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Innensenator Körting akzeptiert den Richterspruch. Er wiederholt das Auswahlverfahren mit den beiden Kandidaten in beamtenrechtlich korrekter Form.
© Thilo Rückeis

Polizeipräsidenten-Debakel: Die Auslese der Besten – und ihre Tücken

Auf der Suche nach einem neuen Behördenchef stieß Ehrhart Körting auf vermintes Gelände. Auch eine Neuausschreibung des Amtes statt einer Korrektur des alten Verfahrens wäre rechtlich möglich.

Mit dem verunglückten Versuch, kurz vor der Abgeordnetenhauswahl einen neuen Polizeipräsidenten zu ernennen, hat sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf vermintes Gelände begeben. Die Auswahl von Führungspersonal unterliegt, ebenso wie Beförderungen im öffentlichen Dienst, dem hoch komplizierten Beamtenrecht. Außerdem nehmen „unterlegene Bewerber verstärkt gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch“, schrieb der Verwaltungsjurist Christoph Eckstein (Hochschule der Polizei in Baden-Württemberg) in einem Fachaufsatz. Dabei seien die Positionen der Kläger von den Gerichten gestärkt worden.

BESTENAUSLESE

Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. So steht es im Grundgesetz. Im Beamtenrecht des Bundes und der Länder wird dieses Prinzip der „Bestenauslese“ konkretisiert. Die Auswahl der Bewerber müsse ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen erfolgen. Ämterpatronage und Parteibuchkarrieren sollen dadurch verhindert werden. Außerdem hat jeder Kandidat für ein öffentliches Amt den Anspruch auf eine „ermessens- und beurteilungsfehlerfreie“ Entscheidung.

KONKURRENTENKLAGE

Beamtenrechtliche Auswahlentscheidungen unterliegen als „Akt wertender Erkenntnis“ einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Der Richter darf nicht an die Stelle des öffentlichen Arbeitgebers treten. Aber das Gericht überprüft im Rahmen einer Konkurrentenklage unterlegener Bewerber, ob das Bewerbungsverfahren transparent, fair und gut dokumentiert war. Und ob sachfremde Erwägungen angestellt, allgemein gültige Wertmaßstäbe ignoriert oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde. Im Wege der einstweiligen Anordnung kann das Gericht die Stellenbesetzung stoppen, um eine unrechtmäßige Personalentscheidung zu verhindern. Unter Beachtung der Hinweise des Gerichts muss das Auswahlverfahren wiederholt werden.

Im Streitfall Polizeipräsident sah das Verwaltungsgericht Berlin das Recht des Mitbewerbers auf „fehlerfreie Entscheidung“ verletzt. Da es sich um eine Führungsaufgabe handele, hätte ein besonderes Verfahren (strukturiertes Auswahlgespräch, Auswahlinterview, oder gruppenbezogene Auswahlverfahren) stattfinden müssen. Unter Einbindung einer fachkundigen Person, die nicht in der Innenverwaltung beschäftigt ist. Die übliche Auswertung von Personalakten und dienstlichen Beurteilungen reichten dem Gericht in diesem besonderen Fall nicht aus. Senator Körting hat dieses Urteil jetzt akzeptiert und will sich an die Vorgaben des Verwaltungsgerichts halten.

AUSWAHLKOMMISSION

Die Innenverwaltung des Senats wird nun eine Auswahlkommission gründen, die mit den Kandidaten für das Amt des Polizeipräsidenten, Udo Hansen und Klaus Keese, Bewerbungsgespräche anhand eines Fragenkatalogs führen wird. Vorsitzender des Gremiums soll ein externer Fachmann für Personalfragen werden. Wie die Kommission insgesamt besetzt werden soll, ist noch offen. Andere Bewerber, die in der ersten Auswahlrunde ausgeschieden sind, werden nicht neu hinzugezogen. Denn außer Keese hat niemand dagegen geklagt, dass er nicht berücksichtigt wurde.

NEUAUSSCHREIBUNG

Innensenator Körting wiederholt zwar das Auswahlverfahren mit den beiden Kandidaten in beamtenrechtlich korrekter Form, um die fehlerhaften Teile des Verfahrens zu heilen. Er lehnt aber die Forderungen von Grünen, CDU und Linken ab, den Posten des Polizeipräsidenten neu auszuschreiben. Deshalb bleibt die öffentliche Ausschreibung vom 7. Dezember 2010 und deren Anforderungsprofil gültig. Der Verzicht auf eine Neuausschreibung mag politisch begründbar sein, rechtlich zwingend ist er nicht. Jeder öffentliche Dienstherr kann ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer Stelle jederzeit abbrechen, wenn er dies sachlich begründet. Für die Bewerber aus der ersten Runde ergäben sich dadurch keine Rechtsansprüche auf eine bevorzugte Behandlung im zweiten Anlauf. Eine Neuausschreibung könnte wohl erst nach der Bildung eines neuen Senats, also ab Spätherbst 2011 erfolgen. Dann bekäme die Polizei vielleicht im Sommer 2012 einen neuen Chef.

RAUSWURF

Der Senat hat im Juni den Personalvorschlag Körtings zwar bestätigt, aber Hansen nicht ernannt. Der frühere Bundesgrenzschutz-Chef hat demnach keine einklagbaren Ansprüche gegenüber dem Land Berlin. Sollte er doch noch die Ernennungsurkunde vor der Wahl erhalten, weil er in der zweiten Auswahlrunde obsiegt, könnte er vom neuen Senat notfalls in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

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