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Bonjour tristesse. Viele Berlins Schulen leiden unter Lehrermangel und veralteter Ausstattung.
© dpa/Maja Hitij

"Notmaßnahmen" der Bildungssenatorin: Die Reaktion auf Berlins Lehrermangel kommt zu spät

An Berlins Schulen fehlen Lehrer. Gegen einige der getroffenen Behelfslösungen kann keiner etwas haben - aber gegen den Zeitpunkt. Ein Kommentar.

Wer in ein paar Wochen in die großen Ferien aufbrechen will, hat sicherlich schon die eine oder andere Vorbereitung getroffen. Vertretung organisiert? Quartier gebucht? Alle Mitfahrer instruiert? Einen Nachbarn zur Katzenfütterung verdonnert? Das ABC des Urlaubs sozusagen.

Auch Berlins Bildungssenatorin hat die eine oder andere Vorbereitung zu treffen, bevor sie sich in die Ferien verabschieden kann. Ihr ABC ist schnell durchbuchstabiert: Da sich die Bezirke um das Quartier zu kümmern haben, sprich: die Schulgebäude, obliegt es der Senatorin in erster Linie, die Mitfahrer zusammenzutrommeln und die Nachbarschaft zu instruieren. Mit anderen Worten: Lehrer und sonstiges Personal zu beschaffen.

Inzwischen steht fest, dass ihr das nicht gelungen ist. Es gebe da einen „Gap“, räumte sie am Montag ein. Wobei sie in die englische Vokabel flüchtete, weil sie sich offenbar davor fürchtete, das deutsche Äquivalent „Lücke“ oder gar „Kluft“ in den Mund zu nehmen. Um dennoch jeden Zweifel daran auszuräumen, dass sie sozusagen reisefertig ist, präsentierte sie sogleich ein paar „Maßnahmen“, die größtenteils als einleuchtend gelten können: dass - hoffentlich geeignete - Hochschulabsolventen mit Bachelor das neue Berufsbild eines „Sprachlernassistenten“ ausfüllen können, beispielsweise. Oder dass Schulen offene Lehrerstellen durch Logopäden und Sozialarbeiter ersetzen können, was in Zeiten der Inklusion Sinn macht. Auch dagegen kann keiner etwas haben.

Reaktion kam zu spät

Wogegen man aber etwas haben kann, ist der Zeitpunkt, zu dem diese „Notmaßnahmen“ entschieden werden. Denn der Mangel war seit Langem bekannt. Schließlich war es die Senatorin selbst, die am Montag ganz nebenbei erwähnte, dass es schon vor drei Jahren eine Lücke von 300 Lehrern gab, die aber als solche nicht benannt, sondern den Schulen klammheimlich als sogenannte Unterausstattung zugeschrieben wurde. Angesichts der Tatsache, dass seither die Berliner Schülerzahl jährlich um Tausende anschwoll, ohne dass die Zahl der Lehrerabsolventen wuchs, muss sich die Senatorin fragen lassen, warum all das, was jetzt im letzten Moment verkündet wird, nicht längst auf den Weg gebracht wurde. Vor Jahren schon.

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Stattdessen hat sie den Fraktionen noch vor wenigen Monaten die personalintensive Entlastung der Quereinsteiger durchgehen lassen – eine Zusage, die sie nun wieder zurücknehmen musste. Oder hatte die Koalition das gar nicht mit ihr abgestimmt? Das wäre ein verstörendes Versäumnis. Und das ist dann das eigentlich Beunruhigende: dass da offenbar an wichtigen Stellen das Handwerkszeug fehlt, um Schulen solide organisieren zu können. Dass da auf Reserve gelebt wird, um im letzten Augenblick zu Notbehelfen wie dem Programm „Unterrichten statt Kellnern“ zu greifen.

Die Berliner FDP warnt vor einer „Bildungskatastrophe“, andere diagnostizieren bereits „Staatsversagen“. Dass solche martialischen Vokabeln fallen, ist die richtige Antwort darauf, dass die verantwortliche Senatorin ihrerseits in das verniedlichende Wörtchen „Gap“ flüchtet und damit doch auch den Verdacht nährt, sie habe den Ernst der Lage nicht verstanden oder wolle ihn vernebeln.

Um im Bild zu bleiben: Nebel ist ganz schlecht, wenn man auf Reisen gehen will. Nebel kann zu einer schlimmen Gefahr werden. Das haben auch die Koalitionsfraktionen inzwischen bemerkt und auf ihre Weise die Nebelleuchten eingeschaltet – mit seitenweisen Vorschlägen für eine nachhaltige Personalausstattung.

Offenbar trauen sie ihrer Senatorin nicht mehr zu, die Probleme allein zu lösen. Denn alle – außer der Senatorin selbst – scheinen zu wissen, dass es nicht mehr ist als ein Etappensieg, falls es dieses Jahr gelingt, mit allen Notmaßnahmen über die Runden zu kommen. Die Senatorin muss aufhören, personell im Dauerkrisenmodus zu planen. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der vergangenen Jahre sind noch nicht einmal nicht in den Berliner Schulen angekommen.

In Berlins Lehrerzimmern sind jede Menge Plätze frei.
In Berlins Lehrerzimmern sind jede Menge Plätze frei.
© Maurizio Gambarini/dpa

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