Berliner Stadtschloss: Die Menschen hinter dem Schloss
Heute wird der Grundstein für das größte Kulturprojekt der Bundesrepublik gelegt. Aber wer verantwortet eigentlich das Humboldt-Forum? Wir stellen sieben Macher und ihre Aufgaben vor - mit denen sie spektakulär scheitern – oder in die Geschichte eingehen können.
Die „Weiße Frau“, erschien erstmals im Januar 1598 im Berliner Stadtschloss. Acht Tage nach dieser gespenstischen Begegnung starb Kurfürst Johann Georg. Der Hohenzollerngeist schaute immer mal wieder in die Gemächer, zuletzt angeblich 1940. Die Bombentreffer, der Schlossbrand und schließlich die Sprengung dürften der Weißen Frau nachhaltig die Lust am Spuken verdorben haben. Bis jetzt. Denn sieben Herren arbeiten seit Jahren intensiv daran, dem Berliner Schlossgespenst eine neue Wirkungsstätte zu verleihen. Der Kellerboden ist bereits gegossen – am Mittwoch wird der Grundstein gelegt für das Humboldt-Forum in der rekonstruierten Barockhülle der ehemaligen Hohenzollernresidenz. Bundespräsident Joachim Gauck wird zum Hammer greifen, die Kanzlerin hat andere Termine.
Jahrhundertelang war das Stadtschloss, der Wintersitz der Hohenzollernkönige, ein Prunkbau zur Einschüchterung der Untertanen, zugleich ein steinerner Machtanspruch gegenüber den europäischen Regenten. Künftig wird diese Geschichte nur noch durch die drei historisch nachgebildeten Fassaden zitiert – die Ostfassade ist modern gestaltet und der Bau ist den Weltkulturen gewidmet, offen für alle.
Museum war das Stadtschloss schon einmal, nach der Abdankung des letzten Kaisers 1918. Künftig soll das ethnologische Museum ins Humboldt-Forum einziehen, um seine Kulturschätze aus den einstigen Kolonien des deutschen Kaiserreichs zu präsentieren. Asien und Afrika liegen künftig in Berlins Mitte.
Vom alten Schloss bleiben im Neubau nur ein paar Sandsteinblöcke und alte Kellergewölbe erhalten. Dass die Weiße Frau zurückkehrt, darf dennoch bezweifelt werden. Gemächer mit königlichen Bettgestellen gehören nicht zur Ausstattung. Und die sieben Schlossherren wohnen auch woanders.
Lesen Sie auf den nachfolgenden Seiten Porträts der Beteiligten am Berliner Stadtschloss.
Peter Ramsauer - der Auftraggeber
Dass Bayern nicht gut auf die Preußen zu sprechen sind, lässt Bundesbauminister Peter Ramsauer so nicht gelten: Genüsslich erinnert er bei der Besichtigung der Schlossbaustelle an die frühere Geldnot des bayerischen Königs Ludwig Maximilian, dem Bismarck und der Deutsche Kaiser zur Seite sprangen beim Bau von Schloss Herrenchiemsee. Das war „in meinem Wahlbezirk“ betont der CSU-Politiker amüsiert, und so leitet der Bayerische Regent im Bauministerium augenzwinkernd eine „historische Verantwortung“ für das Berliner Schloss ab, aus diesem früheren, gleichsam vorweggenommenen Länderfinanzausgleich. Damit straft Ramsauer zugleich alle Auguren Lügen, die beim Dienstantritt des „ethnisch nicht Berliner Bauministers“, ihm Ramsauer, die Streichung des Berliner Schlossbaus zugetraut hatten. Wie man heute weiß, kam es anders.
Ramsauer hielt sich an den Beschluss des Bundestages für den Bau des Schlosses in Berlin und ist selbst immer wieder gerne Gast am Schlossplatz, um den Fortgang der Arbeiten zu beobachten. So gelöst wie dort erlebt man den schon mal kantig wirkenden Bauminister eher selten. Dabei sind klare Bekenntnisse für das größte Kulturprojekt des Bundes in der Politik eher selten. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Grundsteinlegung fernbleibt, wird in Kreisen der Schlossgegner als Beleg für das missliebige Projekt gewertet. Dabei dürfte Merkels Antrieb eher Rücksicht auf ostdeutsche Befindlichkeiten sein, da der Abriss des Palastes der Republik als Erniedrigung angesehen wurde. Ramsauer dagegen freut sich, dass die Kosten und der Zeitplan beim Schlossbau bislang im Ruder blieben. Zumal einer wie er durchaus die Reißleine zieht, wenn’s drauf ankommt, wie im Fall des Besucherzentrums für den Reichstag geschehen. Denn nicht alles läuft unter der Regie des 59-Jährigen glatt – das zeigt die Pannenbaustelle BER.
Wilhelm von Boddien - der Schlosswerber
Wilhelm Dietrich Gotthard Hans Oskar von Boddien ist von adliger Geburt, preußischer Adel. Pragmatismus und Idealismus liegen den Preußen seit Friedrich dem Großen im Blut. Das Stadtschloss wiederaufzubauen, war viele Jahre lang nur ein privates Steckenpferd des 71-jährigen Hamburgers Boddien, erst nach der Wende bekam diese verrückte Idee eine realistische Chance. Als 1993 das große Illusionstheater mit der Schlossfassade aus Kunststoff gelang, ahnte Boddien, dass der romantisch gestimmte Durchschnittsteutone seine Vision teilen würde.
Dabei hatte der Adlige nicht immer Erfolg. Als oberster Stadtwerber von „Partner für Berlin“ hielt er nur zwei Jahre durch. 2004 ging seine Landmaschinenfirma pleite. Doch Boddiens Optimismus blieb unbeschadet. Die Kritiker bissen sich daran die Zähne aus. Zu wenig Spenden? Das werde erst richtig losgehen, wenn was zu sehen ist, kontert Boddien. Die Mäkelei der Schlossgegner verbucht er unter dem Rubrum: Mentale Schwächen. Was sie, die Deutschen, ihm zu verdanken haben, werden sie erst viel später erkennen, glaubt Boddien. Schon jetzt kann der Hamburger als erfolgreichster Schlosspromoter des Jahrhunderts gelten.
Franco Stella - der Schlossbaumeister
Seinen 70. Geburtstag hat Francesco, genannt Franco, Stella vor wenigen Wochen gefeiert und man kann sagen, dass der Schlossarchitekt nun auf dem Höhepunkt seines Schaffens angekommen ist. Dabei deutete in den sechs Jahrzehnten seines Wirkens nichts darauf hin, dass der im dörflichen Thiene in der italienischen Provinz Vicenza geborene Francesco einmal das größte kulturpolitische Bauprojekt der Bundesrepublik Deutschland entwerfen würde. Ein paar Schulen, eine Villa in seinem Geburtsort, ein einzelnes Fabrikgebäude und Wettbewerbsbeteiligungen führen die Biografen des Architekturprofessors aus Genua als Referenzen auf. Aber gerade das, nämlich das Fehlen einer unverwechselbaren Handschrift sowie ein eher schmales Œuvre, könnten Stella besondere Qualifikationen sein: Die Auftraggeber hatten schließlich ein nach historischen Plänen nachzubildendes Bauwerk bestellt.
Eine der vier Fassaden, immerhin, wird der Dozent – der in einem Englisch, das von der italienischen Diktion gedehnt ist, begeistert die Baugeschichte des Barock auffächert, wenn er von seiner Bauaufgabe schwärmt – selbst gestalten. Ein freundlicher, etwas gehetzt wirkender Herr, „ein echter Künstler“, wie hinter vorgehaltener Hand einer der erfahrenen Bauingenieure und Architekten sagt, die ihm bei dem Großprojekt zur Hand gehen.
Manfred Rettig - der Schlossmacher
Diese eine Nacht hat er dann doch schlecht geschlafen, vor der großen Prüfung. Wegen der bangen Frage: Ob der Keller des Humboldt-Forums auch wirklich dicht ist? Ein Schloss zu bauen auf einer Insel in der Spree, wo in der Nachbarschaft Großprojekte wie die Staatsoper in Kosten- und Terminchaos versinken, das lässt nicht mal einen wie ihn kalt: Manfred Rettig, in den 1990er Jahren Manager des Regierungsumzugs von Bonn nach Berlin samt Neubau eines Dutzends Ministerien – und nun eben: Schlossbauherr. Dass der Schlosskeller den Test bestand, verwundert nicht wirklich, denn der gelernte Architekt überlässt nichts dem Zufall.
Den Erdboden unter dem Schloss hat er durchlöchern lassen wie einen Schweizer Käse, um die Grundpfeiler sicher zu verankern. Und für die täglichen Baustellenbesuche steigt der 57-Jährige mit anthrazitfarbenem Anzug in knallgelbe Gummistiefel – seitdem Dauerregen, märkischer Sand und Zementstaub schon ein paar Lederschuhe zersetzt haben. Und wie begegnet der Rheinländer den Zweiflern, die nur auf eine Panne am Schlossplatz warten? Mit einem verschmitzten Lächeln, das Freude an der Herausforderung verrät – und Zuversicht, das Großprojekt stemmen zu können.
Martin Heller - der Kultur-Chef
Für Kontroversen ist einer wie Martin Heller immer gut. Der Koordinator für das Kulturprogramm des Humboldt- Forums hatte in der österreichischen Stadt Linz, als diese den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ trug, einen Sturm der Entrüstung bei heimatverliebten Österreichern ausgelöst – indem er an Bundesstraßen Ortsschilder in exotischen Sprachen montierte. Wird Heller auch am Schlossplatz provozieren? „Provokation um ihrer selbst willen“, nennt Heller „blöde“.
Der Kulturmanager sagt aber auch, dass das Humboldt-Forum seinen Besuchern „nicht die herkömmlichen Lesarten“ der Kulturgeschichte anbieten werde, sondern eben mit dem „Fremden“ als Motiv spielen wolle. Es gelte eine Atmosphäre zu schaffen, „in der Überraschendes möglich wird“. Die teils heftigen Anfeindungen der laut Kritikern unzeitgemäßen barocken Fassade und ihres „aufgeblasenen Inhalts“ wie es unter kulturaffinen Zeitgenossen heißt, kontert Heller so: „Die meisten lieben eindeutige Situationen.“ Dadurch seien Dinge leichter zu erfassen. Er bevorzuge die Mehrdeutigkeit, die beim Humboldt-Forum allein schon aus der Spannung der barocken Fassade und der zeitgenössischen Nutzung im Inneren entstehe.
Carlo Wloch - der Bildhauer
Seinen eigenen Charakterkopf in Stein zu meißeln, ist Carlo Wloch noch nicht eingefallen. Der 65-Jährige lebt für die Kunst anderer, vor allem der preußischen Bildhauer, die dem Stadtschloss seine Prägung gaben. Seit rund zwölf Jahren arbeitet der Steinmetzmeister an Sandsteinskulpturen für die rekonstruierte Schlossfassade. Zunächst im eigenen Atelier, dann in der Schlossbauhütte in Spandau.
Wloch hatte dem Schlossförderer Wilhelm von Boddien Ende der 90er Jahre seine Dienste angetragen. Alte Originalfundstücke des Stadtschlosses dienten als Vorlage für die Bildhauerarbeiten. Wloch war viele Jahre lang Lehrlingswart der Steinmetzinnung und beauftragte seine Schüler mit Gesellen- und Meisterstücken für die neue Schlossfassade.
Der Pankower Carlo Wloch lernte einst in der Werkstatt seines Vaters, ließ sich zum Meister ausbilden und erwarb ein Diplom in der Kunst der Restaurierung. Bei vielen Berliner und Potsdamer Baudenkmälern hatte er seine Finger im Spiel: Zeughaus, Staatsbibliothek, Deutscher und Französischer Dom, Sanssouci. Das Schlossprojekt ist wahrscheinlich die Krönung seiner Karriere.
Peter R. Fuchs - der Ausgräber
Eigentlich ist Peru sein bevorzugtes Grabungsland. Da hat die Archäologie noch richtige Tempel zu bieten. Aber ein Berliner wie Peter R. Fuchs weiß, was er der Stadt schuldig ist. Und so grub sich der „Referent Mittelalter/Neuzeit“ des Landesdenkmalamtes jahrelang durch die recht unspektakulären Kellergewölbe des Stadtschlosses. Zutage kamen neben allerlei Fragmenten aus dem Bauschutt des gesprengten Schlosses ein Barockkellergang mit Original-Sprenglöchern und ein italienisches Wandgrab, das dem Stadtschloss-Museum vor dem Krieg geschenkt worden war. Die Kellergewölbe sollen im Neubau durch ein „archäologisches Fenster“sichtbar gemacht werden.
Die Grabungen auf dem Schlossplatz begannen bereits in den 90er Jahren. Damals legte Fuchs die Fundamente des ehemaligen Dominikanerklosters frei, das einst neben dem Schloss stand. Beim Bau des Palastes der Republik war ein Großteil der älteren Kellergewölbe abgeräumt worden, zudem verlegte man eine Fernwärmeleitung. So blieb wenig vom alten Schloss übrig. Peter R. Fuchs ist inzwischen pensioniert und geht wieder seiner peruanischen Leidenschaft nach. Den Wiederaufbau des Schlosses verfolgt er eher kritisch.