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Zweite Heimat Berlin. Die meisten Bundestagsabgeordneten leben nur in den Sitzungswochen des Bundestages in Berlin. Dennoch müssen auch sie hier einen Wohnsitz anmelden und dann die Zweitwohungssteuer bezahlen.
© picture-alliance / dpa

Berlin und die Zweitwohnungssteuer: Die Einnahmequelle, die Niels Annen und Anton Hofreiter vergessen haben

Grünen-Fraktionschef Hofreiter hat es getan, der SPD-Politiker Annen ebenfalls - wegen prominenter Steuersünder gerät die Zweitwohnungssteuer erneut in den Fokus. Berlin bringt sie eher kleines Geld, einigen Politikern aber große Probleme.

Die Zweitwohnungssteuer, die 1998 in Berlin eingeführt wurde, war damals ein großes Problem für die „Bonner“, die in die Hauptstadt umziehen mussten, aber ihre Familie am Rhein zurückließen. Sie fühlten sich bestraft, weil sie auf einmal im ungeliebten Berlin arbeiten und dafür auch noch Steuern für eine Nebenwohnung zahlen sollten, die sie in der Regel nur wochentags nutzten. Am Wochenende reisten sie noch regelmäßig in die Heimat – zu Frau, Kind und Hund.

Die Bundes-FDP schimpfte zu jener Zeit über „Beutelschneiderei“ und „Raubrittertum“. Aber auch private Unternehmen und Verbände, die Ende der neunziger Jahre scharenweise an den neuen Parlaments- und Regierungssitz zogen, kritisierten die finanzielle Belastung ihrer Mitarbeiter, die oft ganz woanders ihren Lebensmittelpunkt hatten. Fast wäre die Berliner CDU damals eingeknickt, aber der kleine Koalitionspartner SPD setzte sich mit der Zweitwohnungsteuer durch.

Im Laufe der Jahre wurde fast vergessen, dass es diese Steuer gibt. Die Erlöse zugunsten des Berliner Haushalts sind mit 2,7 Millionen Euro (2013) sehr bescheiden. Zum Vergleich: Die Biersteuer bringt dem Land jedes Jahr 14 Millionen Euro und die Vergnügungsteuer 40 Millionen Euro, ganz zu schweigen von der Grund- und Gewerbesteuer, die jährlich über zwei Milliarden Euro in die öffentliche Kasse schwemmen. Rund 17 000 Bürger sind derzeit wegen einer Zweitwohnung in Berlin steuerpflichtig. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat aber keine Zahlen, in wie vielen Fällen „vergessene“ Zweitwohnungsteuern nachgezahlt werden mussten.

Politiker finden die Zweitwohnungssteuer sinnvoll

Nun aber gibt es eine aktuelle Debatte um bundespolitische Steuersünder wie Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, der wie berichtet seine säumigen Steuern bereits nachgezahlt hat, und den SPD-Abgeordneten Niels Annen. Doch unabhängig davon vertritt Finanzsenator Ulrich Nußbaum die Auffassung, dass die Steuer für Nebenwohnungen nach wie vor sinnvoll ist. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, sieht das ähnlich. „Natürlich ist uns jeder Cent, der in den Landeshaushalt wandert, herzlich willkommen.“ Sein CDU-Kollege Christian Goiny hält ebenfalls nichts davon, „auf diese Einnahmen leichtfertig zu verzichten“ und der Grünen-Finanzexperte Jochen Esser spricht zwar von „Kleinkram“, aber im „klammen Berlin macht jeder Euro Sinn“.

Zuletzt wurde in Berlin 2006 über das Thema gestritten, als das Bundesverfassungsgericht eine dringende Korrektur anmahnte, die eigentlich Hannover und Dortmund betraf, in Berlin aber – mit Zustimmung aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus – schnell übernommen wurde. Es ging um Ehepaare, die aus beruflichen Gründen teilweise getrennt leben und die nach dem Richterspruch von der Besteuerung einer Nebenwohnung ausgenommen werden mussten. Seitdem gab es keinerlei Beschwerden mehr, die Zweitwohnungsteuer lief einfach so mit.

Erwartungen im Laufe der Jahre nach unten korrigiert

Die Erfinderin war Annette Fugmann-Heesing, von 1996 bis 2001 Finanzsenatorin in der schwarz-roten Koalition. Die SPD-Politikerin hatte nach Amtsantritt sofort damit begonnen, eisern zu sparen und neue Geldquellen für die klamme Landeskasse zu erschließen. Zunächst gab es völlig unrealistische Einschätzungen. Von 15 Millionen Euro Einnahmen war vor Einführung des umstrittenen Steuergesetzes die Rede. Doch im Laufe der Jahre wurden die Erwartungen schrittweise nach unten korrigiert. Seit einigen Jahren sind es im Durchschnitt 2,5 Millionen Euro per anno.

Der eigentliche Zweck der Zweitwohnungsteuer ist auch ein anderer. „Sie motiviert viele Zuzügler, sich mit Hauptwohnsitz in Berlin anzumelden, dieser Effekt ist nicht zu unterschätzen“, sagte der Grünen-Abgeordnete Esser. Denn jeder Einwohner mit Hauptwohnsitz wirkt sich positiv auf den Länderfinanzausgleich aus. Mit einigen tausend Euro pro Kopf, belastbare Schätzungen gibt es dazu allerdings nicht. Den gleichen Zweck erfüllt das Begrüßungsgeld für Studierende, die sich mit der Hauptwohnung in Berlin anmelden.

Die Zweitwohnungsteuer beträgt fünf Prozent der jährlichen Nettokaltmiete und wird vom Finanzamt Mitte/Tiergarten zentral erhoben. Einmal pro Jahr, in der Regel am 15. Juli. Voraussetzung ist, dass man sich ordentlich mit der Nebenwohnung angemeldet hat und diese Wohnung mindestens ein Jahr behält. In diesem Fall meldet sich das Finanzamt von ganz allein. Wer sich nicht ordentlich anmeldet, wird vom Fiskus nicht erfasst. Über die Dunkelziffer gibt es aber nicht einmal Vermutungen.

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