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Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) steht im Zusammenhang mit illegalem Medikamente-Handel unter Druck.
© Britta Pedersen/dpa
Exklusiv

Skandal um Krebsmedikamente in Brandenburg: Die beschuldigte Firma Lunapharm trickste offenbar bis zuletzt

Brandenburgs Gesundheitsministerin Golze schritt im Pharmaskandal spät ein, der Arzneimittelhändler Lunapharm machte weiter. Jetzt liegen die Ergebnisse zum letzten, abgefangenen Transport vor.

Der unter Hehlereiverdacht stehende Medikamentenhändler Lunapharm im brandenburgischen Mahlow hat offenbar bis zuletzt getrickst. Das hat die Prüfung des letzten, von den Behörden vor fast zwei Wochen gestoppten Medikamententransports ergeben. Am 20. Juli hat das Landesgesundheitsamt dem Unternehmen die Betriebserlaubnis entzogen. Bei der Inspektion fiel auf, dass wenige Stunden zuvor ein Transport in Richtung Bayern gestartet war. Nun hat das Gesundheitsministerium auf Tagesspiegel-Anfrage das vorläufige Ergebnis der überprüften Ware vorgelegt: Die Transportpapiere passen nicht zur Ware. Die ohnehin mit Lunapharm befasste Staatsanwaltschaft Potsdam wurde informiert.

„Die Aufsichtsbehörden aus Bayern haben erhebliche Abweichungen zwischen dem Lieferschein und der tatsächlich transportierten Ware festgestellt“, sagte eine Ministeriumsprecherin. Dies sei „ein weiterer Beleg dafür, dass die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung“ von Lunapharm „nicht gegeben zu sein scheint“. Ob Lunapharm bei dem Transport illegal Medikamente gehandelt hat und ob es gestohlene Hehlerware aus Griechenland war, könne derzeit „nicht sicher beantwortet werden“.

Trotz Pharmaskandal blieb die Firma weiter unbehelligt

Gefunden worden seien bei dem von den Behörden gestoppten Transport verschiedene Präparate, die aus verschiedenen EU-Ländern, aber auch aus Griechenland stammen. Es lägen „keine Erkenntnisse vor“, ob die Mittel wirksam sind. Es handle sich teils um Krebsmedikamente, reimportiert aus Griechenland, über Litauen geliefert und von Lunapharm umverpackt.

Der Fall zeigt, dass Lunapharm trotz erster Berichte über den Pharmaskandal weiter und bis zuletzt unbehelligt von Brandenburgs oberster Gesundheitsbehörde Geschäfte machen konnte.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) steht wegen ihres Zögerns nach Bekanntwerden des Pharmaskandals unter Druck. Die ARD hatte den seit 2013 laufenden illegalen Handel mit aus griechischen Krankenhäusern gestohlenen Krebsmedikamente vor drei Wochen aufgedeckt. Seit Ende Juni war das Ministerium durch eine ARD-Anfrage vom Ausmaß des Skandals informiert. Nach ersten Dementis musste Golze eine Woche nach dem Bericht doch schwere Versäumnisse im Landesgesundheitsamt einräumen und startete einen Rückruf der zumeist bereits verbrauchten Mittel. Tage später wurde die Betriebserlaubnis entzogen.

Die Behörden befürchten, dass die Mittel für die Chemotherapie wegen fehlender Kühlung unwirksam sein könnten. Trotz Hinweisen von den Behörden in Polen und Griechenland, trotz seit Frühjahr 2017 laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam waren die Brandenburgs Arzneimittelaufseher nicht eingeschritten. Die Ministeriumsspitze war auch nicht informiert worden, die Opposition warf Golze deshalb Kontrollverlust vor. Lunapharm lieferte die Mittel in elf Bundesländer.

Wenn kein Korruptionsverdacht besteht, fällt Golzes Verteidigung in sich zusammen

Am Dienstag rückte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) von Golze ab und stellte sich nicht mehr uneingeschränkt hinter sie. Er widerrief seine Aussagen vom Montag, dass beschlagnahmte Rückstellproben Aufschluss über die Wirksamkeit geben könnten. Golze konnte im Kabinett keine neuen Erkenntnisse liefern.

Weiteres Problem für Golze: Ihre Verteidigungslinie beruhte bislang auf einem vom Ministerium erhobenen Korruptionsverdacht in der chronisch unterbesetzten Arzneimittelaufsicht. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin prüft die Anzeige wegen Bestechlichkeit gegen zwei Mitarbeiter. Intern wird damit gerechnet, dass sich der Verdacht nicht erhärtet und die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren einleitet. Das könnte das politische Aus für die Ministerin besiegeln.

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