Die Bürgerinnen und Bürger haben als Bollwerk gegen Willkür der Staatsgewalt das Grundgesetz. Dies mit mehr Leben zu füllen, ist die eigentliche Herausforderung für alle Seiten.
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