Ehemalige Blumengroßmarkthalle: Die Akademie des Jüdischen Museums öffnet ihre Türen
Die Akademie des Jüdischen Museums ist geöffnet, aber noch nicht fertig. Das gehört zum Konzept: Nach und nach soll der Libeskind-Bau in der ehemaligen Blumengroßmarkthalle mit Leben gefüllt werden.
Die Diele wackelt gefährlich beim Drübergehen, die Holzstege sind noch nicht zu Ende verlegt, Pappen liegen auf dem Boden. Und wo sind überhaupt die Pflanzen? Schließlich befindet man sich hier im „Garten der Diaspora“ der seit Montag für Besucher geöffneten Akademie des Jüdischen Museums. Nur eines von insgesamt sechzehn Hochbeeten ist schon bepflanzt.
„Ich bin extra wegen des Gartens gekommen“, sagt Irene Schairer aus Charlottenburg. „Aber man kann jetzt schon sehen, dass sich das toll entwickeln wird. Pflanzen brauchen eben Zeit.“ Auch ihr Mann ist beeindruckt von dem, was bisher zu sehen ist von der Akademie, die in der ehemaligen Blumengroßmarkthalle direkt gegenüber des Jüdischen Museums in der Lindenstraße in Kreuzberg untergebracht ist: „Das ist von innen und außen ein ganz imponierender Bau“, sagt Wolfgang Schairer.
Architekt Daniel Libeskind hat den Umbau der Halle entworfen: hell und luftig, viel Holz und Glas, schräge Wände und abstrakte Formen. „Mir gefällt gut, dass der Baustil dem Jüdischen Museum angepasst ist“, sagt auch Christa Barthel. Die Kreuzbergerin interessiert sich schon lange für Israel und das Judentum und liest viel darüber. Das kann sie künftig in der Bibliothek, neben dem Garten der Diaspora und dem Archiv ein weiterer Bestandteil der Akademie.
Hier sitzt Kai Gruzdz und wacht über etwa zwanzigtausend Bücher. „Deutsch-jüdische Romane, Sach- und Erinnerungsbücher, Kochbücher, alles dabei“, zählt der Bibliothekar und Museologe auf. Nicht nur deutsche Bücher, auch englische, hebräische und russische Bücher sind hier zu finden. „Das älteste Buch ist von 1391, aber das lagert wie alle Werke, die von vor 1945 sind, an einem geschützten Ort im Archiv“, sagt Kai Gruzdz.
Die Bibliothek ist als einzige schon fertig, „alles andere kommt nach und nach“, sagt Sylvia Winkler, Mitarbeiterin des Jüdischen Museums. Die feierliche Eröffnung der Akademie fand bereits ein halbes Jahr früher statt: Im November 2012 im Rahmen der Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz wurde trotz Baustelle schon hier gefeiert. In den neuen Veranstaltungssaal passen zweihundert Gäste, noch ist er unbestuhlt und kahl. Auch eine Werkstatt und eine Küche gibt es. „Wir wollen besonders Workshops für Kinder anbieten, zum Beispiel, wie man jüdisches Essen zubereitet“, sagt Sylvia Winkler.
Das Halbfertige hat seinen Charme. Die Besucher, die regelmäßig kommen, können beobachten, wie sich die Akademie nach und nach mit Leben füllt. Das ist auch Teil des Konzepts: „Den Dingen beim Wachsen zugucken, schauen, ob sie Wurzeln schlagen, das passt ja zur Diaspora“, sagt Marc Pouzol. Der Landschaftsarchitekt vom Büro „Le Balto“ ist gerade mit seinen beiden Kolleginnen gekommen, um das nächste Beet in Angriff zu nehmen. Insgesamt drei Jahre wird es dauern, bis alle Beete bepflanzt sind. „Wir machen das Gegenteil von einer Deko-Gartenanlage“, sagt Pouzol. Im Winter wird die Gartenhalle nicht geheizt, „vielleicht gehen einige Pflanzen ein, es wird nicht die ganze Zeit grün sein und blühen.“ Ein Garten im Prozess eben.
Die Halle, in der sich der Garten befindet, wird von einer Stellwand aus in Folie verpackten Regalen geteilt. Ein Blick dahinter zeigt: Hier ist noch ganz viel Platz und noch viel mehr unfertig: Betonsäcke, Pappkartons, Plastikfolien, ein halbes Baugerüst. Da kommt auch schon der Hausmeister. „An der Regaltrennwand ist Schluss“, sagt er freundlich, aber bestimmt. Der Raum solle künftig auch genutzt werden, für Ausstellungen oder weitere Büroräume etwa. „Das ist aber im Moment noch Zukunftsmusik“, erklärt Sylvia Winkler. Insgesamt 10 000 Quadratmeter umfasst das Areal, „das können wir ja gar nicht auf einmal alles bespielen, sondern machen das Schritt für Schritt.“
Das Interesse ist groß: Die ersten Neugierigen schauten bereits vorige Woche vorbei. „Da kamen jeden Tag etwa fünfzehn Leute“, schätzt der am Eingang sitzende Mitarbeiter der Sicherheitsfirma. Wie im Jüdischen Museum und in anderen jüdischen Institutionen gibt es auch hier eine strenge Einlasskontrolle. „Dafür haben fast alle Verständnis“, sagt der Wachmann, der vorher einige Jahre im Museum gegenüber gearbeitet hat. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, fügt er lachend hinzu. Schlimmes passiert sei in all den Jahren zum Glück nix. Dass in der Akademie künftig aber ganz viel Gutes passieren wird, das kann man jetzt schon sehen.
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