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Kai Wegner ist seit 2019 CDU-Landesvorsitzender.
© Kai-Uwe Heinrich

CDU-Chef Kai Wegner im Interview: „Die Berliner Maskenpflicht ist ein fauler Kompromiss"“

Maskenpflicht für Einzelhandel, Nahverkehr und Arbeitsplatz, dafür schnellere Öffnungen – das fordert der CDU-Landeschef Kai Wegner in der Coronakrise.

Von Ronja Ringelstein

Herr Wegner, Sie und CDU-Fraktionschef Burkard Dregger haben am Montag ein Strategiepapier vorgelegt, nennen es Berlin-Pakt. Was ist die Idee dahinter?
Ich spüre eine tiefe Erschütterung in der Berliner Wirtschaft, die wenig Vertrauen zum Senat hat. Vertrauen ist aber gerade in der Krise die wichtigste Währung. Das Kernanliegen des Paktes ist, dass sich Politik und Wirtschaft gemeinsam an einen Tisch setzen und Perspektiven aufzeigen, unter welchen Voraussetzungen die unterschiedlichen Branchen wiedereröffnen können. Wir müssen heute Impulse für die Zukunft setzen, damit auf die Coronakrise keine Sozialkrise folgt.

Worin liegt der Unterschied zwischen Ihrem Berlin-Pakt und dem „Schulterschluss“, den Senatswirtschafts- und Finanzverwaltung gerade mit Banken und Wirtschaftsakteuren in Berlin geschlossen haben? Hier wurde ein regelmäßiger Runder Tisch und etwa eine bessere Verzahnung von Förder- und Bürgschaftsprogrammen beschlossen. Klingt ähnlich.
Wir fordern erstens mehr Klarheit. Es bringt nichts zu sagen, Unternehmen dürfen bald öffnen, sondern wir müssen im Vorhinein klarmachen, unter welchen Voraussetzungen und Regeln. Und zweitens fordern wir mehr direkte Hilfen für den Mittelstand, denn der Senat lässt ihn in eine Förderlücke fallen. Tilgungszuschüsse des Senats reichen nicht aus. Ich kämpfe um jeden Arbeitsplatz und fordere daher nach Beschäftigtenzahlen gestaffelte Zuschüsse für Betriebe von zehn bis 250 Erwerbstätigen. Beispielsweise sollten Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten 30.000 Euro bekommen.

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Sie kritisierten den Senat als nicht vorausschauend. Macht er es inzwischen besser?
Der Senat hat die Lage unterschätzt und immer nur nachgemacht, was in anderen Bundesländern längst beschlossen oder sogar schon umgesetzt wurde. In Hamburg und Bayern läuft vieles besser. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass der Senat in dieser Krise wenigstens einmal funktioniert.

In Ihrem Strategie-Papier schlagen Sie vor, die Investitionsbank Berlin (IBB) solle Unterstützungskredite direkt vergeben, ohne dass der Kreditnehmer über seine Hausbank gehen muss. Die IBB aber sagte dem Tagesspiegel, dass sie das nicht leisten könne – haben Sie nicht gefragt, was möglich wäre?
Wir haben mit Verbänden und Branchenvertretern gesprochen, die bereit wären, die IBB zu unterstützen. Man sollte die Expertise der IHK nutzen. Zudem könnten auch Wirtschaftsprüfer mit der Bearbeitung der IBB-Kredite betraut werden.

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Am Montag hat die Bundeskanzlerin vor „Öffnungsdiskussionsorgien“ gewarnt. Finden Sie das richtig?
Die Kanzlerin hat recht. Wir werden die Krise nur bewältigen, wenn wir weiter diszipliniert sind. Die Lage ist immer noch ernst. Das heißt aber nicht, dass wir die Zeit jetzt nicht nutzen sollten, um Impulse für die Wirtschaft nach der Krise zu entwickeln.

Sie selbst fordern Öffnungen. Hotels und Gastronomie sollen schrittweise öffnen dürfen, Läden des Einzelhandels unabhängig von der Größe. Muss man jetzt abwägen, was schlimmer ist: Der wirtschaftliche langfristige Schaden oder die schnellere Verbreitung des Virus?
Freiheiten und Gesundheitsschutz müssen zusammen gedacht werden. Heute ein Datum für eine Öffnung zu nennen, halte ich für grundfalsch. Aber wir müssen jetzt besprechen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Regeln Hotellerie und Gastronomie eröffnen können, damit die sich darauf vorbereiten können. Ich fordere einen Musterhygieneplan des Senats, der allen Unternehmen, Läden und Restaurants Orientierung gibt, beim Einzelhandel unabhängig von Sortiment und Quadratmeterzahl.

Wie stellen Sie sich das mit der Hotel-Öffnung konkret vor – wer soll denn bei Reiseverboten in Hotels übernachten?
Es wird hoffentlich dieses Jahr noch zumindest der Deutschland-Tourismus wieder hochgefahren. Darauf muss sich die Hotellerie vorbereiten, denn es wird vieles anders sein nach dem Shutdown. Und Berlin muss seine Strategie beim Tourismus-Marketing verändern, bisher waren wir stark auf internationalen Tourismus ausgerichtet. Der Schwerpunkt muss nun auf dem Deutschland-Tourismus liegen.

Der Senat hat am Dienstag eine Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr beschlossen. Ist das zu wenig?
Das ist halbherzig und nicht konsequent. Hier ist wieder einmal ein fauler Kompromiss zwischen den Senatsparteien gefunden worden, statt die Priorität auf den Gesundheitsschutz zu legen. Eine Pflicht sollte auch gelten beim Einkaufen und am Arbeitsplatz, wenn mit geringeren Abständen gearbeitet werden muss. Wir brauchen eine Task-Force für die Beschaffung. Es gibt Berliner Unternehmen, die ihre Produktionslinien auf Masken umstellen und in großem Umfang herstellen könnten. Hier muss der Senat finanzielle Anreize schaffen. Deutschland muss bei Schutzausrüstung, aber auch bei der Herstellung von Medikamenten unabhängiger werden. Klar ist aber auch, wir brauchen alltagspraktische Lösungen. Solange die Versorgung aller mit Masken also nicht möglich ist, sollten die Menschen Schals oder selbstgemachte Masken tragen.

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