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Noch jemand ohne Fahrschein? Zuweilen erwischt es bei der Kontrolle die Falschen.
© Lukas Schulze/dpa

Öffentlicher Nahverkehr in Berlin: Die BVG macht zahlende Kunden zu Schwarzfahrern

Strafe trotz gültigem Ticket: Die BVG behandelt Passagiere mitunter wie Betrüger – weil sie einen Hinweis für den Austausch elektronischer Karten vergessen hat.

Das war peinlich für Wolfgang J.: Seelenruhig reckt er dem Kontrolleur in der S-Bahn sein elektronisches Ticket entgegen, voll überzeugt, dass alles – wie immer – in Ordnung ist. Und dann das: Der Kontrolleur runzelt die Stirn und erklärt, die Karte sei gesperrt und damit ungültig. So wie es etwa nach einem Diebstahl oder bei einer als verloren gemeldeten Karte gehandhabt wird. Vor den Blicken der anderen Fahrgäste folgt nun die übliche Prozedur: Aussteigen, Aufnehmen der Personalien und Ausstellen des Belegs für das "erhöhte Beförderungsentgelt". Das macht 60 Euro. Was J. noch nicht weiß: Es war die BVG, die ihn zum vermeintlichen Schwarzfahrer – oder Betrüger – gemacht hat.

Inhaberin der – übertragbaren – Karte ist seine Frau. Die Karte war ihr 2012 zugestellt worden; mit dem Hinweis, sie sei bis zum 31. März 2017 nutzbar. Am 16. Januar in diesem Jahr schickte die BVG eine neue Karte. Ohne Hinweis, was mit der alten passieren sollte. Dafür gab’s ein umständlich formuliertes Begleitschreiben zur Datensicherheit der Karte, mit der es 2015 Probleme gegeben hatte. Lesegeräte in den Bussen der BVG hatten die Fahrten damals gespeichert, was der Fahrgastverband Igeb aufgedeckt und dann Datenschützer kritisiert hatten. Nach intensivem Test der neuen Software sei nun sichergestellt, dass keine ungewollten Einträge auf der Karte vorgenommen würden, hieß es in dem Schreiben. Mehr war zur neuen Karte nicht zu lesen.

Da J. annahm, dass die zugeschickte Karte wie im Abonnement vereinbart erst vom 1. April an gültig sein werde, nutzte ihr Mann die alte Karte weiter. Bis zur fatalen Kontrolle. Wie der Zufall es nun wollte, erhielt J. zwei Stunden nach der Kontrolle eine Mail der BVG mit dem Hinweis, dass die alte Karte seit dem 1. Februar  gesperrt sei. Und mit der Bitte, von sofort an – unabhängig von der Vertragslaufzeit – die neue Karte zu nutzen. Die alte würde nämlich bei einer Kontrolle eingezogen werden. Dass dann auch das "erhöhte Beförderungsentgelt" fällig werde, stand nicht in dem Schreiben.

Im ersten Schreiben mit der beiliegenden neuen Karte sei die notwendige Passage zum Austausch und somit zur Nutzung der neuen Karte "auf Grund eines technischen Problems nicht mit übergeben" worden, erklärte die BVG. Für das "Versehen" bat sie ihre Stammkunden dann noch um Verständnis.

Die Sprecherin des Unternehmens, Petra Reetz, sagte auf Anfrage, der Absatz mit dem Passus zur Sperre sei schlichtweg vergessen worden. Und sie sicherte zu, dass die BVG die S-Bahn informiere, damit Kunden nicht fälschlicherweise als Schwarzfahrer oder unberechtigte Nutzer der Karte eingestuft würden. Mehrere tausend Schreiben mit den fehlenden Angaben zur Sperrung seien wahrscheinlich verschickt worden. Wie viele alte Karten bei Kontrollen eingezogen worden sind, lasse sich nicht sagen. Das "erhöhte Beförderungsentgelt" müsse selbstverständlich nicht bezahlt werden.

Damit war der Ärger für J. aber noch nicht vorbei. Bei der S-Bahn wusste man zwar inzwischen, dass der BVG ein Fehler unterlaufen war, doch die S-Bahn bestand darauf, dass J. trotzdem sieben Euro zahlen soll – die Summe, die fällig wird, wenn ein Stammkunde bei einer Kontrolle seine Karte nicht vorlegen kann, dies dann aber später im Abobüro nachholt, was J. auch gemacht hatte.

Das "erhöhte Beförderungsentgelt" bestehe grundsätzlich zu Recht, da die Karte bei der Kontrolle gesperrt gewesen sei, schrieb die S-Bahn. Sie habe diesbezüglich Rücksprache mit der BVG gehalten, die mitgeteilt habe, dass J. ihre neue Anschrift nicht zeitnah mitgeteilt habe und somit die neue VBB-fahrCard nicht zugestellt werden konnte.

Aufgrund dieser Rücksprache sei die S-Bahn "im Wege der Kulanz" aber bereit, das erhöhte Beförderungsentgelt auf sieben Euro zu reduzieren, da J. Inhaber eines Abonnements der BVG sei.

Damit gab sich J. , die gemeinsam mit ihrem Mann seit 35 Jahren in ihrer Wohnung lebt und die neue Karte ja auch erhalten hatte, jedoch nicht zufrieden. Sie forderte die BVG auf, die sieben Euro an die S-Bahn zu übernehmen und außerdem die Kosten für einen Einzelfahrschein zu erstatten, den ihr Mann nach dem Einzug der elektronischen Karte kaufen musste. Die BVG zahlte dann.

Dies teilte sie J. auch per Mail mit. Zu dem Durcheinander passt, dass J. diese Mitteilung nach ihren Angaben nicht erhalten hat. Aber immerhin: Der Bankauszug bestätigte die Zahlung. Ende gut.

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