Corona-Frühjahr in Berlin: Die Gartencenter sind zu – wie Hobbygärtner schon loslegen können
Es ist Zeit, Primeln und Hornveilchen zu pflanzen. Doch die Gärtnereien sind pandemiebedingt geschlossen. Dennoch gibt es schon ein bisschen was zu tun – auch in Balkonien.
Die Schneeglöckchen sind am Start. Ein paar haben ihre Köpfe durch die letzte verbliebene weiße Frostinsel geschoben. Sind schon kleine Teufelskerle, machen sich ihre eigene warme Stelle im noch kalten Boden. Biowärme nennt sich das Phänomen, zehn Grad sind für ein Spitzenschneeglöckchen machbar.
Zum Glück, denn während das Wetter einen ja schon verführen könnte, den Grill aufzubauen, ist für Gärtner und Gärtnerinnen da draußen noch nicht so viel los. Und das hat zwei Gründe. Der eine ist die Bodenkälte. Trotzdem gibt es natürlich ein bisschen was zu tun, auch in Balkonien, dazu gleich mehr.
Der andere, wie könnte es anders sein, der heißt Corona. Pandemiebedingt sind die Gartencenter nämlich noch geschlossen, weshalb der Nachschub ins Stocken gerät, gerade jetzt, wo Hobbygärtner und Gärtnerinnen bei steigenden Temperaturen einen hohen Puls kriegen. Und Marcus Pluta mit den Zähnen knirscht, wann immer er einen Supermarkt betritt.
Pluta ist Gärtner in vierter Generation, der gleichnamige Familienbetrieb in Dahlem ist seit 1892 in und bei Berlin ansässig. Seitdem gab es immer mal wieder ein schwieriges Jahr und 2021 könnte wieder eines werden. Denn jetzt ist Primelzeit, haben sie normalerweise Hornveilchen im Angebot und natürlich Stiefmütterchen, jetzt wird ihnen die Ware aus den Händen gerissen, aber Pluta hat keine, wozu auch, sein Laden ist zu.
Das große Geschäft machen die Supermärkte
Er hat gar nicht geordert, das mit dem Bestellen und Abholen ist für die leicht verderbliche Ware einfach zu unsicher, auch wenn er den Eindruck hat, dass jeder Blumenladen gerade versucht, mit einem Tapetentisch vor der Tür irgendwie über die Runden zu kommen. Das große Geschäft aber machen die Supermärkte, die dürfen, die stellen alles vor die Tür, was blüht.
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Pluta aber muss sich damit begnügen Erde einzukaufen, Töpfe und Sämereien, Dinge also, die immer gehen, auch wenn die Öffnung noch ein wenig dauern wird. Er hofft auf den 8. März, besser wäre natürlich so schnell wie möglich. Denn aus dem Stand kriegt er ja auch keine Ware.
Die kommt normalerweise von Großsortimentern im Umland, aus dem Rosengut Langerwisch bei Michendorf zum Beispiel. 50.000 Artikel haben sie dort auf 5000 Quadratmetern auf Lager. Aber auch dort stockt der Absatz.
Die Einkäufer der Supermärkte fänden doch vor Lachen keinen Schlaf
Weshalb Rosengut-Geschäftsführerin Kati Bräutigam mit hörbarer Bitterkeit in der Stimme sagt, die Einkäufer der großen Supermärkte, die fänden doch vor Lachen gerade gar keinen Schlaf. So billig seien sie noch nie an Ware gekommen. Im Rosengut aber haben sie die Orchideen an Senioreneinrichtungen gespendet, fangen sie an, die Primeln und die Hornveilchen zu kompostieren, denn die Ware muss raus, das Frühjahr ist dort schon so gut wie gelaufen.
Das Sommersortiment, die Geranien zum Beispiel, die brauchen den Platz im Gewächshaus, damit sie im April groß genug für den Verkauf sind.
Das Rosengut ist einer der Großen in Brandenburg, verkauft drei Millionen Zierpflanzen im Jahr. Jetzt, Ende Februar, kämen normalerweise 250 bis 300 Kunden am Tag. Drei bis fünf sind es derzeit, die online per Kontaktformular bestellen und zum Abholen kommen.
Sie hatten schon angefangen, bei den Stiefmütterchen die ersten Blüten rauszuzupfen, kommt ja dann noch eine, aber lange lässt sich das nicht mehr rauszögern, dann müssen die Pflanzen weg, am Ende auf den Kompost.
Natürlich findet sie die Aufrüstung des Lebensmittelhandels mit Gartenbauprodukten, die billigst irgendwo eingekauft werden, ungerecht. Natürlich sagt ihre Kollegin Sylvia Schießer vom Gartenbauverband Berlin-Brandenburg, dass die meisten Gärtnereien und Gartencenter mehr Platz und Raumhöhe pro Kunde haben, als der Supermarkt an der Ecke.
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Hat alles nichts genutzt, obwohl doch Pflanzen und Blumen unbestritten zum Wohlgefühl beitragen und damit systemrelevant sind. Irgendwie ging die Öffnungsdiskussion an ihnen vorbei. Irgendwie müssten sie vielleicht über Aktionen nachdenken. Vielleicht sollten sie die vergammelten Primeln nicht kompostieren, sondern vor Rathäusern und Ministerien abladen. Ihre Hoffnung richtet sich jedenfalls auf den 1., spätestens den 8. März.
Fachleute warnen, jetzt schon ins Frühjahr zu starten – der nächste Frost kommt bestimmt noch
Was aber machen nun Gärtner:innen bis dahin? Fachleute warnen, jetzt schon ins Frühjahr zu starten, etwa die Rosen abzuhäufeln und damit ihres Wurzelschutzes zu berauben, der nächste Frost kommt bestimmt noch. Stattdessen könnte man zum Beispiel zur großen Schere greifen. Laubbäume etwa dürfen nach der Baumschutzverordnung überhaupt nur bis Ende Februar beschnitten werden, aber nur die dünnen Äste. Obstgehölze sollten ebenfalls jetzt, vor dem Trieb zurückgeschnitten werden.
Es kann auch nicht schaden, mal nach zu gucken, ob da jemand Hilfe braucht: Nasses Laub zum Beispiel ist schädlich für die Spitzen der ersten Frühblüher, die sich aus dem Boden schieben, es sollte vorsichtig entfernt werden. Den Rasen, der sich gerade erst vom Eise befreit hat, bitte noch nicht so oft betreten, das mag er nicht.
Und ansonsten geht drinnen noch was. Wer nämlich Fruchtgemüse selber ziehen möchte, Tomaten, Paprika und Auberginen, sollte spätestens jetzt anfangen. Und zwar auf der Fensterbank und möglichst mit Zusatzlicht.
Dabei auf qualitativ hochwertigen Samen achten, den es nicht unbedingt im Supermarkt gibt, dann schon besser im Fach-Onlinehandel. Oder warten, im April kann man kleine Pflanzen fertig kaufen. Dann haben vielleicht auch die Gärtnereien wieder auf.