Verkehrsplanung in Berlin: Die "Radbahn" nimmt konkrete Formen an
Neun Kilometer durch Berlin: Das Projekt einer Fahrradstrecke unter dem Viadukt der U-Bahn-Linie 1 findet neue Unterstützer. Planer legen ein genaues Konzept vor.
Als ein paar Stadt- und Verkehrsplaner um den Finnen Martti Mela im November 2015 ihre Idee einer „Radbahn“ unter dem Viadukt der U 1 publik machten, war das ein Aha-Effekt. Dem folgten einige Oh-ohs, weil beispielsweise die Kreuzungen an Knoten wie Kotti und Görlitzer Bahnhof kaum organisierbar schienen, die Stützen des Viadukts zu eng stehen oder einfach die Zugänge der BVG im Weg sind.
In den eineinhalb Jahren seitdem haben die Macher ihre Idee zu einem detaillierten Konzept reifen lassen, das nicht nur die damaligen Einwände berücksichtigt, sondern auch wirtschaftliche und soziale Effekte des Vorhabens betrachtet. Am Dienstagabend stand die feierliche Präsentation des enorm aufwendig gestalteten, jetzt mehr als 130 Seiten umfassenden Konzepts an. Und anders als die zuvor vor allem auf Facebook beschränkte Fangemeinde geben sich diesmal für das Projekt wesentliche Unterstützer aus Politik und Wirtschaft zu erkennen.
So erklärt Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne), die Umsetzung sei nicht einfach, aber „es muss auch in Berlin möglich sein, verwegene Ideen zu diskutieren. Und verwegene Ideen haben Unterstützung verdient, um eine Chance auf Realisierung zu haben.“ Berlins oberster Tourismuswerber Burkhard Kieker sagt: „Die Idee der Radbahn passt ideal zu den Wünschen unserer Gäste und verschafft uns, als erste überdachte Radstrecke der Welt, eine Radlänge Vorsprung im Wettbewerb mit anderen radfreundlichen Destinationen.“ Und Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), lobt die Radbahn als „innovative Idee von kreativen Köpfen“, die durch Weiterentwicklung „zum Aushängeschild für einen smarten Wirtschaftsstandort Berlin werden“ und als Nebeneffekt dem Lieferverkehr mehr Platz auf der Straße verschaffen könne.
Für Kreuzungen gibt es verschiedene Varianten
Nach dem neuen Konzept soll die Route am Bahnhof Zoo starten und über den – zurzeit als Fußgängerzone ausgewiesenen – Breitscheidplatz auf den Mittelstreifen der Tauentzienstraße führen, der nach Angaben der Planer mit zwölf Metern breit genug für Radweg, Promenade und Grünstreifen wäre.
Nördlich um die U-Bahnhöfe Wittenberg- und Nollendorfplatz führt die Trasse unter das Viadukt der U 2. Die Autos könnten künftig parallel zur Fahrbahn parken – zwischen Fließverkehr und Radbahn. Und die Kreuzung mit der Potsdamer Straße sollen die Radfahrer schnurgerade queren, wie es anderswo die Straßenbahn tut. Auch für die anderen Kreuzungen entlang der Strecke haben die Planer verschiedene Varianten samt möglicher Ampelschaltungen entwickelt.
Durch den Park am Gleisdreieck führt die Route weiter zum Landwehrkanal und überquert ihn auf einer bestehenden oder einer neu zu bauenden Brücke vor dem Technikmuseum. Weiter geht es mangels Platz zwischen den Viaduktstützen parallel zur U-Bahn entlang der nördlichen Fahrbahn – vorbei am bisher nur imaginären „Möckernstrand“ und dem Halleschen Tor. Was dann folgt, heißt in der Planung „Nadelöhr“, soll aber mit drei Metern Abstand zwischen den U-Bahn-Stützen breit genug für die Radbahn sein. Da die Autostellplätze in der Mitte der Gitschiner Straße wegfallen müssten, haben die Planer vorsorglich die Parkhauskapazitäten der Umgebung erfasst und die Vorteile des überdachten Parkens aufgelistet.
Nachdem die Radbahn den Kotti innerhalb des Fahrbahnkreisels wiederum wie eine Straßenbahn durchquert hat, geht es nördlich parallel am Görlitzer Bahnhof entlang. Unter dem Viadukt ist erst ab dem Lausitzer Platz wieder genug Raum für den Radweg, der am Schlesischen Tor zur nördlichen Fahrbahn schwenkt und dann parallel zum Viadukt – statt bisher konfliktträchtig darunter – die Oberbaumbrücke nimmt und sein Ziel an der Warschauer Straße erreicht.
Die Radbahn soll eher den lokalen Verkehr abwickeln
An den Endstationen sind Fahrradverleihe und Stellplätze geplant, an den Bahnhöfen unterwegs stellen sich die Planer „Mobilitätshubs“ vor, an denen etwa Fahrräder in sicheren Boxen geparkt, Lastenräder bestückt und Packstationen installiert werden können. Außerdem sehen sie Platz für Reparaturstützpunkte und Cafés und berücksichtigen auch die Fußgänger. Wo weniger Platz ist als die Richtlinie für gegenläufige Radwege empfiehlt, wird seitlich ausgewichen – und damit ein Kritikpunkt der ursprünglichen Idee berücksichtigt.
Als Radschnellweg ist die Route nicht gedacht. Auf ihren neun Kilometern durch zumeist hoch verdichtetes Gebiet soll sie eher lokalen Verkehr abwickeln. Sinnvolle Anschlüsse an andere Radrouten sind aber berücksichtigt worden. Die neue Studie ist als Anregung für den Senat gemeint, die Machbarkeit der Strecke zu erklären. Auch die Kosten wurden berechnet: 13 bis 27 Millionen Euro sollen es sein – je nachdem, wie schick es wird.