Klimaschutz in Berlin: Die sind sich nicht ganz grün
Chefsache Klimaschutz: Das war die Ansage des Regierenden vor fünf Jahren. Zeit, um einmal Bilanz zu ziehen.
Eine Chefsache ist fünf geworden – und niemand hat gefeiert: Im Juli 2008 hatte Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) persönlich das „Klimapolitische Arbeitsprogramm“ des Senats präsentiert: Auf Basis eines Finanzierungskonzeptes sollte ein Fahrplan für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude entstehen. Die Umweltverwaltung bekam die Aufgabe, ein „mit allen Ressorts abgestimmtes Gesamtkonzept CO2-Sanierung“ sowie den Entwurf eines Klimaschutzgesetzes vorzulegen.
Das langfristige Ziel, das über allem schwebt: Bis 2050 soll die Stadt klimaneutral werden, was einer Verringerung des CO2-Ausstoßes um mehr als 80 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 entspricht.
Allmählich kommt die Umweltpolitik in Berlin wieder in Schwung
Seit Wowereits Ankündigung ist einiges passiert, aber nur wenig Erfreuliches: Zuerst scheiterte die damalige Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit ihren zwar engagierten, aber taktisch ungeschickten und fachlich fragwürdigen Anläufen für das Klimaschutzgesetz. Mit der Wahl 2011 verschwand nicht nur die Linkspartei aus der Regierung, sondern auch Lompschers Umweltverwaltung als zentrale Koordinierungsstelle. Stattdessen wurde das Umweltressort – wie schon in den 1990ern – der riesigen Stadtentwicklungsverwaltung von Senator Michael Müller (SPD) zugeschlagen. Der konzentrierte sich anfangs auf andere Baustellen wie S-Bahn-Krise und Wohnungspolitik.
Erst allmählich kommt auch die Umweltpolitik wieder in Schwung: Die acht im neu gegründeten Sonderreferat „Klima und Energie“ beschäftigten Mitarbeiter werden demnächst von vier neu eingestellten Kollegen verstärkt. Die sollen allerdings auch ein von der Koalition und der Initiative „Energietisch“ geplantes Stadtwerk als kommunalen Energieversorger aufbauen – und müssten sich wohl zusätzlich um die Übernahme von Strom- und Gasnetz kümmern, sofern das Land laufende Ausschreibungen gewinnt.
Senator Müller will ein Gesetz für den Klimaschutz vorlegen
Noch in diesem Jahr will Müller den Entwurf eines „Energiewendegesetzes“ vorlegen, das als Basis für ein langfristiges Klimaschutzkonzept mit Etappenzielen dienen soll. Mit diesen Papieren kommt die Stunde der Wahrheit, denn bisher wurden mit jedem neuen Konzept immer wieder neue Arbeitsaufträge formuliert, aber kaum konkrete Vorhaben angepackt. Geschafft ist nach Auskunft der Verwaltung immerhin die damals angekündigte Bestandsaufnahme des hauseigenen Gebäudeportfolios. Doch damit ist zunächst nur das Problem umrissen. Die Lösung, die in Gestalt eines Finanzierungsplans angekündigt war, ist dagegen weiter nicht in Sicht.
Was alles zu tun ist, lässt der Senat zurzeit von Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) erarbeiten: in einer Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin 2050“. Im Grunde liegt ein solches Werk bereits seit dem Frühjahr vor – erstellt vom Umweltverband BUND, der es auch bezahlt hat. Das Rechenmodell zeigt, mit welchen Stellschrauben sich Energiebedarf und CO2-Ausstoß der Gebäude um die geforderten 80 Prozent reduzieren lassen: alle Öl- und Kohlenheizungen auf den Schrott, massiver Ausbau erneuerbarer Energieträger sowohl für die Heizungskeller als auch für die Fernwärme aus Kraftwerken, Neubauten nur nach strengsten Standards, Sanierung des Bestandes.
Der Ausstoß von Treibhausgas steigt in Berlin
Letzteres gilt als größter Einzelposten überhaupt. Welch enorme Rolle er spielt, zeigt die aktuellste verfügbare CO2-Bilanz des Statistikamtes: Im Jahr 2010 ist der Ausstoß des Treibhausgases in Berlin demnach um 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Hauptgrund war das kalte Winterwetter, das den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle in die Höhe trieb.
Der Trend zum klimafreundlicheren Berlin, der nach dem Mauerfall mit großen Fortschritten begonnen hatte, ist schon seit 2007 zum Stillstand gekommen.
Stefan Jacobs