Schwul-lesbisches Magazin in Berlin: Die "Siegessäule" wird 30
Das schwul-lesbische Stadtmagazin „Siegessäule“ feiert in Berlin-Tiergarten seinen 30. Geburtstag. Mit einer Ausstellung im Schwulen Museum - und natürlich Ades Zabel. In drei Jahrzehnten hat sich viel verändert in der Stadt, die Themen sind andere - aber nicht weniger relevant.
Wann er die erste Ausgabe der „Siegessäule“ in der Hand hielt, weiß er gar nicht mehr. Ist auch nicht so wichtig, fest steht: Er war auf jeden Fall „so ziemlich von Anfang an dabei“. Die Rede ist von Ades Zabel, heute bekannt als „Berliner Type“ in Rollen wie Edith Schröder, Hürriyet Lachmann oder Karin Hoene. Also solche tritt er im Quatsch Comedy Club in Mitte auf, und bald wieder mit seiner Weihnachtsshow „Wenn Ediths Glocken läuten Vol. 11“ im BKA-Theater in Kreuzberg.
Zabel ist fester Bestandteil des Berliner Stadtlebens, genau wie das Magazin „Siegessäule“, das sich selbst lange Zeit als „lesbisch-schwules Stadtmagazin“ bezeichnete. Zabel weiß viel zu erzählen. Deswegen führt er an diesem Herbsttag gemeinsam mit „Siegessäule“-Chefredakteurin Christina Reinthal durch die Ausstellung „30 Jahre Siegessäule“ im Schwulen Museum in Tiergarten. Reinthal leitet die Redaktion des heute kostenlosen Magazins zusammen mit Jan Noll.
Schon 1986 war Ades Zabel auf dem Titel der Siegessäule
Noch bis zum 23. November können Besucher durch die Hefte aus den vergangenen 30 Jahren blättern. Das Schwule Museum hat sie alle da: die schwarz-weiße Erstausgabe, die dicken Hefte der 2000er Jahre, die voll mit Telefonhotlines waren, und die aktuelle Novemberausgabe zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum. Bei dem einen oder anderen kommen beim Blättern viele Erinnerungen hoch, so wie bei Zabel. Die Bilder und Geschichten bringen ihn zum Erzählen.
Zabels persönliche Geschichte ist eng mit dem Heft verwoben. Bereits 1986 war er das erste Mal auf dem Titel des Blattes: ein dünner Mann, geschminkt, in Siegerpose. „So viele Achselhaare wie auf dem Bild habe ich doch gar nicht!“, sagt Zabel mit Blick auf das Foto und lacht. Als das Bild entstand, trat er noch mit der Gruppe „die Teufelsberger“ auf, so hieß sein Kabarettensemble damals. „Dass ich auf dem Cover gelandet bin, war eher Zufall“, erinnert er sich heute. Niemand hatte ihn gefragt. Aber „das Foto war Promo für unsere Show, irgendwie ist es in der Redaktion gelandet“. Natürlich habe er sich nicht beschwert, „denn schließlich konnten wir so unsere Bekanntheit steigern“.
Aids und HIV waren ein Thema, das Magazin klärte auf
Die erste Ausgabe der „Siegessäule“ erschien 1984. 1000 Exemplare lagen in den Bars, Cafés, und Clubs für Männer. Ein Heft kostete damals eine Mark und war 16 Seiten dick. Karl-Heinz Albers, heute noch bei der Berliner Schwulenberatung aktiv, hatte das Magazin gemeinsam mit zehn Mitstreitern gegründet. „Die ,Siegessäule‘ hatte eine wichtige Funktion“, sagt Chefredakteurin Reinthal. „Aids und HIV waren ein Thema, die ,Siegessäule‘ klärte über das Virus und die Krankheit auf.“
Eine der ersten Überschriften lautete 1984: „Aids heißt helfen“. Dass sich das Magazin in den Anfangsjahren vor allem an die Berliner Schwulen richtete, zeigt auch der Titel. An der Siegessäule war eine bekannte „Cruising-Area“. So nennen homosexuelle Männer Orte, an denen sie sich zum Sex treffen. „Außerdem erinnert der Name an das Phallussymbol“, sagt Reinthal, „und natürlich an Berlin.“
Fünf Jahre nach ihrer Gründung verschmolz die „Siegessäule“ mit dem Magazin „Rosa Flieder“ zu dem neu gegründeten, bundesweit erscheinenden Heft „Magnus“, benannt nach dem Schwulenaktivisten Magnus Hirschfeld. Die Liaison hielt jedoch nicht lange. Bald gab es wieder eine eigenständige Berlin-Beilage im „Magnus“, 1994 wurde die „Siegessäule“ wieder ganz eigenständig. Berlin war schon immer für seine Toleranz bekannt, ein Extraheft mit alternativen Veranstaltungstipps, Kontaktanzeigen, Dr.-Sommer-Tipps und Geschichten lohnte sich.
In den 90ern öffnete sich das Magazin für Frauen
Unter der Chefredakteurin Manuela Kay öffnete sich die „Siegessäule“ dann auch für das weibliche Geschlecht. Das reine Männermagazin wurde ein Blatt für „Schwule und Lesben“, wie es ab Mitte der 1990er dann auch im Untertitel hieß. Seit 2005 will die „Siegessäule“ eine noch größere Zielgruppe ansprechen und richtet sich an die „Queere Community“ in Berlin. Als „queer“ bezeichnen sich jene, die mit konventionellen Lebensentwürfen brechen wollen, Schubladendenken und Etiketten wie „schwul“, „lesbisch“, „hetero“ und „homo“ ablehnen.
Trotz der aktuellen Krise der gedruckten Zeitung hat das Magazin seine Auflage in den vergangenen 30 Jahren ständig erhöht. Die Jubiläumsausgabe wurde mit drei verschiedenen Titelfotos gedruckt. Ein Foto zeigt Ades Zabel, der 20 000 Mal zum Jubiläum in Berlin zum kostenlosen Mitnehmen auslag. Sechs Mal hat Zabel es in drei Jahrzehnten auf den Titel der Siegessäule geschafft, er hat Interviews gegeben und für seine Shows geworben. Unter anderem auch zu seinen Auftritten als Comedy-Duo „Edith und Hotte“ Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er. In diesem Duo trat er gemeinsam mit Olaf Wriedt auf, der später sein Lebensgefährte wurde. Wriedt verstarb im Jahr 2000 an den Folgen seiner Aids-Erkrankung. Zabels Reise durch die 30 Jahre „Siegessäule“ bringen auch Erinnerungen an diese Zeit zurück.
Seit ihrer Geburtsstunde hat die „Siegessäule“ weitere Generationen durch die Emanzipationsbewegung und die ganz persönlichen Coming-out-Geschichten begleitet. Chefredakteurin Reinthal: „Die Kämpfe, die wir gegenwärtig kämpfen, sind andere als früher.“ Trotzdem ist sie überzeugt, dass die „Siegessäule“ für die Sichtbarkeit von Minderheiten weiterhin gebraucht wird.
Das Schwule Museum zeigt noch bis zum 23. November die Ausstellung „30 Jahre Siegessäule“, jeden Sonnabend führen Prominente durch die Ausstellung. Schwules Museum, Lützowstraße 73, Tiergarten.
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