Berlin feiert 25 Jahre Mauerfall: Botschaft der Ballons
Riesenparty, internationales Happening, das kann Berlin. Doch zur großen Feier gehört in diesem Jahr auch ein banger Blick nach Osten. Ein Kommentar
Als Nena ihre „99 Luftballons“ aufsteigen ließ, war der Himmel noch geteilt. Man führte damals die sogenannte Nachrüstungsdebatte, die Friedensbewegung war auf ihrem Höhepunkt und das fröhlich plärrende Lied spiegelte eine diffuse Angst vor Weltkrieg und nuklearer Verwüstung. So wie sie jetzt wieder nicht wenige Menschen umtreibt, weil sie dem russischen Präsidenten Putin alles zutrauen. Auch eine Aggression, worauf die Nato militärisch antworten müsste.
Nenas Welthit flog 1983 nach ganz oben, bis in die US-Charts. Eine Stimme – naiv, aber sexy – aus der Frontstadt. Sechs Jahre später war die Mauer gekippt und mit ihr ein politisches System, eine komplette Epoche. Friedlich. Ein Umsturz ohne Blutvergießen: Das ist die wertvollste Erinnerung an die Dinge, die am 9. November 1989 ihren Lauf nahmen. Für die Bürger der DDR, und für viele im Westen, begann ein neues Leben, das auch viele Enttäuschungen und Verletzungen bereithalten sollte.
25 Jahre Mauerfall: Der Berliner Senat plant zu diesem Jubiläum eine Riesenfeier am Brandenburger Tor mit Daniel Barenboim, Staatskapelle und Beethovens „Ode an die Freude“. Und er errichtet für drei Tage eine „Lichtgrenze“. Sie markiert auf einer Länge von 15 Kilometern den Verlauf der Mauer mit Großleinwänden, Infoständen, Aussichtstürmen und Volksfest.
Berlin hat allen Grund, das vergangene Vierteljahrhundert zu feiern
Vor allem aber werden den Berlinern und ihren Besuchern die 8000 strahlend weißen Luftballons ins Auge fallen, die sich dann auf dem ehemaligen Mauerstreifen durch die Stadt ziehen. Am Abend des 9. November sollen sie aufsteigen. Ein Symbol des Friedens, der überwundenen Konfrontation.
Riesenparty, internationales Happening, das kann Berlin. Nachhaltige Entwicklung, das Dauerhafte überhaupt will nicht recht passen zum Charakter dieser Stadt und ihrer Geschichte. So stand auch die Todesmauer nicht so ewig, wie ihre Erbauer schwadroniert hatten. Längst ist das Monster aus dem Stadtbild verschwunden oder dort, wo noch Reste blieben, wie am Ostbahnhof, zum lustig-bunten Touri-Treff geworden.
Doch wie bitter ist es, wenn anno 2014 in der Ukraine über einen Schutzwall zu Russland nachgedacht wird und Russland wegen drohender Sanktionen westlichen Maschinen das Überflugsrecht verweigern will. Geschichte wiederholt sich nicht, sie erfindet nur immer wieder neue, schreckliche Variationen bestimmter Grundmuster. Wer 1989 geglaubt hat, dass der Zerfall des Sowjetreichs folgenlos bleiben würde für Europa und den Rest der Welt, sieht sich getäuscht. Der Kalte Krieg schiebt sich wieder ins Bewusstsein. Und damit die berühmten Bilder vom Checkpoint Charlie, wo sich im Oktober 1961 russische und amerikanische Panzer gegenüberstanden. Im August jenes Jahres hatte der Bau der Mauer begonnen.
Berlin hat allen Grund, das seit dem 9. November 1989 vergangene Vierteljahrhundert zu feiern. Mit bangem Blick nach Osten: Nicht viel spricht dafür, dass der Krieg in der Ukraine bis dahin beendet sein könnte – und dass es bei diesem Schauplatz im ehemaligen sowjetischen Imperium bleibt.
Wenn die „Lichtgrenze“ aufgehoben wird und tausende Ballons auf die Reise gehen, dann nehmen sie Wünsche und Botschaften mit. Ein schöner Gedanke, der hoffentlich nicht zur hilflosen Geste gefriert.