Von Berlin-Neukölln ins Bundeskabinett: Die steile Karriere der Franziska Giffey
Als Europabeauftragte im Bezirksamt Neukölln fing sie an, doch es drängte sie bald zu höheren Aufgaben. Jetzt soll Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey für die SPD ins Bundeskabinett wechseln.
Sie kann es. Davon sind viele in ihrem Umfeld überzeugt. Vor allem natürlich ihre Neuköllner SPD-Freunde. Vom Amt der Bezirksbürgermeisterin von Neukölln direkt auf einen Ministerposten im Bundeskabinett, das wäre ein Karrieresprung auf olympischem Niveau.
Am Mittwochabend hat sie ihr Handy ausgeschaltet. Sie kann jetzt nicht reden. An anderen Tagen redet sie von morgens bis abends, ohne je zu ermüden. Mit ihren Stadträten, mit Flüchtlingshelfern, mit Polizisten, mit Sozialarbeitern, mit Journalisten. Das strahlende Lächeln und ihre verbindliche Art unterstreichen ihre Botschaften. Und ihren unbedingten Willen, die Lebensbedingungen in ihrem Bezirk zu verbessern, Neukölln zu einem Modellprojekt für erfolgreiche Integration zu machen. Dabei lässt sie kein Thema aus: Vom Müll auf den Straßen über die Nöte von Gewerbetreibenden bis zur gewaltbereiten Salafistenszene. Ihr wichtigsten Politikfelder sind allerdings Kita und Schule. Da würde es passen, wenn sie entweder für Familie oder Arbeit zuständig wird.
39 Jahre alt, geboren in Frankfurt an der Oder, aufgewachsen auf dem Land an der Grenze zu Polen. Auch das passt. Die SPD suchte dringend eine ostdeutsche Kandidatin. Giffey studierte Englisch und Französisch auf Lehramt, hängte ein Verwaltungsstudium dran und machte anschließend erste Praxiserfahrungen im Büro des Bezirksbürgermeisters von Lewisham in London. 2002 fing sie im Bezirksamt Neukölln an, als Europabeauftragte. Ihr politischer Ziehvater Heinz Buschkowsky erkannte das Talent der Nachwuchspolitikerin, die ihren Weg unbeirrt fortsetzte, mit Auslandsaufenthalten und einer Promotion in Politikwissenschaft. 2010 wurde sie Bildungsstadträtin, fünf Jahre später folgte die nächste Stufe: Bezirksbürgermeisterin. Als Buschkowsky ging, gab es eigentlich nur eine denkbare Kandidatin für den Posten.
Die Termine wurden mehr, aber das Lächeln blieb
Ihr Terminkalender wurde noch voller, aber das Lächeln blieb. Erschöpfung mag bei Menschen eintreten, die sich in ihren Aufgaben verlieren. Franziska Giffey kann sich an programmierte Abläufe halten und Verantwortung delegieren, ohne die Fäden aus der Hand zu geben. Sie kann Mitarbeiter mit ihrer Ausstrahlung beseelen und motivieren, sie geht an die Brennpunkte ihres Bezirks, lauscht den Machern vor Ort, steigt auch mal auf einen Bagger oder fegt den Bürgersteig.
Natürlich nutzt sie solche Termine auch zur medialen Inszenierung. Ihre Pressestelle mailt regelmäßig alle öffentlichen Termine ihrer Chefin an die Redaktionen. Aber mit jedem Artikel über ihren Kampf gegen Vermüllung, Schulabstinenz oder steigende Mieten gewinnen die Neuköllner das Gefühl, dass sich jemand wirklich um ihre Belange kümmert. Und auch ein paar Ideen entwickelt, es anders zu machen als bisher. Für illegal entsorgten Müll ist eigentlich das Ordnungsamt zuständig, aber das arbeitet nur bis 22 Uhr und schickt seine Leute in Dienstkleidung auf die Straße. Giffey beauftragte eine private Sicherheitsfirma. Deren Leute legten sich in Zivil auf die Lauer und machten Täter ausfindig.
Die Hardlinerin
Giffey spricht selten von ihrer Partei oder einer Parteilinie, der sie folge. Wie einst Buschkowsky bei den eigenen Genossen aneckte und mit seinen scharfen Thesen zur Parallelgesellschaft Unmut heraufbeschwor, steuert auch Giffey gerne etwas weiter nach rechts, wenn es um die Durchsetzung von Regeln geht. Eine „Null-Toleranz–Politik“ kündigte sie im vergangenen Jahr an, gegen die arabischen Clans, die vor allem von Neukölln aus agieren. Natürlich ist sie dabei abhängig von der Arbeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Aber sie belässt es eben nicht bei der Aussage vieler Bezirkspolitiker: „Dafür sind andere zuständig.“ In der Kopftuchdebatte bezog sie klar Position: Keine religiösen Symbole in der Schule. Mehrfach trat sie als Frau an der Integrationsfront in der Talkshow von Maybrit Illner auf. Auch dort sprach sie traurige Wahrheiten aus, ohne sich hinter soziologischem Fachvokabular zu verstecken.
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