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Zu den Angeboten der 1877 gegründeten Berliner Stadtmission gehört auch der Kältebus, der Obdachlose im Winter versorgt.
© Jens Kalaene/dpa

"Kirche ohne Diakonie ist blutarm": Die Berliner Stadtmission hat einen neuen Chef

Christian Ceconi steht 2800 Mitarbeitern und Helfern vor. Seine größte Herausforderung jetzt: Den Schwächsten der Gesellschaft durch die Pandemie helfen.

Noch hat Christian Ceconi nicht alle Sozialeinrichtungen, Gästehäuser und Gemeinden der Berliner Stadtmission besucht. Noch geht es ihm vor allem ums Kennenlernen. Doch der aus dem Hannoverschen stammende Theologe, der seit April Direktor des 1800 ehrenamtliche und 1000 hauptamtliche Mitarbeiter zählenden Werks in der Evangelischen Kirche ist, kommt allmählich in Berlin an.

„Ich bin im letzten Sommer gefragt worden, ob ich mir die Arbeit in der Stadtmission vorstellen kann“, sagt Ceconi, der auf Joachim Lenz folgt. Damals war er ganz weit weg von Berlin – im kanadischen Toronto betreute er eine deutsche evangelische Gemeinde.

Was ihn an der Berliner Stadtmission reizte? In erster Linie sei es die Zusammenarbeit von Diakonie und Kirche. „Kirche ohne Diakonie ist blutarm, Diakonie ohne Kirche verliert ihre Seele“, sagt Ceconi. 17 eigene Gemeinden, in denen sich Menschen Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst treffen, finden sich unter dem Dach der Stadtmission.

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„Man merkt, dass eine ganze Reihe unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit besonderer Nächstenliebe und Offenheit auf andere Menschen zugehen“, schildert Ceconi seine ersten Erfahrungen. „Die Menschen erzählen von ihrem Glauben, ohne dabei übergriffig zu sein: Sie sind gut verwurzelt und zugleich weit offen in ihrem Denken und Handeln.“ Weswegen die oft sehr schnell und flexibel reagierende Stadtmission durchaus ein „Inkubator für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert“ sein könne, glaubt er.

Der Neue. Christian Ceconi übernahm den Posten im April 2020.
Der Neue. Christian Ceconi übernahm den Posten im April 2020.
© promo

"Jesus sagt: Ich begegne euch bei jenen, denen es dreckig geht"

Ein Beispiel sei die Gemeinde an der Frankfurter Allee, die während des Lockdowns kurzfristig Nothilfepäckchen an Menschen verteilte, die sich nicht selbst versorgen konnten. „Dort wurden neue Nachbarschaften geschaffen“, sagt Ceconi. Und durch das Angebot eines gemeinsamen Mittagessens unter freiem Himmel würden die neu geknüpften Kontakte bis heute fortgeführt.

„Jesus sagt: Ich bin Mensch geworden und begegne Euch bei jenen, denen es dreckig geht, wo das Leben nicht rund läuft“, sagt Ceconi. „Wenn man das lebt und ernst meint, bleibt am Ende nur radikale Gastfreundschaft.“

Zu den großen Herausforderungen für die Berliner Stadtmission gehört in diesen Tagen, wie für ganz Berlin, die Bewältigung der Corona-Pandemie. „Wir sind dabei, zu überlegen, wie im kommenden Winter die Kältehilfe aussehen könnte“, sagte Ceconi. Denn so wie im Winter 2019 könne es unter Corona-Bedingungen vermutlich nicht laufen.

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Eine Idee könnte zum Beispiel sein, in der Obdachlosenarbeit ähnlich wie zu Beginn der Corona-Krise wieder ein Projekt zur Ganztagsunterbringung mit Sozialberatung aufzulegen. „Wir sind da aber noch im Gespräch“, sagt Ceconi. „Ein finales Konzept kann ich heute noch nicht vorstellen – aber ich vertraue auf die Kreativität und Schaffenskraft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Persönlich kommt Ceconi bei solchen Herausforderungen zugute, dass er schon immer gut organisieren konnte. In seiner Jugend war er bei den christlichen Pfadfindern, später absolvierte er seinen Wehrdienst, wurde Reserveoffizier. Ungewöhnlich ist das für einen Pfarrer – aber: „Es war ein Militärseelsorger bei der Bundeswehr, der mich zum Theologiestudium brachte“, sagte Ceconi.

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Was dann in der Studienzeit dazu führte, dass er in der Mensa oft komisch angeguckt wurde, wenn alle Anderen von ihren Erfahrungen im Zivildienst berichteten. „Aber natürlich musste ich mich auch vielen friedensethischen Diskussionen stellen.“

Bei der Stadtmission dürfte die Frage nach einem gerechten Krieg derzeit allerdings nicht im Zentrum stehen. Neben der künftigen Gestaltung von Angeboten wie der Kältehilfe muss sich das Werk vielmehr auch einer finanziellen Herausforderung stellen.

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Denn die Hotels und Gästehäuser der Stadtmission, etwa der Albrechtshof in Berlin-Mitte oder das Luther-Hotel in Wittenberg, leiden ebenfalls unter der Coronakrise. In normalen Jahren dienen die Gewinne der Häuser dazu, all jene Projekte des gemeinnützigen Werks zu finanzieren, für die es ansonsten keine Refinanzierung aus staatlichen oder kirchlichen Geldern geben würde.

Doch in diesem Jahr fehlen diese Einnahmen – und der Stadtmission ein sechsstelliger Betrag in ihrem Etat. „Wir werden zunächst auf Investitionen verzichten müssen“, sagt Ceconi. Kündigungen versucht das kirchliche Werk zu vermeiden – eher setzt man auch hier auf Kreativität: „In unserem Jugendgästehaus bieten wir jetzt Schulen, die Klassenfahrten durchführen wollen an, bis einen Tag vor Anreise kostenfrei zu stornieren“, sagt Ceconi. „Wir wollen schließlich auch nach Außen Hoffnung schenken.“

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