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Michael Braun bat um seine Entlassung als Senator.
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Neuer Justizsenator gesucht: Die CDU hat keinen Ersatz für Braun

Nachdem Berlins Justizsenator Michael Braun um seine Entlassung gebeten hat, hat die CDU ein Personalproblem: Die SPD gibt Landeschef Henkel bis Januar Zeit, einen Nachfolger zu finden.

Der Rückzug Michael Brauns aus dem Amt des Justiz- und Verbrauchersenators stellt die Berliner Union vor ein schwieriges Personalproblem. Und das liegt nicht an fehlender Fachkenntnis: An Volljuristen mangelt es nicht in der Berliner CDU. Allein in der Fraktion des Abgeordnetenhauses, der 39 Parlamentarier angehören, sitzen 15 examinierte Juristen. Davon 15 Rechtsanwälte, auch Notare. Von den sechs CDU-Bundestagsabgeordneten aus Berlin haben zwei eine Zulassung als Rechtsanwalt: Karl-Georg Wellmann und Jan-Marco Luczak.

Die SPD erwartet vom Koalitionspartner einen Vorschlag, über den im Januar abgestimmt werden kann. Viele Namen werden in der Berliner CDU genannt. Parteichef Frank Henkel muss nach der Affäre um die Beurkundung von dubiosen Kaufverträgen mit „Schrottimmobilien“ durch den Notar Michael Braun, der nach nur zwölf Tagen das Senatorenamt wieder abgibt, einen Kandidaten finden, auf den er sich verlassen kann, der einen guten Leumund hat und nichts mit Immobiliengeschäften zu tun hat. Im Gespräch ist unter anderem Helge Sodan.

Sodan hat sich als Präsident des Landesverfassungsgerichts einen guten Namen gemacht. Ein Mann mit scharfem Intellekt, konservativ-liberal und juristisch kreativ. Mutig dazu. Unter seiner Leitung erklärte der Verfassungsgerichtshof den Landeshaushalt 2002/03 für verfassungswidrig. Der gebürtige Berliner mit CDU- Parteibuch war Direktor des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Universität. Nun ist er Chef des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht und sitzt in wissenschaftlichen Beiräten.

Sodan fehlt allerdings die Erfahrung im politischen Alltagsgeschäft. Vielleicht ist er auch wenig daran interessiert, sich in den Dschungel der Berliner Justizpolitik zu wagen. Auf eine Anfrage des Tagesspiegels antwortete er am Dienstag nicht. Auch der Jurist Burkard Dregger reagierte nicht auf Anfragen. Der Abgeordnete würde ebenfalls viele Voraussetzungen für das Senatorenamt mitbringen. Dregger hat sich in den vergangenen zwei Jahren als Mitautor und Verfechter des CDU-Konzepts zu Integrationspolitik Meriten erworben. Ein Problem gäbe es allerdings, würde Henkel ihn vorschlagen: Dreggers politische Heimat ist der Kreisverband Reinickendorf; sehr fraglich ist, ob Henkel diesen Verband mit Frank Steffel an der Spitze stärken sollte, während dessen alter Gegner Braun mit der Südwest-CDU schwächelt. Da wären die Auswirkungen auf die Machtverteilung in der CDU problematisch, wenn Henkel den Juristen Nicolas Zimmer fragte. Zimmer ist just am Dienstag zum Staatssekretär im Ressort für Wirtschaft und Forschung ernannt worden.

Die Schwierigkeiten der Kandidatensuche erklärte die CDU-Politikerin und Juristin Cornelia Seibeld mit dem Dilemma, das ein Jurist bei der Übernahme eines politischen Amtes haben könnte. Seibeld sagte dem Tagesspiegel, die angelegten Maßstäbe bei Michael Braun seien „völlig irre“. Der Vorwurf, Braun habe als Notar umstrittene Immobiliengeschäfte beurkundet, sei unangemessen. „Das hätte jedem von uns passieren können.“ Zwar gebe es moralische Kriterien. „Die Frage ist aber, wie weit die Moral geht, und wohin das führt.“

Anwälte könnten bei zivilrechtlichen Vertretungen in Konflikt mit einem politischen Amt kommen. „Es muss aber doch möglich sein, seinen Beruf auszuüben“, sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses. Das Abgeordnetenhaus ist ein Teilzeitparlament. Senatoren müssen ihre berufliche Tätigkeit während ihrer Amtszeit ruhen lassen.

Der Grünen-Politiker und Richter a.D. Dirk Behrendt nennt Seibelds Argumentation „sehr eigenartig. Braun hat eingestanden, dass er Schrottimmobilien beurkundet hat“. Er habe dubiose Verträge zum Schaden etlicher Verbraucher beurkundet. Das mache eben nicht jeder Notar. „Es gibt Richter, Staatsanwälte, die nicht in irgendeiner Form mit Immobiliengeschäften zu tun haben“, sagte Behrendt.

„Was haben Christdemokraten für moralische Maßstäbe“, fragt sich Linken-Landeschef Klaus Lederer, Abgeordneter und Jurist. Er wisse nicht, „in welchen Kreisen CDU-Anwälte verkehren. Ich kenne aber sehr wohl Anwälte, die sich für sozial Schwache einsetzen und die nichts mit Immobiliengeschäften zu tun haben“, so Lederer.

„Das Recht und Paragrafen sind in Buchstaben gegossene politische Anschauungen, über das, was legitim ist.“ In Anbetracht des Streits über die Moral von Senatoren frage er sich: „Was hat die CDU für Leute“?

Die Schutzgemeinschaft für geschädigte Kapitalanleger hat unterdessen Strafanzeige gegen Ex-Senator Braun gestellt. Mit Hilfe von Unterlagen von mehr als hundert Geschädigten werde man beweisen, dass Braun als Notar über die dubiosen Geschäftspraktiken informiert gewesen sei, heißt es.

Sabine Beikler, Werner van Bebber, Ulrich Zawatka-Gerlach

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