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Trügerische Idylle: Der Görlitzer Park ist zum Drogenumschlagplatz verkommen, klagen die Anwohner. Die Polizei versucht mit regelmäßigen Razzien, die Szene einzudämmen.
© Thilo Rückeis

Drogenumschlagplatz in Berlin-Kreuzberg: Die Dealer im Görlitzer Park werden immer dreister

Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist zum öffentlichen Drogenumschlagplatz verkommen. Die Polizei reagiert mit wöchentlichen Razzien. Doch die Dealer im Park werden immer dreister, die Anwohner sind verärgert. Nun wacht auch die Politik auf.

Die Begrüßung gleich am Eingang bestätigt jedes Vorurteil: „Haschisch, Gras, Koks, MDMA?“, rattert der Drogendealer im Görlitzer Park seine Liste herunter – Danke, kein Bedarf. Sofort wendet sich der Mann mit Sonnenbrille dem nächsten Parkbesucher zu. Vielleicht hat er ja mehr Glück, der Tag ist noch jung.

Der Görlitzer Park ist zum öffentlichen Drogenumschlagplatz verkommen. Im Internet empfehlen Touristen den Park als erste Anlaufstelle, wenn man neu in der Stadt und auf der Suche nach Drogen ist. Vorn stehen die Dealer mit den harten Sachen, zwischen Falckensteinstraße und Glogauer Straße die Marihuana-Händler. Dazwischen tauchen immer wieder kleine Gruppen von jungen Männern auf, die wenig sprechen, aber vielsagend die Augenbrauen hochziehen.

Dem Drogenhandel folgt andere Kriminalität: Revierstreitigkeiten werden mit Fäusten und Messern ausgetragen, Passanten werden ausgeraubt, wenn sie nichts kaufen. Die Lage im Park kippt; die Bürgerinitiative „Unser Görli“ will Schülerlotsen einsetzen, damit Kinder auf ihrem Weg zu Schule oder zum Kinderbauernhof keine Angst haben müssen. Die Betreiberin des Clubrestaurants „Edelweiss“, das in einem der Backsteingebäude im Görlitzer Park untergebracht ist, wurde von Dealern beschimpft und geschubst, als sie mit ihrem Baby im Park unterwegs war. Katarzyna Telega, die bei der Schwarzlicht-Minigolfbahn gleich nebenan arbeitet, verlässt den Park nach Feierabend immer auf kürzestem Weg.

Die Polizei reagiert mit Repression: Fast wöchentlich laufen Razzien im Görlitzer Park, erst am Donnerstag waren 90 Beamte und vier Drogenspürhunde den ganzen Nachmittag im Einsatz. Die Beamten werden immer fündig, fast immer gibt es Festnahmen. Doch abschrecken lassen sich die Dealer nicht: Wenige Stunden später sind sie wieder bei der Arbeit. „Die Polizei fährt einen hohen Aufwand, um die Szene unter Druck zu setzen. Nicht nur in Parks, sondern auch in belasteten U-Bahn-Linien wie der U8“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) dem Tagesspiegel am Sonntag. Schwerpunkteinsätze im Görlitzer Park wie in dieser Woche wertet Henkel als „ein Signal, dass wir den Dealern bei ihrem Treiben nicht tatenlos zusehen“. Henkel plädiert für Präsenz, Razzien und setzt auf zivile Fahnder. „Die Szene arbeitet sehr konspirativ. Das mag paradox klingen, da die Dealer offen auftreten“, sagt er. Aber dahinter stecke ein ausgeklügeltes System aus Verstecken und Arbeitsteilung. „Die Polizei setzt darauf, die Dealer durch ständige Kontrollen zu verunsichern, Strukturen zu zerschlagen und Festnahmen zu erreichen. Das erfordert jedoch einen langen Atem.“ Ein universelles Konzept gebe es nicht. „Den Weinbergspark in Mitte haben sich Bezirk und Anwohner zum Beispiel durch eine Umgestaltung und bessere Ausleuchtung zurückerkämpft. Das kann die Polizeiarbeit nicht ersetzen, aber sie erleichtern“, sagte Henkel.

SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam bittet die Polizei, den Görlitzer Park als Schwerpunkt für Einsätze zu machen. „Dort muss Präsenz gezeigt werden, um den Besuchern wieder ein Sicherheitsgefühl zu geben.“ Das fordert auch CDU-Integrationspolitiker Burkard Dregger. „Uniformierte Polizeipräsenz“ sei das eine zweckmäßige Mittel , aber auch konzertierte Aktionen wie die Drogenrazzia in dieser Woche würden Wirkung zeigen. „Der Fahndungsdruck muss erhöht werden. Deshalb muss die Dealerszene überwacht werden, um dann zuzuschlagen“, fordert der CDU-Politiker. Dass sich Bürger in öffentlichen Anlagen nicht mehr ohne Angst bewegen können, sei „nicht hinnehmbar“. Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux erwartet von der Polizei ebenfalls mehr sichtbare Präsenz im Park, häufigere Drogenkontrollen und Zugriffe von Zivilfahndern. Gezielt müssten „aggressive Dealer aus dem Verkehr gezogen werden, ohne gleich den ganzen Park wieder umzukrempeln“.

Ob die Polizei den Görlitzer Park stärker ins Visier nimmt, ließ sich am Sonnabend nicht klären. Die Pressestelle erklärte auf Anfrage, man könne erst am Montag mit den zuständigen Stellen sprechen.

"Ich gebe den Jungs hier keine Schuld.": Meinungen zum Drogenhandel

Trügerische Idylle: Der Görlitzer Park ist zum Drogenumschlagplatz verkommen, klagen die Anwohner. Die Polizei versucht mit regelmäßigen Razzien, die Szene einzudämmen.
Trügerische Idylle: Der Görlitzer Park ist zum Drogenumschlagplatz verkommen, klagen die Anwohner. Die Polizei versucht mit regelmäßigen Razzien, die Szene einzudämmen.
© Thilo Rückeis
Fahritin Aydin
Fahritin Aydin
© Thilo Rückeis

Fahritin Aydin, seit 40 Jahren Kreuzberger: „Ich bin zwei- oder dreimal die Woche im Görli. Ich gebe den Jungs hier keine Schuld. Die haben kein Geld und keine Familie. Mein Sohn allerdings will schon lange nicht mehr mit in den Park. Er sagt, hier sind nur Junkies.“

Patricia Kohl
Patricia Kohl
© Thilo Rückeis

Patricia Kohl, Galeristin und Mutter: „Mein Sohn darf hier schon rumrennen, solange er in meinem Blickfeld bleibt. Er findet den Park aber sehr langweilig. Die Einsätze der Polizei sehe ich skeptisch, das schaukelt alles nur hoch und stört die Erholung.“

Julia Dorsch
Julia Dorsch
© Thilo Rückeis

Julia Dorsch, mit einer Freundin im Görli: „Wenn man hier aufgewachsen ist, hat man sich an die Situation gewöhnt. Das ist leider Normalzustand. Die meisten Probleme gibt es abends, da würde ich hier nicht durchlaufen. Es kümmert sich einfach niemand um den Park.“

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