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Flüchtlinge in Berlin: Die Flucht der Verwalter

Das neue Großspaß-Projekt läuft in Berlin mit den Vorbereitungen zur Olympia-Bewerbung an - doch für dringende Fragen wie die Flüchtlingsproblematik fühlt sich niemand zuständig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Man wird den Eindruck nicht los, dass sich die Berliner Politik mit den schönen Dingen des Lebens lieber befasst als mit den Schwierigkeiten. Kaum ist der Plan für das nächste Großspaß-Event präsentiert – Olympia auf Berlinisch – muss der Senat mal wieder kapitulieren. So viele Flüchtlinge sollen nach Berlin, dass die zuständige Behörde wegen Überforderung geschlossen werden muss, und zwar auf Geheiß des Senators. Mario Czaja, der Mann der CDU für das Soziale, kennt die Unterbringungsproblematik in der Stadt nun wirklich – und zeigt sich alarmiert: Berlin muss für ein paar Tage dicht gemacht werden, jedenfalls für Asylbewerber.

Kurzfristig sei die Stadt überfordert, sagt Czaja – aber was folgt daraus politisch? Berlin steht bei der Aufnahme von Asylbewerbern unter den Bundesländern auf dem 7. Rang. Dass es alles andere als leicht ist, öffentliche Gebäude zu Flüchtlingsunterkünften zu machen, hat sich zuletzt im Streit um ein neues Heim in Hellersdorf gezeigt. Gedacht war und ist es für syrische Bürgerkriegsopfer. In Hellersdorf zeigte sich: Zu vermutlich jeder größeren Unterkunft gehören Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit wie Missgunst, Fremdenfeindlichkeit und Sozialneid. Nicht einmal Menschen, die einem Bürgerkrieg entkommen sind, können auf ungebrochen freundliche Aufnahme hoffen.

Nur wer internationale Politik gar nicht wahrnimmt, wird erwarten, dass Streit um die Unterbringung von Asylbewerbern angenehm selten bleiben wird. 435 000 Menschen haben 2013 in Europa Schutz und Hilfe gesucht, die Zahlen steigen seit Jahren, und es spricht alles dafür, dass es so weitergeht. Frauen und Männer aus Afrika, Syrien, Afghanistan brauchen Hilfe. Womöglich gehört auch die Ukraine bald zu den Staaten, in denen ein Bürgerkrieg Menschen in die Flucht treibt; von Donezk nach Berlin sind es 2000 Kilometer.

Es geht nur um das Verwalten, nicht um Politik

Und nun? Im Oktober 2012 ist das zeitgemäße Flüchtlingselend in Berlin angekommen, in Gestalt eines Treks von Asylbewerbern, der durch Deutschland in dessen Hauptstadt, bis zum Oranienplatz, gezogen war, um politisch etwas zu ändern. Ein fast vergessener Innenminister (Hans-Peter Friedrich, CSU) hat den Treck trotz großer medialer Aufmerksamkeit geflissentlich übersehen. Dabei hätte er sich, schon wegen zahlreicher mutmaßlicher Verstöße gegen die Residenzpflicht, zuständig machen können. Der dann zwangszuständige Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg war überfordert. Drei Berliner Senatoren kümmerten sich mehr oder minder erfolgreich. Jetzt soll die Berliner Polizei sieben Flüchtlinge aus einem Haus, oder genauer: von dem Dach des Hauses, zwingen, in dem sie ein paar Wochen zuhause gewesen waren. Vorschriften werden angewandt, Gutachten in Auftrag gegeben, um zu zeigen, dass das Berliner Flüchtlingsproblem penibel abgearbeitet wird.

Mit Politik hat das weniger zu tun als mit Verwaltung. Einzig Czaja gibt den Hinweis, dass Bosnien und Serbien als sichere Herkunftsländer angesehen werden sollten, und der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner will Liegenschaften des Bundes nutzen dürfen. Doch grundsätzlich wird keiner. Niemand traut sich, die bundespolitisch versprochenen Änderungen des Asylrechts anzumahnen, kein Sozial-, kein Christdemokrat, kein richtlinienkompetenter Regierender Bürgermeister. Niemand will über höhere Flüchtlingskontingente reden. Dafür ist man hier nicht zuständig. Man hat zu verwalten. Und Flüchtlinge sind keine Wähler.

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