Stadtentwicklung in Berlin-Kreuzberg: Fahrradpiste unter der U1 - wie finden Sie die Idee?
Architekten schlagen einen Schnellweg für Radler unter der Kreuzberger Hochbahntrasse vor. Der ADFC lobt die Idee, sieht aber die bauliche Umsetzung mit Skepsis.
Trockenen Hauptes durch Kreuzberg radeln, auf dem Weg vom Zoo zur Warschauer Straße einen „Coffee To Ride“ trinken, neun Kilometer mitten durch Berlin strampeln, ohne Autos und Fußgänger, vorbei an einem Vorhang aus Pflanzen ... Das will ein achtköpfiges Team aus Architekten und Städteplanern. Ihre Idee wurde für den Bundespreis ecodesign 2015 nominiert. Auf einer „Radbahn“ unter dem Hochbahn-Viadukt der U1 soll die wachsende Schar der Radfahrer die Stadt von Ost nach West durchqueren können. Das klingt nach teuren Investitionen und Baumaßnahmen.
Stimmt nicht, sagt Matthias Heskamp, selbst Radsportler und Teil des Radbahn-Teams, das das Konzept in seiner Freizeit entwickelt hat. Zusammen mit seinen Kollegen Kristin Karig und Perttu Ratilainen erklärt er, warum die Radbahn nicht teuer sein muss. „Berlin hat den Vorteil, dass es im Gegensatz zu Städten wie London noch viel freien Platz hat.“
Es ginge nur darum, ungenutzte Räume wie den unter der U-Bahn-Trasse umzuwandeln. In ihrem Konzept sprechen die Radbahner davon, dass lediglich 20 Prozent der gesamten Strecke grundsätzlich verändert werden müssen, 80 Prozent seien bereits jetzt befahrbar. Größere Baumaßnahmen wären etwa vor dem Bahnhof Möckernbrücke nötig.
Damit die Radler über den Landwehrkanal kommen, schlagen Heskamp und seine Kollegen vor, den Weg dort als hängende Fahrbahn unter der Brücke verlaufen zu lassen. Während der Bauarbeiten am Bahnhof Prinzenstraße gab es dort bereits eine ähnliche hängende Struktur.
Das Konzept sei schön auf Papier, koste aber Millionen
Bernd Zanke, Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) begrüßt die Idee, sagt aber auch: „Wir müssen das realistisch betrachten.“ Ihm fehlt in dem Vorschlag vor allem ein konkretes Budget. Er vermutet: „Das sind Millionen, die da in die Hand genommen werden müssen.“
Alle Ideen die geeignet sind, die Radfahrer vom Kraftverkehr zu separieren, sind vernünftig.
schreibt NutzerIn Lanarkon
Doch der weit größere Kritikpunkt sei die bauliche Umsetzung. Auf dem Entwurf sind einige Höhenunterschiede zu sehen, die Wege scheinen für einen zweispurigen Radverkehr sehr schmal. „Das Konzept ist schön auf dem Papier, aber das wird nie umgesetzt werden“, sagt Zanke. Er verweist stattdessen auf die seit Jahren geplanten Schutz- oder Fahrradstreifen, die neben der U-Bahn entlangführen sollen, aber aufgrund von Bauarbeiten der BVG nicht umgesetzt wurden. „Der Radverkehr nimmt zu. Es ist wichtig, dass die Ost-West-Achse angebunden wird“, sagt er.
"Es geht darum Räume zurückzuerobern"
Heskamp, Karig und Ratilainen nehmen die Kritik gelassen. Schließlich brauche es Visionen, um eine Stadt zu verändern. Das Konzept solle vor allem eine Initialzündung für eine Diskussion über Radinfrastruktur in Berlin sein. Dabei gehe es um mehr als um Radwege: Darum, „Räume in der Stadt zurückzuerobern“, sagt Karig. Und besonders im Hinblick auf die ökologischen Auswirkungen des Autoverkehrs in den Innenstädten müssten die Städte reagieren. „Wir müssen einen neuen Lebensstil rund ums Radfahren entwickeln“, sagt Heskamp. Deshalb finden sich in dem Konzept auch kleine Geschäfte und Treffpunkte am Rande der Radwege. Im Team sind selbst alle Radfahrer. „Wir denken vom Nutzerstandpunkt aus“, sagt Karig. „Und haben den Vorteil, dass wir noch innovativ und frisch an die Sache herangehen.“
Wer ein Auto fährt, sollte die volle Verantwortung eines Erwachsenen tragen.
schreibt NutzerIn Outside_Observer
Auf der Facebook-Seite der Gruppe hat sich schon eine rege Anhängerschaft gefunden. Doch die Radbahner wollen auch den Dialog mit den Institutionen suchen. Es gab bereits Gespräche mit Unternehmen, die auf Fahrradentwicklung spezialisiert sind, sowie mit dem Fahrradbeauftragten Berlins.
Fahrradwege groß zu denken hat aktuell Konjunktur: Wie berichtet wird auch diskutiert, die Trasse der früheren Stammbahn nach Potsdam zum Fahrradweg zu machen; dann könnte man ohne Autos und Fußgänger nach Potsdam radeln – aber nicht trockenen Hauptes.
Pascale Müller