800 Arbeitsstunden pro Monat: Die Durchführung von Corona-Schnelltests belastet Berlins Pflegekräfte
Positiv oder negativ – das Ergebnis liegt in Minuten vor. So soll die Verbreitung des Virus verhindert werden. Doch Heime müssen Tausende Abstriche machen.
In den Corona-Schnelltests, die eine Infektion binnen 15 oder 20 Minuten anzeigen können, sehen Politiker und Ärzte ein wichtiges Instrument, um zu verhindern, dass sich in Pflegeheimen und bei Pflegediensten das Coronavirus ausbreitet. Auch in Berlin bereitet man sich auf den Einsatz vor, sieht aber auch die Probleme bei der Anwendung.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Ergebnisse liegen binnen kurzer Zeit vor, ein Labor ist nicht nötig. Deshalb hat das Bundesgesundheitsministerium Mitte Oktober eine neue Corona-Testverordnung in Kraft gesetzt. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Pflegeheime einen Anspruch auf diese sogenannten Antigenschnelltests haben, die ihnen Bund und Länder zur Verfügung stellen.
Mit den Tests sollen vor allem die Pflegekräfte und Pflegebedürftige regelmäßig auf eine Infektion mit dem Virus geprüft werden, wenn dort noch kein bestätigter Infektionsfall vorliegt. Zudem sollen Besucher der Heime getestet werden, bevor sie die Einrichtungen betreten.
Seitdem läuft das Schnelltest-Karussell in Berlin immer schneller. Bis zum vergangenen Dienstag seien 556.500 Antigenschnelltests an Pflegeheime verteilt worden, teilte die Senatsgesundheitsverwaltung mit. „Damit haben alle stationären Einrichtungen eine Grundausstattung an Testkits erhalten.“ Einige Pflegeheime hätten auf eine Belieferung durch die Senatsverwaltung verzichtet und sich die Tests selbst beschafft.
Auch die ambulanten Pflegedienste erhalten die Tests. Bisher wurden 21.000 Stück verteilt. „Die Belieferung der ambulanten Pflegedienste ist voraussichtlich in der nächsten Woche abgeschlossen.“
Jeder Test nimmt 20 Minuten Arbeitszeit in Anspruch
Die Rechengröße, mit der der Bedarf an Schnelltests kalkuliert wird, liegt in Pflegeheimen bei 20 Tests pro Bewohner und Monat. Bei ambulanten Pflegediensten ist diese Zahl halb so hoch. Die Testanzahl wird dann in der Einrichtung für Personal, Bewohner und Besucher aufgeteilt.
Die Senatsverwaltung kalkuliert den monatlichen Bedarf auf insgesamt 668.000 Schnelltests für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen. „Dafür stehen ausreichend Vorräte zur Verfügung“, heißt es.
Die Kosten für die Tests übernehmen die Pflegekassen bis zu einer maximalen Höhe von sieben Euro pro Stück. Die Senatsverwaltung gibt diese zum Selbstkostenpreis an die Einrichtungen weiter. „Die Preise für die Tests liegen zwischen fünf und 6,99 Euro und sind damit vollumfänglich über den Rettungsschirm für Pflegeeinrichtungen refinanzierbar.“
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Die höhere Arbeitsbelastung des Personals werde damit aber nicht abgedeckt, sagen Kritiker vor allem aus der Pflegebranche. Dazu gehört zum Beispiel der Vorstandsvorsitzende von Korian Deutschland, Arno Schwalie. Korian ist mit rund 250 Einrichtungen der größte private Betreiber von Pflegeheimen in Deutschland, darunter befinden sich sieben Heime in Berlin.
Jeder einzelne Test nehme inklusive Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung rund 20 Minuten Arbeitszeit in Anspruch, sagt Schwalie. Bei einer Einrichtung mit 120 Plätzen, die monatlich also 2400 Tests durchführen könnte, sind das rein rechnerisch 800 Arbeitsstunden pro Monat.
Lange Wartezeiten, Einschränkungen bei Besuchen
Seit Monaten arbeiteten viele Pflegekräfte an der Grenze ihrer Belastbarkeit, sagt Schwalie. „Der aktuelle Pflegeschlüssel sieht den signifikanten Corona-bedingten Mehraufwand zeitlich nicht vor.“ Dies werde zu längeren Wartezeiten bis hin zu Einschränkungen bei den Besuchszeiten führen.
Zudem muss das Personal für den Test, der per Rachenabstrich erfolgt, geschult werden. Das bindet weitere Kapazitäten, vor allem der hochqualifizierten Pflegefachkräfte, die eine dreijährige Ausbildung haben. Die sogenannten Pflegeassistenten mit ihrer einjährigen Ausbildung dürfen den Test bisher nicht durchführen.
Das wiederum bringt vor allem ambulante Pflegedienste in die Bredouille, die nur Pflegeassistenten beschäftigen. Denn einerseits sind sie laut Testverordnung dazu verpflichtet, das Personal und die betreuten Pflegebedürftigen regelmäßig zu testen, können die Tests aber selbst nicht durchführen.
Diese Kritik kann man offenbar auch im Senat nachvollziehen. „Durch das neue Bevölkerungsschutzgesetz soll eine Ausweitung auf die Anwendung durch entsprechend eingewiesene Pflegehilfskräfte erfolgen“, teil die Senatsverwaltung mit. Das begrüße man sehr.
Schnelltests sind weniger genau, als Labortests
Die Schnelltests sind für den Nachweis einer Corona-Infektion weniger zuverlässig als die üblicherweise dafür verwendeten PCR-Tests, die im Labor ausgewertet werden. Deshalb muss ein positiver Schnelltest per PCR-Test bestätigt werden. Experten fordern, dass aus diesem Grund selbst bei einem negativen Schnelltest in der Altenpflege weiterhin FFP2-Masken getragen werden.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit plant deshalb, wie berichtet, die Berliner Pflegeheime mit einer größeren Anzahl kostenloser FFP2-Masken zu unterstützen. Diese Masken bieten eine deutliche höhere Filterwirkung gegenüber ausgeatmeten Aerosoltröpfchen, die Coronaviren enthalten können, als die normale sogenannte Mund-Nasen-Bedeckung.
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Man werde ab Donnerstag allen Berliner Pflegeeinrichtungen eine „kostenfreie Tranche“ der Masken zur Verfügung stellen, teilte die Gesundheitsverwaltung mit. Jede Einrichtung soll rund 200 Stück erhalten. Das wären allein bei den rund 300 Langzeitpflegeeinrichtungen in der Stadt insgesamt 60.000 FFP2-Masken.
Seit Beginn der Pandemie habe die Senatsgesundheitsverwaltung rund 584.000 kostenlose FFP2-Masken an Senats- und Bezirksverwaltungen, Behörden, Gesundheitsämter und Hebammen verteilt. Den Löwenanteil davon erhielt mit rund 445.000 Masken die Senatsinnenverwaltung.
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