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Insel im Lärm oder lärmende Insel? Die Begegnungszonen haben nicht nur Freunde, sollen aber ausgeweitet werden.
© Kitty Kleist-Heinrich

Begegnungszonen: Die Leute sitzen auf der Straße

Es ist zu laut, die Anwohner sind genervt: Begegnungszonen sollen besser werden – und mehr, zumindest testweise.

Alle sollen sich auf der Straße begegnen: Eltern mit Kinderwagen, Lieferanten auf dem Fahrrad, Fußgänger, Autofahrer, Menschen bei einem gemütlichen Feierabendgetränk. Das ist zumindest das Konzept der Begegnungszonen, die 2015 in der Schöneberger Maaßenstraße und 2018 in der Kreuzberger Bergmannstraße eingerichtet wurden. Zwei Anwohnerinnen im Bergmannkiez protestierten aber mit Plakaten: Sie seien „nur noch genervt (...) von den nächtlichen Partyleuten und Gesprächsrunden“.

Dabei gehe es doch gerade darum, Berlin „menschenfreundlicher“ zu gestalten und Begegnungen „besser zu ermöglichen“, wie Verkehrssenatorin Regine Günther zur Begegnungszone Bergmannstraße sagte. Seit März stehen dort zwei „Parklets“, die auf dem Raum von je zwei Parkplätzen Sitzmöglichkeiten und Tische für Fußgänger bieten. Zwischen 9. April und 11. Mai wurden bei einer Befragung Eindrücke und Erfahrungen gesammelt, insgesamt nahmen 646 Personen daran teil. Fast der Hälfte (47 Prozent) gefielen die Parklets nicht, der Rest teilt sich auf zwischen 30 Prozent, denen sie „sehr gut“ gefallen, 16 Prozent finden sie „gut“ und sieben Prozent „ausreichend“. Zumeist wünschen sich die Befragten mehr grün in die Bergmannstraße, mehr Sauberkeit und eine generelle Verkehrsberuhigung.

In die Bergmannstraße kommen neue Möbel

Am Donnerstagabend sollte ein neues Konzept vorgestellt werden, das ab dem 8. Oktober umgesetzt wird und bis November 2019 testweise in der Bergmannstraße bleiben soll. Insgesamt werden 19 neue Aufenthaltsmodule aufgestellt, die ganz unterschiedlich gestaltet werden sollen. Mancherorts stehen nur einige Sitzblöcke, an anderer Stelle gibt es Bänke mit Tischen zum Picknicken. Eine sogenannte „Dunkel-Ampel“, die nur auf Anforderung aktiv wird, soll das Überqueren sicherer machen und wird durch Querungsbereiche mit Leitstreifen unterstützt. Ladezonen sollen ausgewiesen und zusätzliche Abstellanlagen für Fahrräder aufgestellt werden. Zunächst sind temporäre Umgestaltungen zwischen den Einmündungen Am Tempelhofer Berg und Zossener Straße geplant. Während der einjährigen Testphase sollen Infostände, Fachspaziergänge und weitere Aktionen die Bürger über die Module informieren und in der Weiterentwicklung beteiligen. Alle Elemente sind temporär und reversibel.

So sieht es jetzt aus...
So sieht es jetzt aus...
© A24/promo

Mit dieser großen Vorsicht soll eine generelle Ablehnung vermieden werden, wie sie die Begegnungszone Maaßenstraße erfuhr. Im Oktober 2015 wurde die Straße in eine verschwenkte Autospur und in einen Bereich für Fußgänger mit Sitzbänken aufgeteilt. Nutzer kritisierten, die Straße sei ein „Weder Noch“, die Sitzbereiche würden von der Straße nicht klar genug getrennt, befand das Landschaftsarchitekturbüro A24 abschließend in seiner Untersuchung der Aufenthaltsqualität. Am Donnerstag vergangener Woche stellten die Architekten zwei neue Varianten vor. Man solle diese aber nicht „mit einem umsetzungsreifen Entwurf“ verwechseln, sagt Ordnungsstadträtin Christiane Heiß (Grüne). 

Auch in Schöneberg wird nochmal umgestaltet

Bei der ersten Variante „Verschwenkung“ verläuft die Autospur zuerst an der linken Seite der Straße und wird nach der Kreuzung Nollendorfstraße auf die rechte Straßenseite geleitet. Bei der Version „Boulevard“ geht die Autospur durch die Mitte der Straße und wird beidseitig von einem breiten Streifen für Fußgänger begrenzt, mit Bäumen und Sitzmöglichkeiten. Bei beiden Varianten würde auch die Umgestaltung des Nollendorfplatzes, die in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg beschlossen wurde, mitberücksichtigt. Die Evaluierung habe außerdem ergeben, dass seit Bestehen der Begegnungszone in der Maaßenstraße durchschnittlich langsamer gefahren werde, dafür sorgt auch die Verschwenkung. Der Verkehr sei für Anwohner und Fußgänger eindeutig besser geworden, sagte die Ordnungsstadträtin. Es gebe dreißig Prozent mehr Fußverkehr.

... und so könnte eine Begegnungszone künftig aussehen.
... und so könnte eine Begegnungszone künftig aussehen.
© A24 / promo

Mit den neuen Plänen soll der Verkehr weiter reduziert werden, die Sitzelemente sollen schicker und die Straße mit Pflanzenkübeln grüner werden. Die Querungsmöglichkeiten sollen für behinderte Menschen sicherer gemacht werden, Lieferzonen ausgewiesen und Falschparker durch Parkraumbewirtschaftung abgeschreckt werden. Die Umgestaltung ist für das zweite Halbjahr 2019 angedacht. Die Kritik darüber, was Menschen machen, wenn sie sich in diesen Zonen begegnen, ist offenbar bezirksübergreifend: Die Teilnehmer an der Diskussion in Schöneberg hätten Punkte wie „mangelnde Regeltreue“ und Hygiene kritisiert. Heiß sagt, dass diese mit der Begegnungszone nur „mittelbar“ zu tun hätten.

Judith Langowski

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