Vier Jahre nach dem Volksentscheid: Die Opposition will die Berliner nochmal zum Tempelhofer Feld befragen
Sind die Berliner immer noch dagegen, das Tempelhofer Feld zu bebauen? FDP und CDU schlagen vor, die Wähler noch einmal zur Urne zu bitten.
Eigentlich war es ein eindeutiges Ergebnis, für das die Berliner im Mai 2014 gesorgt hatten: 64,3 Prozent stimmten in einem Volksentscheid für die Nichtbebauung des Tempelhofer Feldes. In allen zwölf Bezirken hatte der Antrag der Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ eine klare Mehrheit gefunden. Doch nun, gut vier Jahre später, sprechen sich immer mehr Politiker dafür aus, das Ergebnis überprüfen zu lassen.
„Es scheint allgemein ein Gefühl zu herrschen, den Volksentscheid nach fünf Jahren überprüfen lassen zu wollen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Stefan Evers. Zuvor hatten sich bereits Politiker von SPD und FDP für eine Randbebauung des Feldes ausgesprochen. Die FDP möchte ein Referendum abhalten, also eine von der Regierung oder dem Parlament initiierte Volksbefragung. So etwas ist in Berlin aber derzeit gesetzlich nicht verankert. Evers arbeitet gerade an einem Antrag, der zu einer Änderung im Abstimmungsgesetz führen soll. Er prüft auch, ob eine Verfassungsänderung nötig wäre. Der Antrag soll auf dem Landesparteitag der CDU am 13. Oktober diskutiert werden. Evers Idee: Volksentscheide sollen künftig mit vom Parlament initiierten Volksbefragungen überprüft werden können. „Dieses Instrument darf nicht zu jeder beliebigen Frage benutzt werden“, sagt Evers. Ihm schwebt vor, dass nach einem Volksentscheid fünf Jahre vergangen sein müssen und es für eine Volksbefragung eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament braucht.
Diese Stadt muss aufhören, wie ein Dorf zu denken und sich endlich trauen, Metropole zu sein - inklusive Vorstädten, Hochhäusern und riesiger Tempelhofer Freiheit.
schreibt NutzerIn Seriamente
Volksentscheide sind gleichwertig mit Parlamentsbeschlüssen. Ein Volksentscheid-Gesetz könnte also auch mit einem Gesetz aus dem Abgeordnetenhaus revidiert werden. Evers will wegen der „besonderen Sensibilität“ aber eine zusätzliche Legitimation. „Es ärgert mich sehr, dass der Regierende bereits zum zweiten Mal das Votum eines Volksentscheids ignorieren will“, sagte Evers. Gemeint sind die Entscheide zum Tempelhofer Feld und zum Flughafen Tegel.
Aufgekommen war die erneute Debatte durch eine Äußerung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) bei einer IHK-Veranstaltung in der vergangenen Woche. Dort hatte er angekündigt, eine Randbebauung in der kommenden Wahlperiode neu zu diskutieren. Nur zwei Tage später verabschiedete der SPD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf einen Antrag, der eine Randbebauung mit mindestens 50 Prozent Sozialwohnungen fordert. „Wir brauchen mehr Wohnraum in der gesamten Stadt, Verdichtung darf nicht nur in den Außenbezirken stattfinden“, hatte der stellvertretende Kreisvorsitzende Sven Kohlmeier, der auch im Abgeordnetenhaus sitzt, gesagt. Der Antrag soll auf dem Landesparteitag im November diskutiert werden.
Nach Tagesspiegel-Informationen wusste Müller beim IHK-Abend bereits vom Marzahner Antrag. Für den Regierenden ist Tempelhof eine alte Wunde: 2014 hatte der Volksentscheid die Baupläne gestoppt, für die er als Stadtentwicklungssenator verantwortlich war. Aufgegeben hat Müller die Randbebauung aber nicht. Man habe damals zu viel gewollt, sagte er vor Kurzem bei einer Grundsteinlegung in der Europacity. Die FDP will bei dem von ihr geforderten Referendum zum Tempelhofer Feld nicht selbst aktiv werden. „Wir werden jetzt keine Unterschriften sammeln“, sagte der Berliner FDP-Chef Christoph Meyer am Mittwoch. Müller müsse seinen Worten jetzt Taten folgen lassen. Also sollte der Senat die Voraussetzungen für ein Referendum schaffen. Das hat Müller indirekt schon abgelehnt. Das Thema Tempelhof „fasst jetzt keiner an“, sagt er. Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün steht zudem: „Die Bebauung des Tempelhofer Feldes wird ausgeschlossen.“
2014 hatten sich Grüne und Linke der Initiative gegen die Baupläne angeschlossen. Die Grünen votierten für die Freihaltung, um den „einmaligen Charakter des Feldes“ zu bewahren und das Stadtklima zu schützen, aber auch, um der damaligen rot-schwarzen Koalition einen Denkzettel zu verpassen. Die Linken lehnten die Pläne ab, weil Bauflächen an private Bauträger verkauft werden sollten. Dem Bau städtischer Sozialwohnungen hätte man sich kaum verschlossen. Von einem „Moratorium“ war die Rede. Man müsse sich Zeit nehmen für die Entwicklung des Feldes.
Inzwischen scheinen Grüne und Linke das Feld aber nicht mehr preisgeben zu wollen. „Das Tempelhofer Feld ist der größte Schatz Berlins. Wer den plündern will, hat mich als Gegnerin“, sagt die Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek. Und Michael Efler, Demokratieexperte der Linken, glaubt, dass sich seine Partei im Falle einer neuen Abstimmung gegen eine Randbebauung aussprechen würde. Das Volksentscheid-Gesetz sollte jedenfalls nicht vom Parlament aufgehoben werden. Das fände auch Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister von Neukölln, „unklug“. Aber auch ein „überstürztes Referendum“, wäre falsch. Hikel, der persönlich eine Bebauung für nötig hält, möchte das Feld „mit breiter Beteiligung der Bevölkerung“ entwickeln.
Felix Hackenbruch, Thomas Loy